Medienforscher Pörksen: "Tabus existieren zu Recht" - epd medien

12.07.2024 10:32

Oberursel (epd). Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hält das gesellschaftliche Klima für besser, als der öffentliche Diskurs vermuten lässt. Der Forscher der Uni Tübingen sagte der im hessischen Oberursel erscheinenden Monatszeitschrift "Publik-Forum" (Ausgabe vom 12. Juli), neben Wut und Hass sowie einer "übertriebenen Sensibilität, die schon minimale Grenzüberschreitungen mit maximalem Furor verfolgt", gebe es "auch die Sphäre echter Wertschätzung und des authentischen Respekts". Sie komme in Unternehmen, Universitäten, Schulen, Redaktionen vor.

Die Behauptung, der Meinungskorridor habe sich verengt, lehnte der Medienwissenschaftler ab. Zwar gebe es rote Linien im Diskurs, und natürlich existierten Tabus, aber zu Recht. "Das nennt man Zivilisation", sagte er. Es sei gut, dass die Sensibilität gewachsen sei, dass Witze auf Kosten von Minderheiten oder frauenfeindliche Sprüche verpönt seien. "Dafür nehme ich gerne in Kauf, dass es mitunter eine Hypersensibilität gibt, die mir selbst übertrieben scheint", sagte Pörksen.

Derzeit revolutioniere sich die Kommunikation tiefgreifend, vergleichbar mit der Erfindung der Schrift oder des Buchdrucks, erklärte Pörksen. "Wir tragen eine Kommunikationslast, die vor wenigen Jahren unvorstellbar schien", sagte er. Das sei die tiefe Ursache für eine große Gereiztheit der Gegenwart. "Wir sind in dieser neuen Welt wie Mönche im Mittelalter, die an die Ränder ihrer Weltkarten malten, wie sie sich die Welt jenseits ihres Horizonts vorstellten. Sie malten alles verschlingende Wale, riesige Tintenfische, monströse Hummer. Heute heißen diese Monster Tugendterror, Meinungsdiktatur, Cancel Culture."

Meldung aus dem epd-Basisdienst

nis



Zuerst veröffentlicht 12.07.2024 12:32

Schlagworte: Gesellschaft, Medien

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