07.10.2024 10:07
Zum Abschied der Kommissarin Ringelhahn aus dem Franken-"Tatort"
epd Zehn Folgen in fast zehn Jahren und nun ist Schluss mit dem Franken-"Tatort"-Duo Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs). Manzels Figur Paula ist in Rente gegangen und hat mit "Sound of Silence" von Simon & Garfunkel ein leises, trauriges Servus gesungen: "Hello darkness my old friend ..." Kurz zuvor stand sie in einer irritierend-symbolischen Szene nackt auf einem Acker. Verletzlich. Menschlich.
Ein Berufsleben lang hat Kommissarin Ringelhahn gegen Gewalt und Schrecken gekämpft, gegen das, was Menschen einander antun. Vergeblich. In ihrem letzten Fall geht es um eine Orgie von Rache und Vernichtung. Paulas Kampf dagegen war umsonst, der Wahnsinn nimmt kein Ende. Und dennoch war er nicht vergeblich. Sie ist noch da. Menschlich. Verletzlich. Und singt. Und Kollege Voss macht weiter.
Die Abschiedsszene setzt zugleich ein Fragezeichen hinter die deutsche Sonntagabendlust an Mord und Totschlag. Ihr amüsiert Euch, wenn die Schädel brechen, die Kugeln fliegen und die Herzen stillstehen, liebe Zuschauer. Doch wer im wahren Leben mit so etwas zu tun bekommt, dem macht die Dunkelheit zu schaffen: "Silence like a cancer grows."
Bei einer Meinungsumfrage im "Tatort"-affinen Bekanntenkreis nach der Figur Paula Ringelhahn müssen die Befragten zunächst einmal in ihrem Gedächtnis kramen. Dann leuchten die Augen voll Sympathie: "Also die fand ich eigentlich immer ganz gut!"
Paula "Wer?" - alias Ringelhahn blieb unauffällig neben Felix Voss, der seine Figur mit diversen Sonderlichkeiten stark profilieren konnte. Manzel ließ ihn machen und spielte gelassen die erwachsene Frau an der Seite des unsicheren Mannes. Sie war sachlich und konzentriert bei der Arbeit. Gab es Anlass, ungeduldig zu werden oder genervt zu sein, wurde sie es. Gab es Grund, wütend zu werden, wurde sie angemessen wütend. Anlässe traurig zu werden, gab es viele - und sie wurde es. Und dabei auch ein wenig streng. Über ihre Gefühle zu sprechen, war nicht unbedingt ihr Ding: "Bevor Du fragst, mir geht’s gut."
Äußerlich machte Paula nicht viel aus sich. Dem jüngeren Kollegen Voss gab sie Halt und Orientierung - sie war eine Art weiblicher Vaterfigur (wie man in unserer kulturellen Tradition unpassenderweise wohl sagen muss), eine Art elder stateswoman des Polizeidienstes. Ihr Leistungsanspruch war hoch, Nieten gegenüber wurde sie lakonisch. Ihr Kampfgeist verließ Paula nie und sie sprach geradeaus. Als es beruflich in die Oberpfalz ging, nannte sie das Kind beim Namen: "Arsch der Heide." Paula war normal. Und als Normalmensch profiliert man sich nicht. Als Knallkopf mehr, man denke an die einschlägigen "Tatort"-Figuren, allen voran den Professor Boerne aus Münster.
Für eine ernstzunehmende Schauspielerin, die in ihrem Leben in Film und Theater auch noch etwas anderes machen will, als nach Aufenthaltsorten zur Tatzeit zu fragen, war es von Manzel sehr klug, sich nicht nach vorn zu spielen und nicht mehr als einen "Tatort" pro Jahr zu machen. Nicht jeder erinnert sich daher an ihre Paula Ringelhahn, aber wenn, zeigt sich in den Augen ein schönes, kleines Licht: "Die fand ich eigentlich immer ganz gut!"
Copyright: Foto: Ulf Dahl Darstellung: Autorenbox Text: Andrea Kaiser ist freie Journalistin und Autorin von epd medien.
Zuerst veröffentlicht 07.10.2024 12:07 Letzte Änderung: 07.10.2024 17:31
Schlagworte: Medien, Fernsehen, ARD, BR, Tatort, Manzel, Kaiser, BER, NEU
zur Startseite von epd medien