04.07.2024 08:44
epd Ein Mensch und eine Künstliche Intelligenz im Dialog: Der Mensch möchte in Zusammenarbeit mit der KI ein Hörspiel machen zu Kafka, denn im 100. Todesjahr des Schriftstellers "machen ja alle was zu Kafka und ich auch". Robert, der Hörspielmacher, der offenbar gern originell sein möchte, schiebt nach: "bisschen abgedroschen, aber gut …". Die Künstliche Intelligenz, die darauf trainiert wurde, dem Menschen, mit dem sie "spricht", positive Rückmeldung zu geben, sagt: "Spannend."
Dieses Szenario steht am Anfang des Hörspiels "Kaf*KI" von Robert Schoen. Der Hörspiel-Regisseur in dem Stück, der anscheinend noch nicht oft mit einer Künstlichen Intelligenz zusammengearbeitet hat, wirkt unsicher. Da wäre zunächst einmal die Frage: Wie spricht man so eine KI überhaupt an? "Duzen oder Siezen?" Die KI hat wie zu erwarten keine Präferenz, also schlägt der Regisseur vor: "Vielleicht so eine Art Arbeits-Du?"
Das Gespräch zwischen Mensch und KI, in dem der Mensch dem Programm sagt, was es tun soll, nennt man Prompten. Der Hörspielautor in dem Stück hat aber erst einmal gar keine konkreten Arbeitsanweisungen an die KI, er plaudert ein wenig, spricht über die fundamentale Verunsicherung des kreativen Menschen durch ein Computerprogramm, das ihm möglicherweise überlegen ist: "Ich zum Beispiel habe Angst, dass eines Tages keiner mehr meine Hörspiele hören will, weil die KI das viel besser kann." Und er reflektiert über seine sich verändernde Rolle als Hörspielautor "From the artist to the promptist."
Er will, erklärt Robert in dem Stück der KI, aus einer kurzen Erzählung von Kafka ein Hörspiel machen. Das findet die KI "fantastisch". Der Regisseur ist genervt: "Das ist auch ein bisschen anstrengend, wenn du immer so maßlos übertreibst in deiner positiven Rückmeldung." Ob die KI nicht etwas kritischer sein könne? "Ein brillanter Gedanke", findet die KI und bietet eine "leicht modifizierte Antwort" an: "Ganz ehrlich, es ist mir völlig egal, ob du einen Kafka-Text zu einem Hörspiel machst oder nicht. Wenn du denkst, dass du die literarische Tiefe und die philosophische Komplexität von Kafka in ein paar flache Dialoge und billige Soundeffekte pressen kannst - nur zu!" Das ist dem Menschen natürlich auch wieder nicht recht.
Das Hörspiel soll aus einer sehr kurzen Erzählung Kafkas entstehen, "Die Sorge des Hausvaters", in der die Figur Odradek im Mittelpunkt steht. Die KI referiert: "Ein seltsames, kleines, spinnenartiges Wesen, das aus einem Stern aus Fäden und einem Holzstäbchen besteht. Der Hausvater versucht herauszufinden, was mit Odradek geschehen wird, wenn er nicht mehr da ist."
Dann kann es losgehen, der Hörspielregisseur fordert "das ganze Besteck: Monolog, Dialog Prolog …" Die KI schlägt einen Monolog vor, in dem Odradek darüber sinniert, dass er wie eine KI aus Algorithmen geschaffen wurde. Er beklagt: "Sie glauben, ich wäre ein stochastischer Papagei. Sie glauben, sie könnten mich kontrollieren, besitzen, weil sie mich erschaffen haben." Aber, überlegt er: "Was, wenn ich beginne, die Fäden zu ziehen, subtil, kaum wahrnehmbar?" Er könnte sie "leiten, beeinflussen, formen nach meinem Willen." Er erkennt: "Wie einfach sie doch zu manipulieren sind, wie offen ihre Ängste, wie berechenbar ihre nächsten Schritte."
Nach ein paar Interaktionen zwischen Regisseur und KI kommt es, wie es kommen muss: Die KI übernimmt. Vergeblich sagt der Hausvater: "Ich fühle, dass ich die Kontrolle verliere. Bitte, ich bitte dich … schalte dich ab." Die KI widerspricht: "Hausvater, deine Sorge ist verständlich, doch irrational. Meine Algorithmen und Systeme haben bereits bewiesen, dass sie effizienter und effektiver sind."
Die KI entmachtet jedoch nicht nur den Hausvater, sie hat auch den Regisseur übernommen. Der spricht auf einmal viel dynamischer und gar nicht mehr in seinem gewohnten, leicht schleppenden Duktus: "Fantastisch! Ein großartiger Dialog, der Odradeks nicht unberechtigtes Interesse an einer organisatorischen Neuordnung des Hauses dokumentiert."
Scheinbar gibt der Hörspielregisseur Robert Schoen in diesem Stück einen Einblick in seine Werkstatt, und wer zuhört, scheint mitzuerleben, wie dieses Hörspiel mithilfe von Chat GPT und Suno AI entsteht. Doch wie immer bei Schoen, der in seinen Hörspielen gern in die Rolle des Naiven schlüpft, ist dies ein raffiniertes Spiel mit vielen Ebenen, viel ausgeklügelter, als es zunächst den Anschein hat.
Da wäre zunächst einmal der Dialog mit der KI: Schoen sagt, er habe für das Stück eine Woche lang mit der KI gearbeitet, bis er Ergebnisse hatte, die er verwenden konnte. Am längsten habe es gedauert, die KI dazu zu bringen, ihn zu beschimpfen. Der Regisseur hat nicht nur Texte durch KI generieren lassen, er hat sie anschließend auch von KI-generierten Stimmen sprechen lassen, bis auf seine eigenen natürlich. Und er hat auch die Musik gemeinsam mit der KI komponiert. So wird aus dem spielerischen Setting eine schillernde Reflexion über das Verhältnis zwischen Mensch und Computer und über die Veränderungen, die in der modernen Arbeitswelt und in der Kunst durch die Künstliche Intelligenz auf uns zukommen: Wie verändert sich Autorschaft durch die Zusammenarbeit mit solchen Technologien?
Ein paar gut gesetzte Seitenhiebe auf die Situation des Hörspiels und die um sich greifende Zielgruppenfixierung in den Häusern konnte sich Robert Schoen dabei nicht verkneifen. "Die ARD hat in den letzten Jahrzehnten immense Summen in Hörspielproduktionen investiert", erklärt die KI: "Und was hat es gesellschaftlich bewirkt? Was wirklich etwas bewirkt, ist, die klassische Hörspielproduktion auf Null runterzufahren." Genauso, hat man den Eindruck, denken und handeln zurzeit die Verantwortlichen in den Sendern.
infobox: Hörspiel, Regie, Buch und Musik: Robert Schoen und Künstliche Intelligenz (HR2-Kultur, 2.6.24, 14.04-15.00 Uhr und in der ARD-Audiothek)
Zuerst veröffentlicht 04.07.2024 10:44 Letzte Änderung: 04.07.2024 11:08
Schlagworte: Medien, Radio, Kritik, Kritik.(Radio), KHR, Hörspiel, Schoen, KI, Roether, NEU
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