Die Polizei hat ein Problem - epd medien

09.09.2024 13:22

In den vergangenen Jahren wurden mehrere Fälle publik, in denen Polizisten in Chatgruppen verfassungsfeindliche Symbole posteten und Migranten diffamierten. Sebastian Bellwinkel geht in der SWR-Dokumentation "Die Polizei und der Rassismus" der Frage nach, wie schwerwiegend das Problem mit Rassismus in der Polizei ist.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt (rechts), und sein Stellvertreter Ralf Kusterer

epd Abdel ist marokkanischer Herkunft, er liebt seine Arbeit als Polizist in Deutschland. Er sagt, er entschied sich einst für diesen Beruf, nachdem er sich gefragt hatte: "Wie bin ich am besten integriert, wie schaffe ich es, in der Gesellschaft anzukommen?" In Sebastian Bellwinkels Dokumentation "Die Polizei und der Rassismus - Alles nur Einzelfälle?" ist Abdel, der eigentlich anders heißt, eine tragende Figur. Er erzählt, wie er selbst von Kollegen rassistisch diskriminiert wurde, wie er diese zunächst vergeblich damit konfrontierte, wie er die Vorfälle ebenso vergeblich seiner Vorgesetzten meldete und die Angelegenheit schließlich mithilfe einer Nichtregierungsorganisation nach außen trug. Es gebe "mehrere Fälle wie Abdel", sagt Bellwinkel, doch er sei der erste Polizist, der offen darüber berichte.

Der andere Mann aus dieser "Story" der ARD, an dessen Äußerungen sich Zuschauer noch lange erinnern werden, ist Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg. 2022 zog er Aufmerksamkeit auf sich, als er von Polizisten verbreitete rassistische und neonazistische Chat-Inhalte als "vermeintliche Spaßaktionen" bezeichnete. Bellwinkel spricht ihn darauf an. Kusterer sagt, was er seinerzeit gesagt habe, sei "sicherlich auch etwas falsch verstanden" worden. Dann setzt er aber noch einen drauf: "Mir ging es darum, darauf hinzuweisen, dass junge Menschen in der Ausbildung sich irgendwelche Bilder zugeschickt haben und die Bedeutung dessen, was da so verschickt wurde, wahrscheinlich gar nicht so im Blick hatten. Die dachten eher an - wie sag ich mal? - Comedy."

Eine Frage der Allgemeinbildung

Als Bellwinkel weiter fragt, sagt Kusterer noch, Polizisten, die in Chats zum Beispiel "eine Karikatur" verbreiteten, auf der ein Rudergerät und "so eine Art Hitler-Darsteller" mit dem Text "Ich trainiere für mein Comeback" zu sehen seien, hätten "manchmal gar nicht den Bezug" zur NS-Zeit. Was dem Gewerkschafter nicht aufzufallen scheint: Würde seine These stimmen, hätte die Polizei vielleicht kein Rassismusproblem, sondern ein noch größeres Problem mit der Allgemeinbildung. Sind die Anforderungen, die man erfüllen muss, wenn man einen so verantwortungsvollen Beruf ergreift, so außergewöhnlich niedrig, wie Kusterer suggeriert?

Problematisch ist in dieser Dokumentation allerdings auch, wie Bellwinkel mit den Chatbildern umgeht, von denen die Rede ist. Werden in Fernsehbeiträgen beleidigende und volksverhetzende Ausschnitte aus Chatgruppen in kritischer Absicht thematisiert, trägt man mit der Verbreitung auch zu ihrer Wirkung bei. Das ist ein Dilemma. Bellwinkel bildet diese Bilder aber nicht nur ab, er beschreibt sie auch noch ausführlich, obwohl sie keiner Beschreibung bedürfen. Zuerst sagt ein Sprecher, was auf dem für die Zuschauer deutlich zu sehenden Bild zu sehen ist ("Ein Schwarzer mit Hakenkreuz-Shirt"), dann liest ein weiterer den Text vor ("Das nenne ich Integration"). Auch eingeblendete Schlagzeilen und X-Posts werden Wort für Wort vorgelesen, anstatt sie kommentierend zusammenzufassen.

Trotz solcher formalen Unzulänglichkeiten ist Bellwinkels Film verdienstvoll - unter anderem, weil er deutlich macht, dass mit dem Aufstieg der AfD auch ein die Polizei betreffendes Problem verbunden ist. Armin Bohnert, Polizeidirektor in Freiburg und Vorsitzender des den Grünen nahestehenden Bundesverbands Polizei Grün, sagt: "Wenn wir unseren Diensteid abgleichen mit den öffentlich zugänglichen Aussagen von AfD-Spitzenpolitikern, dann bin ich der Meinung, dass jeder da eine deutliche Diskrepanz erkennen muss, und dass es nicht vereinbar mit unseren Werten ist, für die wir im Dienst auch stehen müssen, diese Partei zu wählen."

Der größere Schaden

Bellwinkel kritisiert, es gebe keine "klare Abgrenzung der Innenminister zu Polizisten mit AfD-Parteibuch". Genaue Zahlen dazu, wie viele AfD-Sympathisanten es in der Polizei gibt, fehlen allerdings. Denn eine wissenschaftliche Untersuchung von Rassismus in der Polizei werde von Personen, die in der Debatte "den Ton angeben", nicht gewünscht, sagt der Autor. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft und Medienliebling, sagt, die "sogenannten Polizeiforscher" hätten dafür keine "Kompetenz".

Michael Leidenheimer, Ausbilder an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, hält dagegen: Nach seinem Eindruck würde "die Mehrheit" der Polizisten solche Forschungsvorhaben unterstützen. Denn wenn die Ergebnisse da wären, wüssten die Behörden "wenigstens ganz genau, an welchem Problem wir arbeiten müssen", sagt er.

Was Bellwinkel gut herausarbeitet: Die Gegner einer solchen Studie erkennen nicht, dass die Verhinderung der Untersuchung einen größeren Imageschaden bewirkt, als die abgeschlossene Studie je haben könnte.

infobox: "Story: Die Polizei und der Rassismus - Alles nur Einzelfälle?", Dokumentation, Buch und Regie: Sebastian Bellwinkel, Kamera: Florian Lengert, Felix Korfmann, Sebastian Wagner, Produktion: Elbmotion Filmproduktion (ARD/SWR, 3.9.24, 22.50-23.35 Uhr, in der ARD-Mediathek bis 3.9.26)



Zuerst veröffentlicht 09.09.2024 15:22

René Martens

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KSWR, Dokumentation, Bellwinkel, Martens

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