30.10.2024 13:33
Rom (epd). Dem öffentlich-rechtlichen Italienischen Rundfunk (RAI) drohen personelle und finanzielle Turbulenzen. Der neu gewählte Verwaltungsrat äußerte bei seiner Sitzung am 23. Oktober die Sorge, dass die von der rechtskonservativen Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni geplanten Kürzungen und Kostendeckelungen "die Autonomie der RAI" gefährden. So sollen die Ausgaben für Personal und Beratung auf dem Niveau von 2023 gedeckelt werden. 2026 und 2027 sollen sie dann sinken. Die Rundfunkgebühren sollen 2025 nicht erhöht werden, nachdem sie 2024 von 90 auf 70 Euro pro Jahr jährlich gesenkt wurden.
Die für die Aufsicht über die RAI zuständige gemeinsame Parlamentskommission aus Senat und Abgeordnetenkammer, die Vigilanza, bestätigte unterdessen die neue Verwaltungsratspräsidentin Simona Agnes - vergleichbar mit der Funktion einer Intendantin - noch nicht. Vorläufig leitet Antonio Marano, das älteste Mitglied, die Sitzungen des neuen RAI-Verwaltungsrates.
In Italien regiert seit 2022 die rechtskonservative Regierung unter Meloni, der Vorsitzenden der national-konservativen Partei "Brüder Italiens" (Fratelli d'Italia - FdI), zu der auch die rechtspopulistische Lega und die christdemokratische Forza Italia gehören. Finanzminister Giancarlo Giorgetti (Lega) hatte am 26. September Simona Agnes (Forza Italia) als RAI-Präsidentin und den langjährigen Meloni-Vertrauten Giampaolo Rossi als RAI-Geschäftsführer vorgeschlagen. Diese beiden Mitglieder des siebenköpfigen Verwaltungsrats bilden die Senderspitze, sie werden von der Regierung nominiert.
Zwei Mitglieder werden von der Abgeordnetenkammer, zwei vom Senat gewählt. Ein Mitglied des Verwaltungsrats wird von den Mitarbeitern der Rai in geheimer Wahl bestimmt. Am 1. Oktober bestätigte die Aktionärsversammlung der Rai die sieben neuen Mitglieder des Rai-Verwaltungsrates und wählte Rossi zum neuen Geschäftsführer sowie Agnes zur Präsidentin. Die letzte Entscheidung über die Ernennung der Präsidentin trifft jedoch die Vigilanza.
Von der Vigilanza muss die neue RAI-Präsidentin mindestens eine Zweidrittelmehrheit, also 28 von 42 Stimmen erhalten. Die Regierungskoalition verfügt lediglich über 26 Sitze in dem Gremium. Die Opposition lehnte eine Wahl von Agnes bisher ab. Vertreter der Regierungsparten nahmen schließlich an den Vigilanza-Tagungen im Oktober nicht teil.
"Das ist der Respekt, den die Regierung für die Gesetze und das Parlament hat, wenn sie nicht die erforderliche Mehrheit hat, sie verschiebt es auf unbestimmte Zeit", kritisierte der Präsident des Italienischen Journalistenverbandes FNSI, Vittorio di Trappani. "Den Preis für diese Arroganz muss die RAI bezahlen. Sie hat keine Präsidentin, die sich in voller Funktion in ihrem Amt befindet, sondern sie ist einem Geschäftsführer anvertraut."
Die 57 Jahre alte Juristin Agnes war bereits von 2021 bis 2024 Mitglied des Verwaltungsrates. Sie arbeitete für kommerzielle Unternehmen wie Piaggio und Telecom Italia und ist die Tochter des früheren christdemokratischen RAI-Generaldirektors Biagio Agnes. Agnes soll die Nachfolge der RAI-Präsidentin Marinella Soldi antreten, die im Juli 2024 "aus persönlichen und beruflichen Gründen" das Amt niedergelegt hatte.
Der neue Rai-Verwaltungsrat war am 26. September gewählt worden, nachdem sich die Regierungsparteien lange uneinig über das Personaltableau waren. Zusätzlich lagen auch hier die Auffassungen von Regierung und Opposition weit auseinander. Aus Protest nahmen seitens der Opposition die sozialdemokratische Partei, die sozialliberale Partei Italia Viva und die liberale Partei Azione nicht an der Wahl teil. Sie verlangten, dass zuvor die von der EU geforderte Reform des öffentlichen Rundfunks angegangen wird. Das Europaparlament hatte im Frühjahr den European Media Freedom Act (EMFA) verabschiedet, das unter anderem vorsieht, dass Medien nicht unter politischer oder wirtschaftlicher Kontrolle stehen und Politik und Wirtschaft keinen Einfluss auf Medien nehmen dürfen.
Die drei Oppositionsparteien konnten sich mit ihrer Forderung allerdings nicht durchsetzen. Die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung und die Allianz der Grünen und Linken (AVS), beide ebenfalls in der Opposition, wählten die neue RAI-Führung trotzdem mit.
Die Abgeordnetenkammer wählte Federica Frangi, eine RAI-Journalistin, vorgeschlagen von der Regierungspartei FdI, sowie Roberto Natale, Journalist und leitender Angestellter der RAI, vorgeschlagen von den oppositionellen Grünen und Linken (AVS), in den Verwaltungsrat. Der Senat wählte Antonio Marano und Alessandro Di Majo in das Gremium. Di Majo ist Jurist und Publizist und gehört bereits seit 2021 dem RAI-Verwaltungsrat an. Er wurde nun erneut von der Fünf-Sterne-Bewegung vorgeschlagen. Der Journalist und TV-Manager Marano war in der Vergangenheit bereits Direktor von RAI 2, stellvertretender RAI-Generaldirektor und Präsident der RAI-Werbung. Die rechtspopulistische Lega hatte ihn vorgeschlagen.
ebe
Zuerst veröffentlicht 30.10.2024 14:33 Letzte Änderung: 30.10.2024 14:46
Schlagworte: Medien, Italien, Rundfunk, RAI, Personalien, Finanzen, Meloni, Ebert, ebe, NEU
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