31.07.2024 10:34
epd Sollte sich Dirk Steffens während der Aufzeichnungen der beiden "Geo"-Shows gefragt haben, ob es wirklich eine gute Idee war, vor zwei Jahren vom seriösen ZDF zu RTL zu wechseln, so ist ihm das zumindest nicht anzumerken. Andererseits dürfte ihm klar gewesen sein, was ihn mit Sonja Zietlow als Co-Moderatorin erwartet: Mit Wissenschaftsjournalismus, eigentlich doch Steffens' Profession, hat das Quiz nur noch am Rande zu tun, wenn es zum Beispiel um das Hodengewicht der Glattwale geht. Steffens macht jedoch gute Miene zum mitunter zotigen Spiel und ansonsten das, was er am besten kann: auf unterhaltsame Weise Wissen vermitteln sowie angenehm beiläufig für Tier- und Naturschutz werben.
Inklusive Werbung dauert die lineare Ausstrahlung der beiden Ausgaben über drei Stunden, und zu behaupten, die Zeit verfliege im Nu, wäre nicht wahrheitsgemäß. Fesselnd ist diese zunächst auf zwei Ausgaben beschränkte Variation des Vorgängers "Die große Geo-Show - In 55 Fragen um die Welt" dennoch, zumal die "Wunder unserer Erde" ja in der Tat immer wieder faszinierend sind, selbst wenn die meisten Informationen schon bald wieder in Vergessenheit geraten; nicht mal die drei Rate-Teams können sich in der finalen Runde, als Zietlow die zuvor präsentierten Fakten abfragt, noch an alles erinnern. Das macht aber nichts, denn es geht erstens darum, ein Bewusstsein zu wecken, und zweitens um einen guten Zweck: Die erspielten Gewinne kommen sozialen Einrichtungen zugute.
Davon abgesehen sind die beiden Sendungen ein ausgezeichnetes Beispiel für das TV-Genre Infotainment. Der Begriff ist ein wenig aus der Mode geraten, weil diese Spielart dank Quizshows wie etwa "Frag doch mal die Maus" (ARD) seit vielen Jahren im Abendprogramm etabliert ist. Wie stets bei solchen Formaten resultiert der Reiz nicht zuletzt aus der Möglichkeit des Mitratens. Die Fragen haben es allerdings in sich und durchaus das Potenzial für die Schlussrunden von "Wer wird Millionär?". Der Unterhaltungseffekt entsteht nicht zuletzt durch die gern reichlich weit hergeholt klingenden Erklärungen, mit denen die Teams ihre Antworten begründen. Das klingt mitunter ähnlich absurd wie bei "Genial daneben".
Natürlich soll auch die Zusammensetzung der drei Duos für Heiterkeit sorgen. In der ersten Ausgabe sind dies Ilka Bessin und Sänger Sasha, Tom Beck und Tänzerin Motsi Mabuse sowie die Sportler Michael Kraus und Matthias Steiner. Tatsächlich gibt es einige ziemlich witzige Momente. Mitunter funktioniert dieser Teil des Konzepts sogar überraschend gut, erst recht, wenn auch noch verblüffende Fakten im Spiel sind: Dass zum Beispiel Paarungsgeräusche von Schildkröten als "Synchronstimmen" von Filmwesen verwendet werden, ist schon verwunderlich genug, doch zur Auswahl stand unter anderem Han Solos zotteliger Kumpel aus der "Star Wars"-Saga, was Sasha prompt zu einer täuschend echten Chewbacca-Imitation nutzt.
Dass Zietlow keine Gelegenheit verstreichen lässt, um den seriösen Ansatz der Sendung durch Grimassen oder Schlüpfrigkeiten zu konterkarieren, weckt zwar mitunter Zweifel am Anspruch, stört aber auch nicht weiter, denn die wahren Stars von "Wunder unserer Erde" sind ohnehin die tierischen Mitwirkenden. Das Konzept bietet eine gute Mischung aus Exkursionen sowie eingespielten Kurzdokus etwa über die Auswilderung von Bartgeiern in Bayern, die Arbeit einer Schildkrötenschützerin oder eines Aussteigers, der in der Karibik mit Walen kommuniziert. Eins der verschiedenen Kapitel, die das Konzept vorsieht, lautet "Kaum zu glauben". Das könnte auch das Motto der Shows sein, so absonderlich sind viele der präsentierten Phänomene. Manchmal macht sich gar so etwas wie Ehrfurcht breit, wenn ein Insektenforscher den Teams im Studio vorführt, wie perfekt sich manche Tiere tarnen können.
Für eine weitere Auflockerung des Konzepts sorgen Spielelemente und Aufgaben, bei denen die Teams Hand anlegen und zum Beispiel Heilpflanzen bestimmten Beschwerden zuordnen müssen. Zwischendurch wird es auch mal kulinarisch; die Begeisterung über den kredenzten Mehlwurm-Burger ist allerdings überschaubar. Zudem zeigt sich bald, dass Zietlow bloß Mittel zum Zweck ist, um die vermeintlichen Erwartungen des RTL-Publikums zu erfüllen: Für den Mehrwert der Show sorgt nicht sie, sondern Steffens, und das nicht allein wegen seiner anschaulichen Erklärungen. Gerade die Selbstversuche des langjährigen "Terra X"-Moderators sorgen für spektakuläre Bilder: Mal lässt er sich, nachdem er sein vorher abgezapftes Blut verspritzt hat, von Riffhaien umzingeln, um zu beweisen, wie unangebracht deren Image als tödliche Gefahr für den Menschen ist, mal lässt er sich in Nicaragua hunderte Meter tief in einen vom Volksmund "Tor zur Hölle" genannten aktiven Vulkan hinab, um einen Blick ins Erdinnere zu werfen. Das ist dann wirklich, wie Zietlow das Publikum zu Beginn der ersten Ausgabe begrüßt, "zum Bauklötze staunen".
infobox: "Wunder unserer Erde - Das große Geo-Quiz", zweiteilige Quizshow, Moderation: Sonja Zietlow, Dirk Steffens, Produktion: RTL Studios (RTL, 20.7. und 27.7.24, 20.15-23.30 Uhr und bei RTL+)
Zuerst veröffentlicht 31.07.2024 12:34 Letzte Änderung: 31.07.2024 14:19
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KRTL, Quizshow, Zietlow, Steffens, Gangloff, NEU
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