Aus der Reihe - epd medien

22.09.2024 08:59

Der ZDF-Küstenkrimi "Die Polizistin und die Sprache des Todes" überrascht mit einer diversen Besetzung und spiegelt so die Realität des Einwanderungslandes Deutschland.

Gloria Acheampong (Thelma Buabeng) ist eine erfahrene Ermittlerin

epd Dünen, Strand und Meer sind für Mord und Totschlag im Fernsehen beliebte Kulissen. Aber muss das sein, noch ein Krimi von der Küste? Wo doch ARD und ZDF zurzeit bereits auf neun verschiedene Ermittlerteams an Nord- und Ostsee kommen, die ZDF-"Soko Wismar" und den Kieler "Tatort" nicht einmal mitgerechnet. Wenn nun also eine weitere Kommissarin als Fallanalystin des Bundeskriminalamts (BKA) nach Nordfriesland geschickt wird, weil dort eine Frauenleiche in einem Kanal gefunden wurde, verfährt das ZDF nach dem beliebten Motto "more of the same".

Und doch wieder nicht. Denn die weibliche Titelfigur Gloria Acheampong (Thelma Buabeng) ist schwarz. Wie das Opfer übrigens auch, das die BKA-Ermittlerin am Namen sofort als eine Frau ghanaischer Herkunft erkennt. "Sind Sie deshalb hier?", fragt Pieper Olsen (Artjom Gilz), der Chef der örtlichen Polizeidienststelle. "Ich bin hier, weil sie tot ist", antwortet Acheampong trocken. Damit ist der Ton gesetzt. Zweifelhafte Anspielungen kontert die BKA-Beamtin entschieden, aber gelassen. Sie kennt das ja alles, die abschätzigen Blicke, die Vorurteile und die Unterstellungen etwa von Bürgermeister Johnny Schippers (Michael Lott), der Gloria Acheampong wegen ihrer Hautfarbe für befangen hält, insbesondere weil sein (weißer) Sohn Kevin (Enno Trebs) in Verdacht gerät.

Etwas dick aufgetragen

Gleichzeitig ist Acheampong keine Filmfigur, deren Hautfarbe oder Herkunft ständig thematisiert wird. In erster Linie ist sie eine erfahrene, kompetente Ermittlerin. Thelma Buabeng strahlt eine souveräne Autorität aus. Etwas dick aufgetragen wirkt eigentlich nur das Albert-Camus-Zitat, mit dem Acheampong den Dorfsheriff gleich bei der ersten Begegnung am Fundort der Leiche beeindruckt. Ebenfalls irritierend: Artjom Gilz spricht den Ortspolizisten mit einem derart gekünstelten Dialekt, dass der Gegensatz zu Acheampongs lupenreinem Hochdeutsch besonders auffällt. Dennoch sind die Dialoge von Lars Becker häufig wieder ein pures Vergnügen, so ungeschliffen, lebensecht und jenseits aller Krimikonventionen klingen seine Figuren.

Dabei erzählt "Nachtschicht"-Autor Becker bei seinem Ausflug in die friesische Provinz keine außergewöhnliche Geschichte: Eine Prostituierte wird auf ähnliche Weise wie zwei Frauen zuvor getötet. Der verurteilte Mörder sitzt jedoch im Knast, kann also nicht der Täter sein. Das Polizei-Duo schlägt sich mit den üblichen Verdächtigen herum, dem Zuhälter, dem verliebten Bürgermeister-Sohn, und sucht gleichzeitig nach einem möglichen Trittbrettfahrer.

Becker-Figuren handeln selten, wie es im Krimi-Lehrbuch steht. Das gilt hier vor allem für Mercy Touré (Jane Chirwa), die Zeugin, deren Aussage Rudi Butscher (Nicholas Ofczarek) hinter Gitter brachte. Erstaunlich, dass sie nach dem Ausstieg aus dem Zeugenschutzprogramm wieder in ihrem Heimatort lebt und noch dazu als Kellnerin arbeitet - also gewissermaßen auf dem Präsentierteller, wenn auch unter falschem Namen. Das Finale ist dann in seiner lakonisch-unblutigen Auflösung eine Art Anti-Thriller und dennoch spannend und ein bisschen tragikomisch.

Ebenbürtiger Gegenspieler

Die Höhepunkte bilden die Duelle zwischen Butscher und Acheampong. Einmal mehr spielt Nicholas Ofczarek einen abgründigen Typen, nicht so furchterregend wie im "Tatort: Die Geschichte vom bösen Friederich", nicht so vielschichtig wie in "Der Pass". Dafür ist Rudi Butscher ein eloquenter, ebenbürtiger Gegenspieler für die Bundespolizistin. Außerdem gibt Thomas Schubert den jüngeren Butscher-Bruder Ollie - kein schlechtes erstes Aufgebot für "Die Polizistin", von der es gerne mehr zu sehen geben darf. Muss ja nicht immer an der Küste sein.

Becker-Filme zeichnen sich schon immer durch ihre diverse Besetzung aus. Auch das Kaff in Nordfriesland, in das die Kommissarin geschickt wird, ist kein Ort auf einem fernen Planeten. Die Realität des Einwanderungslandes Deutschland spiegeln noch weitere Figuren: Neben der Kommissarin, dem Opfer und der Kellnerin weichen auch Mercys Freund Idrissa (Farba Dieng), Orts-Polizist Mehmet Daloglu (Emre Bingöl) und die Rechtsmedizinerin Sonja Hurani (Samira El Atrache) vom Standarddeutschen ab. Sie sind hier ganz selbstverständlich Teil der sogenannten "Normalität". So tanzt dieser klassische Küsten-Krimi doch ziemlich aus der Reihe und Becker beweist, dass sich nicht nur Großstadt-Geschichten mit einem diversen Ensemble erzählen lassen.

infobox: "Die Polizistin und die Sprache des Todes", Krimi, Regie und Buch: Lars Becker, Kamera: Alexander Sachs, Produktion: Network Movie (ZDF, 30.9.24, 20.15-21.45 Uhr und seit 21.9.24 in der ZDF-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 22.09.2024 10:59 Letzte Änderung: 23.09.2024 09:23

Thomas Gehringer

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, (Kritik).Fernsehen, KZDF, Krimi, Becker, NEU

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