Starke Kritik an Feldman-Artikel in neuer "Weltbühne" - epd medien

29.05.2025 13:08

Die im Berliner Verlag neu aufgelegte "Weltbühne" sorgt mit ihrer ersten Ausgabe für heftige Kritik. Streitpunkt ist ein Artikel der Publizistin Deborah Feldman über den Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen", Philipp Peyman Engel, und dessen jüdische Identität.

Schriftstellerin Deborah Feldman (Archivbild)

Berlin (epd). Der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten (JJJ) und der Zentralrat der Juden in Deutschland haben einen Artikel der Publizistin Deborah Feldman über den Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen", Philipp Peyman Engel, scharf kritisiert. Feldman versuche, die journalistische Glaubwürdigkeit des Chefredakteurs zu beschädigen, indem sie "entgegen aller Evidenz die jüdische Herkunft Philipp Peyman Engels" bezweifle, erklärte der JJJ am 23. Mai in Frankfurt.

Streitpunkt ist Feldmans Text "Die Deutsche Lebenslüge", der im Mai in der nach langer Pause wieder aufgelegten Zeitschrift "Die Weltbühne" und in der "Berliner Zeitung" veröffentlicht worden war. Beide Publikationen werden von dem Verleger Holger Friedrich geführt. Feldman wurde 2012 mit ihrem autobiografischen Buch "Unorthodox" (2012) bekannt, in dem sie ihre Kindheit und Jugend in einer ultraorthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaft in den USA beschreibt.

"In den Angriffen von Deborah Feldman, die mit ihrer radikalen antiisraelischen Haltung medial sehr präsent ist, sehen wir vor allem den Versuch, einen Kollegen als Person zu diskreditieren, weil ihr dessen politische Haltung missfällt", so der JJJ. Feldman habe in der Vergangenheit bereits die Jüdischkeit etlicher Autoren der "Jüdischen Allgemeinen" bestritten: "Ihre Kampagnen zur 'Enttarnung' vermeintlicher 'falscher Juden' tragen zunehmend obsessive Züge und heizen das judenfeindliche Klima, insbesondere im Netz, weiter gefährlich an."

Feldman stützt sich auf Kontaktperson

In ihrem Artikel gibt Feldman an, Kontakt zu einem Familienmitglied Engels zu haben. Dieses habe angegeben, die Kernfamilie sei "innerhalb der Verwandtschaft immer als Angehörige der Bahai-Gemeinde wahrgenommen worden". Der Bahaismus ist eine im 19. Jahrhundert gegründete Religion. Sie verstehe nicht, "wie er hierzulande als Jude auftreten könne, obendrein als ein so einflussreicher, um Positionen zu verbreiten, die auch der Familie unangenehm seien", schrieb Feldman.

Ihre Kontaktperson habe Screenshots aus Familienchats geschickt, in denen sich die Verwandtschaft "über einen längeren Zeitraum zu Philipps Darstellung seiner Lebensgeschichte" austausche. "Nahestehende Personen im Familienkreis fragen einander irritiert, ob irgendjemand je etwas über einen jüdischen Hintergrund von Philipps Mutter mitbekommen habe. Alle verneinen und bestehen darauf, dass die Familie schon immer als Bahai bekannt gewesen sei", so Feldman.

Die deutsche Bahai-Gemeinde habe ihr schriftlich bestätigt, "dass Ellahe Engel-Yamini, Philipp Peyman Engels Mutter, bis in die 90er Jahre offizielles Mitglied der Gemeinde gewesen sei".

Zentralrat stellt sich hinter Engel

Als Engel für Feldmans Artikel um eine Stellungnahme gebeten worden sei, habe dieser angegeben, dass "die Eltern seiner Mutter zweifelsfrei jüdisch von Geburt waren, auch wenn sie 'infolge der antisemitischen Anfeindungen' im Iran zur Bahai-Religion übergetreten waren". Der Chefredakteur beharre auch in seiner Stellungnahme darauf, dass "seine Mutter die Bahai-Religion immer abgelehnt und sich als Jüdin begriffen habe, weshalb er schon immer ein jüdisches Leben führe".

Der Zentralrat der Juden in Deutschland, Herausgeber der "Jüdischen Allgemeinen", teilte am 21. Mai mit, "zu 100 Prozent" hinter Engel zu stehen. Feldman verbreite "unwahre Behauptungen" über den Chefredakteur. Die Zweifel an seiner jüdischen Identität entbehrten jeder Grundlage. "Es ist nicht das erste Mal, dass Feldman mit einer Diffamierungskampagne gegen Personen vorgeht, die ihr unliebsame Meinungen vertreten", so der Zentralrat: "Die jüdische Herkunft Engels und die seiner Mutter von Geburt an sind zweifelsfrei durch Unterlagen nachgewiesen - worüber Frau Feldman vor Veröffentlichung informiert wurde."

Berliner Verlag verteidigt Feldman

Der Berliner Verlag erklärte in Reaktion auf diese Stellungnahme, die Behauptung, dass Feldman die jüdische Identität Engels in Zweifel ziehe, sei eine Unterstellung und entspreche nicht den Tatsachen. "Mit keinem Wort bezweifelt die Autorin Engels jüdische Herkunft oder Identität. Zitat: 'Nicht Philipps Judentum ist Gegenstand dieses Artikels, sondern die auffällige Konstruierung seiner Biografie'", so der Verlag.

Die Herausgeber der "Weltbühne" stehen demnach "zu 100 Prozent hinter ihrer Autorin". Chat-Protokolle und andere Dokumente belegten, dass Engels Mutter und ihre Kernfamilie "sowohl lange Zeit im Iran als auch später fast drei Jahrzehnte lang in Deutschland als Angehörige der Bahai-Religion bekannt waren und wahrgenommen wurden". Dieser Umstand stehe "nicht notwendig im Widerspruch zu einer jüdischen Herkunft, wird aber in Philipp Peyman Engels Autobiografie gänzlich ausgelassen", hieß es.

"Die Weltbühne" war in Berlin von dem Journalisten Siegfried Jacobsohn gegründet worden und erstmals im Jahr 1905 erschienen - unter dem Titel "Die Schaubühne". 1918 wurde sie umbenannt. In der NS-Zeit erschien sie mehrere Jahre lang gar nicht, dann wurde sie im Exil produziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie bis 1993 in Ost-Berlin herausgegeben.

SZ berichtet von Nachweisen

In ihrem Artikel "Die Ahnenforscherin" in der "Süddeutschen Zeitung" schrieben die Autoren Moritz Baumstieger und Ronen Steinke, Engel habe mehrere Nachweise geliefert. Darunter sei ein "Certificate of Judaism", ausgestellt von Pinchas Goldschmidt, dem Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz, und ein Schreiben der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund aus dem November 1998.

Im Iran seien einige Juden zur Religion der Bahai konvertiert, "in der Hoffnung, der damals schon heftigen Diskriminierung zu entgehen". Dass seine jüdischen Großeltern pro forma zu den Bahai konvertierten, weil sie dachten, "so Gefahr für Leib und Leben abwehren zu können", bestreite Engel auf Nachfrage der SZ nicht. Öffentlich erwähnt habe er es aber bislang in Büchern oder Artikeln nicht, so Baumstieger und Steinke.

cph



Zuerst veröffentlicht 29.05.2025 15:08

Schlagworte: Medien, Weltbühne, Engel, Feldman, JJJ, Jüdische Allgemeine, cph

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