Russland verschärft Gesetz zu ausländischen Organisationen - epd medien

30.07.2024 09:48

Sitzung der russischen Staatsduma

Moskau (epd). In Russland hat das Parlament eine Verschärfung des "Gesetzes über ausländische Organisationen" auf den Weg gebracht. Die Duma nahm die Änderungen am 23. Juli in dritter und abschließender Lesung an. Demnach sollen künftig nicht nur ausländische Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie etwa politische Stiftungen, Menschenrechts- und Umwelt-Gruppen, sondern alle ausländischen "unerwünschten Organisationen" in Russland unter Strafe gestellt werden können, die von ausländischen, staatlichen Strukturen gegründet wurden oder an denen solche Strukturen beteiligt sind.

Das neue Gesetz bedarf noch der Verabschiedung durch den Föderationsrat, die zweite Parlamentskammer, und der Unterzeichnung durch Präsident Wladimir Putin. Kritiker erwarten, dass es auch dazu genutzt wird, stärker gegen ausländische Medien wie beispielsweise die Deutsche Welle vorzugehen. Die Behörden hatten Anfang Februar 2022 das DW-Studio in Moskau geschlossen und den Mitarbeitenden vor Ort ihre Akkreditierungen entzogen. Ende März 2022 stufte das russische Justizministerium die Deutsche Welle als "ausländischen Agenten" ein.

"Bild" wird zum "ausländischen Agenten"

Die russische Nachrichtenagentur Tass meldete am 26. Juli, dass das Justizministerium das russische Online-Angebot von "Bild" ebenfalls als "ausländischen Agenten" eingestuft habe. Es verbreite "ungenaue Informationen über die Entscheidungen und die Politik der russischen Behörden sowie falsche Informationen, die darauf abzielten, ein negatives Bild von den russischen Streitkräften zu zeichnen", hieß es zur Begründung. Personen oder Organisationen, die in Russland zu "ausländischen Agenten" erklärt wurden, müssen in allen Veröffentlichungen auf diesen Status hinweisen, regelmäßig Finanzübersichten bei der Regierung einreichen und sich jährlichen Prüfungen unterziehen.

Nach dem künftig verschärften "Gesetz über ausländische Organisationen" wurden bisher rund 200 ausländische und internationale Nichtregierungsorganisationen in Russland als "unerwünscht" verboten. Unter ihnen sind das heute in Lettland ansässige russische Nachrichtenportal "Medusa", der in den Niederlanden registrierte russischsprachige Fernsehsender Doschd, das unabhängige russische Internetportal "The Moscow Times", deutsche Parteienstiftungen wie die Heinrich-Böll-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung sowie internationale Umweltorganisationen wie WWF und Greenpeace. Mehr als 25 Organisationen mit Sitz in Deutschland wurden bereits als "unerwünscht" eingestuft.

Am 23. Mai 2015 hatte die Duma der Russischen Föderation das Gesetz 284.1 über ausländische Nichtregierungsorganisationen, die als "unerwünscht" erklärt werden können, verabschiedet. Betroffenen Organisationen ist jede politische Aktivität in Russland untersagt, russische Organisationen dürfen keine Beziehungen mit ihnen unterhalten und keine finanzielle Unterstützung annehmen. Auch Privatpersonen ist eine Kontaktaufnahme unter Strafandrohung verboten.

Hohe Strafen

Laut dem Gesetz gelten in Russland Organisationen demnach künftig als unerwünscht, "deren Aktivitäten eine Bedrohung für die Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung der Russischen Föderation, die Verteidigungsfähigkeit des Landes oder die Sicherheit des Staates darstellen". Solchen Organisationen ist es verboten, "Geldgeschäfte zu tätigen, Informationsmaterial zu verbreiten, auch in den Medien oder im Internet, juristische Personen zu gründen und Programme durchzuführen".

Die Zusammenarbeit mit einer solchen Organisation ist in Russland grundsätzlich strafbar. Die Beteiligung an den Aktivitäten einer "unerwünschten Organisation" in Russland oder im Ausland gilt als Ordnungswidrigkeit und wird mit einer Geldbuße bis zu knapp 1.600 Euro bestraft. Im Wiederholungsfall droht eine Strafe bis zu 5.300 Euro oder eine Haftstrafe bis zu vier Jahren. Die Gründung von "unerwünschten Organisationen" und ihre Leitung wird mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft.

Als die Duma über die Verschärfung des Gesetzes in der ersten Lesung am 11. Juni abstimmte, deutete ihr Vorsitzender Wjatscheslaw Wolodin an, auf wen das erneuerte Gesetz ziele, nämlich auf Organisationen, die in den USA, Großbritannien und anderen europäischen Staaten von staatlichen Strukturen gegründet wurden und "Aktivitäten durchführen, die gegen Russland gerichtet sind." Diese Organisationen zu stoppen, sei "eine Frage der Sicherheit und der Verteidigung der Interessen unserer Bürger", erklärte der Parlamentspräsident.

zitat: Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes

Einer der Autoren des verschärften Gesetzes, der Duma-Abgeordnete Wassili Piskarjow, Vorsitzender des Parlamentsausschusses für Sicherheit und Kampf gegen die Korruption, fügte hinzu, dass man jede Möglichkeit für ausländische Organisationen ausschließen sollte, sich in innere Angelegenheiten Russlands einzumischen: "Es gibt genügend Beispiele dafür, dass Organisationen, die mit Regierungsbehörden der Vereinigten Staaten oder europäischer Länder verbunden sind, Russland direkt schaden und subversive Aktivitäten durchführen."

Sein Ausschuss verfüge über Materialien zu solchen Strukturen, "die eine Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes" darstellten, erklärte Piskarjow. Insbesondere handele es sich dabei um die "Ausarbeitung von Sanktionen, die Blockierung von Investitionsprojekten, die Vorbereitung von Einfluss-Agenten, die Einmischung bei Wahlen, die Anheizung von nationalem Hass und vieles mehr".

ebe/nbl



Zuerst veröffentlicht 30.07.2024 11:48

Schlagworte: Medien, Russland, Gesetze, Justiz, Deutsche Welle, Bild, ebe

zur Startseite von epd medien