Schweizer SRG begrenzt Textlängen ihres Online-Angebots - epd medien

19.05.2025 11:14

In der Schweiz haben SRG und Presseverlage einen Deal vereinbart: Der öffentlich-rechtliche Sender schränkt sein Internetangebot ein - im Gegenzug lehnen die Verleger die sogenannte Halbierungsinitiative ab, die die Gebühreneinnahmen der SRG von 335 auf 200 Franken pro Haushalt kürzen will.

SRG-Generaldirektion in Bern

Frankfurt a.M. (epd). Die Schweizer SRG begrenzt künftig die Textlängen ihres Online-Angebots. Das haben der öffentlich-rechtliche Sender und der Verlegerverband privater Schweizer Medien vereinbart, wie die SRG am 15. Mai mitteilte. Demnach sollen Textbeiträge der Sendeanstalt nicht mehr als 2.400 Zeichen umfassen. Ausnahmen gelten für die Auslandsberichterstattung und für Texte in rätoromanischer Sprache. Wie in Deutschland drängen die privaten Verleger seit Jahren auch in der Schweiz darauf, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Online-Aktivitäten einschränken.

Laut der Vereinbarung sollen zudem Nachrichten- und Sportbeiträge im Internet mit passenden Audio- oder Video-Inhalten verknüpft werden. Zu den weiteren Zugeständnissen der SRG gehört der Verzicht auf textbasierte Liveticker bei exklusiv übertragenen Sportereignissen. Außerdem sicherte der Sender zu, "wo redaktionell sinnvoll", auf Beiträge privater Schweizer Medien zu verlinken. Interaktive Formate sollen im Internetangebot die Ausnahme bleiben.

Stärkere Konzentration auf Radio und TV

Die SRG werde sich digital noch stärker auf ihr Kerngeschäft, also Radio und TV, konzentrieren, hieß es. Der Sender verzichte zudem weiterhin auf Werbung im Online-Angebot und wolle ausländische Plattformen wie Youtube oder Instagram nur ausnahmsweise nutzen.

Die Vereinbarung geht über den Online-Text-Bereich hinaus. So will sich die SRG bei Sportübertragungen "auf Inhalte konzentrieren, die von kommerziellen Anbietern nicht abgedeckt werden". Auch soll die SRG den privaten Medien laut der Vereinbarung täglich nutzbares Rohmaterial ohne Logos zur Verfügung stellen. Zudem ist die SRG bereit, ihre Streaming-Technologie zu teilen: Über ihre neue digitale Plattform mit dem Arbeitstitel "PlayNext" "sollen bei Bedarf auch Inhalte der privaten Medien verbreitet werden können".

SRG-Generaldirektorin Susanne Wille sprach von einer Einigung, "die den Medienplatz Schweiz und somit die Demokratie stärkt". Der Präsident des Verlegerverbandes, Andrea Masüger, erklärte: "Wenn öffentliche und private unabhängige Medien sich ergänzen, gewinnen am Ende die Bürgerinnen und Bürger." Als Teil der Vereinbarung bekennt sich der Verband den Angaben zufolge zur Gebührenfinanzierung der SRG und lehnt die sogenannte Halbierungsinitiative ab. Die Initiative will dem Schweizer Mediensystem jährlich Hunderte Millionen Franken entziehen.

Der Text zur Schweizer Vereinbarung wird laut SRG in einem nächsten Schritt dem Sekretariat der Wettbewerbskommission zur kartellrechtlichen Prüfung vorgelegt. In Kraft tritt sie vorbehaltlich einer Zustimmung.

Dauerstreit auch in Deutschland

Auch in Deutschland ist die sogenannte Pressenähnlichkeit digitaler Angebote seit vielen Jahren ein Streitthema zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Verlagen. Während die Sender argumentieren, ohne Texte kein adäquates Angebot im Internet machen zu können, das dem Auftrag der Grundversorgung entspricht, sieht die Presse ihr Geschäft bedroht.

Der geplante Reformstaatsvertrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio, der zum 1. Dezember 2025 in Kraft treten soll, sieht ein verschärftes Verbot der "Presseähnlichkeit" vor. Eingeführt wird eine "Aktualitätsklausel", nach der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Texten auf aktuelle Sendungen Bezug genommen werden muss, die nicht älter als vier Wochen sein dürfen. Zudem wird die Vorschrift verschärft, dass auch bei sendungsbegleitenden Texten eine Einbindung von Bewegtbild oder Ton erfolgen soll.

Der damalige ARD-Vorsitzende Kai Gniffke hatte im Herbst 2024, kurz vor der Einigung der Ministerpräsidenten auf den Reformstaatsvertrag, eine "Selbstverpflichtung" der öffentlich-rechtlichen Sender zu Textangeboten im Internet vorgeschlagen. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) hatte dies abgelehnt.

Goldmedia-Untersuchung im Auftrag der ARD

Eine im Oktober 2024 veröffentlichte Goldmedia-Untersuchung im Auftrag der ARD hatte ergeben, dass Pressemedien nicht stark von einer Reduktion des öffentlich-rechtlichen Textangebotes im Internet profitieren würden. Zwar würden demnach 34,5 Prozent der befragten Nutzer dieser Angebote ihr Nutzungsverhalten ändern, wenn es bei den Online-Auftritten von ARD und ZDF keine längeren Texte, sondern nur noch Audio- oder Videobeiträge gäbe. 15,5 Prozent gaben an, dass sie ihr Verhalten nicht ändern würden, 50 Prozent legten sich nicht fest.

Jedoch würden laut der Untersuchung 13,2 Prozent aller Nutzerinnen öffentlich-rechtlicher Angebote - gut ein Drittel derjenigen mit Verhaltensänderung - stattdessen kostenlose Online-Inhalte der Zeitungen oder Nachrichtenmagazine nutzen. Lediglich 3,8 Prozent würden ein Print-Abo abschließen, 3,0 Prozent würden ein kostenpflichtiges Online-Angebot einer Zeitung oder eines Nachrichtenmagazins abschließen. 78,3 Prozent der Befragten geben Goldmedia zufolge aktuell kein Geld für Online-Nachrichtenangebote aus.

Aggregatoren legen im Online-Newsmarkt zu

Zur Bestimmung der Reichweite von Internet-Nachrichtenangeboten in Deutschland hatte Goldmedia im August 2024 eine Erhebung mit 1.573 Nutzerinnen und Nutzern vorgenommen. Die Angebote des Ersten und der "Tagesschau" erzielten nach der Befragung im deutschen Online-Newsmarkt eine Reichweite von 11,7 Prozent, die Angebote des ZDF kamen auf 4,1 Prozent. Mit insgesamt 16,9 Prozent besäßen die Öffentlich-Rechtlichen - Deutschlandradio und regionale ARD-Angebote eingeschlossen - damit einen deutlich geringeren Nutzungsanteil als die Pressemedien mit 36,3 Prozent, hieß es.

Im Vergleich zur Vorgänger-Untersuchung im Jahr 2017 hätten die Verleger vor allem Anteile an News-Aggregatoren, Social-Media-Angebote oder Mail-Provider verloren: Der Marktanteil dieser Angebote ohne Rundfunk- und Pressebezug sei seitdem um knapp neun Prozent gestiegen, der Anteil der öffentlich-rechtlichen Angebote nur um gut fünf Prozent.

Eine Studie der Medienforscher Mark Eisenegger und Linards Udris aus der Schweiz hatte jüngst nahegelegt, dass Menschen, die Online-Angebote öffentlicher Medien nutzen, auch häufiger die Angebote von Abonnementmedien konsumieren als Personen, die keine öffentlichen Medien nutzen.

fu/rid



Zuerst veröffentlicht 19.05.2025 13:14 Letzte Änderung: 23.05.2025 12:44

Schlagworte: Medien, Schweiz, SRG, Verlage, Presseähnlichkeit, fu, Fuhr, rid, Goldmedia, ARD, ZDF, NEU

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