30.08.2024 09:08
epd Es gibt nicht viele Roadmovies mit verbrecherischen Frauen als Zentralfiguren. Ein bisschen wirkt die Konstellation auch wie aus den Neunzigern übriggeblieben. In "Thelma & Louise", dem ikonischen Gewaltemanzipationsfilm von Ridley Scott mit Susan Sarandon und Geena Davis in den Hauptrollen, führt die Spur der Verwüstung, die die beiden Frauen auf der Flucht hinterlassen, schließlich zum tragischen Finale am Grand Canyon. Die automobile Coolness führt nicht ins Offene und zu weiblicher Selbstbestimmung durch das Nutzen neuer Horizonte, sondern auf den Weg unkontrollierbarer Gewaltausbrüche und zur folgerichtigen Selbstvernichtung. Man kann "Thelma & Louise" auch als Anti-Emanzipationsfilm und krasse Männerphantasie sehen.
In "Zwei gegen die Bank" ist das Fluchtfahrzeug von zwei Frauen ein ziemlich uncooles Mercedes-Taxi. Ein Transportmittel, das schon bessere Tage gesehen hat. Der von einem Steinschlag verursachte Riss auf der Windschutzscheibe wird, je länger der eine Tag und die eine Nacht der Handlung dauern, immer größer und spinnwebartiger und schränkt schließlich die Sicht nach vorn erheblich ein.
"Zwei gegen die Bank" ist ein sehr handfester, alltagstauglicher Film. Ein Riss ist ein Riss und blöd (und vielleicht auch noch etwas anderes). Und die Flucht geht hier kreuz und quer durch Wien, von der Privatbank zu einer unauffälligen Wohnung, zum wenig mondän erscheinenden Casino, wo selbst ein Roulettegewinn wenig Enthusiasmus zeitigt, zum Bahnhof, wieder zur Bank und schließlich zu einem weiteren Bahnhof außerhalb Wiens.
Die Produktion punktet mit feinen kleinen Neben- und Seitenblicken. Mit Details, Beobachtungen und schnellem Dialogwitz. Das Buch von Dominic Oley setzt schwarz-groteske Pointen, wie sie gern mit Wien assoziiert werden. Seine rasanten Zu- und Einfälle werden von Regisseurin Clara Stern und Kameramann Thomas Dirnhofer glücklich ins Bild gesetzt. Und eine sorgfältig zusammengestellte Playlist zieht dem Film einen zusätzlichen doppelten Boden ein, die Songs spiegeln die Handlung ironisch.
Wie immer, wenn Geschichten scheinbar simpel sind, kommt alles auf das Wie an. Maggy (Daniela Golpashin), einer alleinerziehenden taffen Taxlerin in Wien, ging es schon mal besser, aber sie beißt sich durch. Der Sohn liegt mit Keuchhusten im Krankenhaus, und, ja, das nächste Kind wird sie impfen lassen. Einstweilen kostet die Elternübernachtung 300 Euro pro Nacht. Der Vater des Kindes ist in punkto Verantwortung ein Totalausfall. Von ihm ist sie wieder schwanger, deswegen sind Nachtschichten eigentlich tabu. Von den Kollegen wird sie angefeindet, weil sie ihr Fahrdienstangebot mit einer App verbunden hat, doch das Geschäft ist trotzdem flau.
Mit Fahrgast Juliette Koons (Caroline Peters) hat Maggy das große Los gezogen, denn Juliette ist eine Bankräuberin auf der Flucht. In ihrem Koffer sind Millionen. Eigentlich ist sie eine Mitarbeiterin der Bank, und ihr Motiv schält sich erst heraus, als die Frauen nach und nach eine Solidargemeinschaft bilden: Es geht ihr nicht um persönliche Bereicherung. Auf den Fersen ist den Fliehenden die Geschäftsführerin Wentenheimer (Barbara Gassner mit Slapstickrolle), von der Privatbank Wentenheimer & Söhne. Außerdem ist ein Securitymann hinter Juliette her, ein wegen Korruption gefallener Ex-Polizist (Murathan Muslan). Er hat eine Waffe, Maggy einen Elektroschocker, ernsthaft verletzt werden allerdings bloß Macht- und Eitelkeitsgefühle.
Mehr noch als ein komischer Film über Frauen auf der Flucht ist "Zwei gegen die Bank" ein sehr gelungenes Stück über weibliche Loyalität und die Kraft des Worthaltens. Maggy hält es für eine prima Idee, dass Juliette den Reichen nehmen und den Armen geben will, zu denen sie sich selbst zählt. Im Lauf dieser Nacht verliert die Riesenmenge Geld ihren Zauber und ihre Manipulationskraft. Geld ist dazu da, gute Dinge zu ermöglichen, das kann man sentimental finden und darüber kann man Witze machen, was in "Zwei gegen die Bank" auch geschieht.
Manches wirkt in diesem Film auf positive Weise wie großes moralisches Welttheater in scheinbar bescheidener Form, ohne freilich Vehikel antikapitalistischer Moral oder sogenannter feministischer Ethik zu sein. Und die beiden herausragenden Theaterschauspielerinnen Golpashin und Peters spielen in der kleinen Form groß auf.
infobox: "Zwei gegen die Bank", Fernsehfilm, Regie: Clara Stern, Buch: Dominic Oley, Kamera: Thomas Dirnhofer, Produktion: Gebhardt Productions (Arte/ORF, 30.8.24, 20.15-21.45 Uhr und seit 23.8.24 in der Arte-Mediathek)
Zuerst veröffentlicht 30.08.2024 11:08
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KORF, Fernsehfilm, Stern, Oley, Hupertz
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