Alles kommt raus - epd medien

25.07.2024 09:20

Im ZDF-Film "Pärchenabend" kommt alles zum Vorschein, was hinter der Fassade schon lange brodelte. Doch wirklich überzeugen kann die Komödie Barbara Sichtermann nicht, der Humor kann sich nicht so recht entfalten.

In "Pärchenabend" verabreden sich drei Paare in vermeintlich trauter Runde

epd Bevor die Autorin Alexandra Maxeiner das Drehbuch für die Komödie "Pärchenabend" schrieb, hatte sie den Stoff schon in ein Theaterstück umgesetzt. Beim Anschauen der TV-Version ahnt man den theatralen Hintergrund wegen des nach der Exposition gleichbleibenden Schauplatzes: ein schickes modernes Wohn-Esszimmer, in dem eine Runde aufgeräumter Menschen fröhlich tafelt. Aber das ist natürlich nur der Anschein. Hinter der Fassade lauern alte Misshelligheiten, dumpfe Aggressionen, unausgesprochene Verdächtigungen.

Bei den Feiernden handelt es sich um einigermaßen erfolgreiche Mittvierziger, drei Frauen, drei Männer. Gastgeberin Caro (Alwara Höfels) erleben wir anfangs bei der Zubereitung des Hauptganges, Ehemann Tarek (Serkan Kaya) kommt hinzu und hat die Mandelsplitter vergessen. Caro ist verstimmt, zumal sie gern ihre Schmetterlingskette angelegt hätte, die sie aber nirgends findet. Nach und nach treffen die Gäste ein: Das Ehepaar Philipp (Ken Duken) und Anne Hofmann (Adina Vetter), bringt die Vorspeise mit und vernimmt erstaunt, dass noch ein weiteres Paar erwartet wird: Matze (Jakob Matschenz) mit seiner Neuen, die noch keiner kennt, mit dem Namen Nesrin (Carol Schuler). Die Atmosphäre erscheint angespannt, wenn nicht gar belastet.

Alte schmutzige Wäsche

Die beiden Männer Tarek und Philipp sind einst im Streit geschieden und seitdem irgendwie sauer aufeinander; Caro hat das Essen auch deshalb arrangiert, um eine Aussprache und danach einen Friedensschluss herbeizuführen. Man stößt mit Grauburgunder an, redet aber um den heißen Brei herum und konzentriert sich lieber auf die Hähnchenschenkel.

Nur Philipp kann es nicht lassen. Er provoziert Tarek, schon ist man drin in dem alten Konflikt, der sich vor Jahren bei einer Demonstration gegen den Kapitalismus zutrug und bei dem es um eine gewisse Mona (Marleen Lohse) ging. Philipp geriert sich als deren Fürsprecher und greift Tarek an, der einst Mona zu dieser Demo überredet habe, bei der die Ärmste von der Polizei aufgegriffen wurde, wodurch sie ihr Stipendium verlor und alles den Bach runterging. Alte schmutzige Wäsche wird kräftig geschleudert, alle regen sich auf, und da klingelt plötzlich Annes Handy.

Handys spielen in der Dramaturgie dieser Komödie eine herausragende Rolle, und das ist wirklich lustig. "Hast du meine Nachricht nicht bekommen?" ist eine mehrfach gestellte Frage, mittels derer dann die face-to-face-Kommunikation wieder eröffnet wird, die das Handy samt seinen Extrafunktionen wie SMS und Sprachnachrichten gerade überflüssig machen sollte und die jetzt nur noch mit gereiztem Unterton geführt werden kann. Kurz vor dem Dessert sitzt die Runde schließlich um den Tisch herum und kann es nicht fassen, dass da ein Handy klingelt, das von Anne vermisst wird und in Tareks Tasche steckt. Auch öffnet Anne, der es heiß wird, ihren obersten Blusenknopf, und was da hervorblitzt, ist nichts anderes als die von Caro vermisste Schmetterlingskette.

Theaterhafte Künstlichkeit

Jetzt kommt alles raus: Tarek hat eine Affäre mit Anne, Nesrin war jahrelang Philipps Geliebte, Caro hatte ihren Mann ohnehin in Verdacht, und Mona findet diese ganze verklemmte Heteronormativität zum Kotzen. Es kommt unter den Gefühlsmenschen Caro und Tarek zu großen Bekenntnisarien ("Ich wollte dich nie verletzen") und unter den Zynikern Philipp und Anne zu Ausbrüchen des Zorns.

Doch worum geht es hier? Soll gezeigt werden, dass die Menschen vor allem Ehebrecher und Verführerinnen sind, denen alles egal zu sein scheint? Regisseur Leo Khasin hat sich redlich bemüht, das Stück von jedweder abgehobenen Bühnenhaftigkeit in den schlichten Realismus des Fernsehspiels zu überführen, was aber nicht wirklich gelungen ist - man spürt die ganze Zeit eine theaterhafte Künstlichkeit, die die Anteilnahme am Schicksal der Figuren beeinträchtigt.

Vor allem das zynische Paar wirkt nicht wie aus dem Leben gegriffen, sondern arg konstruiert. Die Autorin Maxeiner hat gerade Philipp und Anne sophisticated one-liner in den Mund gelegt, die gut klingen, aber wie falsche Edelsteine aus den sonst eher alltagsnahen Dialogen herausglitzern. Der Altkonflikt mit Mona und der Demo wirkt angeklebt und wenig glaubwürdig. Und die guten Witze mit den Handys und das lässige Spiel der allesamt hochprofessionellen Schauspieler und Schauspielerinnen allein tun es dann doch nicht.

Irgendwo zwischen Bühne und TV-Kamera sind die Plausibilität des Plots und die Einheitlichkeit des Milieus, wie es sich in den Dialogen abbilden sollte, verloren gegangen. Herausgekommen ist eine hybride Mischung aus Situationskomik und Beziehungsquerelen mit Ausflügen in die Geschlechterrollenkritik. Humor mag sich darin aber nicht wirklich entfalten.

infobox: "Pärchenabend", Regie: Leo Khasin, Buch: Alexandra Maxeiner, Kamera: Michal Wiesweg, Produktion: Wiedemann und Berg (ZDF-Mediathek, bis 3.7.25 und am 2.9.24, 20.15-21.45 Uhr im ZDF)



Zuerst veröffentlicht 25.07.2024 11:20 Letzte Änderung: 29.07.2024 12:50

Barbara Sichtermann

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Komödie, ZDF, Makowski, Sichtermann, NEU

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