Dauerbaustelle - epd medien

27.08.2024 09:15

Wohnen ist in Deutschland für viele Menschen ein Luxus geworden. Eva Schulz geht in der ZDF-Reihe "Am Puls" der Frage nach, warum es für junge Familien so schwierig geworden ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Eva Schulz beschäftigt sich in der ZDF-Reihe "Am Puls" mit der Wohnungsnot

epd Die Journalistin Eva Schulz hat sich für die ZDF-Reihe "Am Puls" das Thema Wohnungsnot vorgenommen: "Zu teuer, zu eng, zu knapp - das Thema Wohnen ist Deutschlands Dauerbaustelle", stellt sie eingangs fest. Für ihre Reportage hat sie vor allem mit jüngeren Paaren mit Kindern gesprochen: Andrea und Martin wohnen bei Coburg auf dem Land. Sie haben gerade in einem Neubaugebiet gebaut, konnten aber erst nach fünf Jahren Suche und "einem Brandbrief an den Bürgermeister" damit anfangen. Mehr als 130 Bewerbungen gaben es für die 17 Bauplätze. Andreas Eltern hatten es vor 45 Jahren offenbar leichter: Sie mussten sich nicht um Bodenproben oder Auflagen für Fenster kümmern.

Shana und Kevin Strauß haben nur 450 Meter hinter der Grenze in den Niederlanden ein 230 Quadratmeter großes Haus. Gekostet hat sie das 275.000 Euro, in Deutschland hätten sie für ein ähnlich großes Haus 700.000 bezahlen müssen, sagen sie. 70 Prozent der Niederländer wohnen im eigenen Haus, in Deutschland sind es 47 Prozent. Die Bau-Nebenkosten liegen dort bei drei Prozent, in Deutschland sind es rund zwölf Prozent. Wer unter 35 ist, zahlt in den Niederlanden keine Grunderwerbssteuer, wenn er zum ersten Mal baut. In Deutschland macht die Grunderwerbssteuer bis zu 6,5 Prozent des Kaufpreises aus. Und in den Niederlanden gibt es weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung.

Fast eine Million Sozialwohnungen fehlen

Schulz hat zu dem Thema ein Statement von Finanzminister Christian Lindner (FDP) bekommen, der sagt: "In Deutschland ist das Eigentum sehr teuer geworden, deshalb muss der Bau günstiger werden." Für die Grunderwerbssteuer fließe viel Geld an den Staat. Wer sich ein Haus baue, müsse viel abzahlen. Doch auf Steuereinnahmen verzichten will Lindner nicht. Stattdessen will die Bundesregierung den neuen "Gebäudetyp E" einführen, der weniger Kosten verursacht.

Das größte Problem aber sind fehlende Sozialwohnungen in den Städten. Derzeit fehlen 910.000, sagt Schulz. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) versprach, dass sie 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr bauen wolle, 30.000 sind es im vergangenen Jahr geworden. Ein Interview wollte die Ministerin Schulz nicht geben.

Die Folgen der Wohnungsnot spüren auch Julia und Henning. Sie wohnen als Doppelverdiener mit zwei Kindern in Berlin-Pankow auf 85 Quadratmetern. Hennings Schreibtisch im Homeoffice steht neben dem Kaufladen der Tochter, die Familie teilt sich zu viert ein gemeinsames Schlafzimmer. Im Internet findet Henning eine Vierzimmer-Wohnung, die für 2.500 Miete pro Monat zu haben ist. Das übersteigt das Budget der Familie bei Weitem.

17 Millionen Single-Haushalte

Ganz anders ist die Situation von Ulrike: Sie lebt allein auf 230 Quadratmetern in Göttingen. Sie ist geschieden, die Kinder sind aus dem Haus. Sie habe manchmal ein schlechtes Gewissen wegen des Ressourcenverbrauchs, sagt sie, aber ein Umbau mit Einliegerwohnungen ist ihr zu aufwendig. Schulz erwähnt, dass in Deutschland 17 Millionen Menschen in Single-Haushalten leben, erklärt aber nicht, dass das gut 40 Prozent der Haushalte in Deutschland sind und dass auch die Wohnfläche pro Person in den vergangenen 30 Jahren deutlich gestiegen ist. Auch der Trend, in die Metropolen zu ziehen, verschärft die Lage.

Doch es geht auch anders. In einem leer stehenden Hamburger Parkhaus möchten die Mitglieder einer Baugenossenschaft bauen, zwei zukünftige Bewohner sprühen auf dem Parkdeck schon mal die Umrisse ihres künftigen Domizils auf den Asphalt. Die Quadratmeterpreise sind je nach Einkommen gestaffelt von sieben bis 14 Euro. Bei Sozialwohnungen im Saarland darf der Mietpreis pro Quadratmeter 6,20 Euro jedoch nicht übersteigen - das ist für private Investoren nicht attraktiv.

Der Ärger wird sichtbar. Die Misere habe das Potenzial, die Gesellschaft immer stärker unter Druck zu setzen, sagt Eva Schulz. Die Reportage, die gut mit Zahlen unterfüttert ist, wirft interessante Schlaglichter auf Deutschlands Dauerbaustelle.

infobox: "Am Puls mit Eva Schulz - Ich will doch nur wohnen", Reportage, Regie und Buch: Kathi Liesenfeld, Svaantje Schröder, Eva Schulz, Kamera: Leonard Bendix, Henrik Eichmann, Felix Korfmann, Florian Lengert, u. a., Produktion: Bewegte Zeiten (ZDF, 15.8.24, 22.35-23.20 Uhr und in der ZDF-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 27.08.2024 11:15

Dieter Dehler

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Reportage, Schulz, Liesenfeld, Schröder, Dehler

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