Vom Koma zur Katastrophe - epd medien

01.08.2024 08:05

Die belgisch-deutsche Mystery-Serie "Girl in my Diary" bietet dem Kika-Publikum gute Unterhaltung. Sie nimmt ihre jungen Zuschauer ernst, nur über kleine Schwächen müssen sie hinwegsehen.

Adam (l. Jonathan Michiels), Hawa (Ayana Doucouré), Titus (Wesley Ngoto) und Bilo (Margaux Cauliez).

epd Der 17-jährige Adam ist gerade aus einem dreijährigen Koma erwacht, als er von einem mysteriösen Mädchen mit schwarzem Cape ein magisches Tagebuch erhält. Er entdeckt, dass er über dieses Buch mit der zwei Jahre jüngeren Hawa kommunizieren kann. Adam wird eng von Ärzten überwacht, das Krankenhaus darf er nicht verlassen. Stück für Stück findet er gemeinsam mit Hawa heraus, wozu das Schicksal die beiden offenbar bestimmt hat: Die Welt muss vor einem gefährlichen Virus gerettet werden.

In 13 Folgen von jeweils etwas mehr als 20 Minuten richtet sich die belgisch-deutsche Koproduktion an ein junges Publikum ab etwa elf Jahren. Nach und nach entfaltet die Serie ihr Mystery-Potenzial, für Adam und Hawa fügen sich die Puzzleteile ebenso wie für die Zuschauer langsam zusammen. Coming-of-Age-Themen klingen an und bieten der Zielgruppe reichlich Anknüpfungspunkte: Nervige Eltern und Konflikte mit Freunden und der Schule sind wohl vielen Teenagern nicht unbekannt.

Bevormundung durch die Erwachsenenwelt

Insbesondere das Thema der Virus-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen, die aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen häufig als Bevormundung durch die Erwachsenen empfunden wurden, dürfte vielen Zuschauern nahegehen. "Girl in my Diary" verhandelt diesen Aspekt wie auch gewöhnliche Probleme Heranwachsender in einer Weise, die das junge Publikum ernst nimmt.

Dazu trägt auch die schauspielerisch reife Leistung der beiden Hauptdarsteller Ayana Doucouré (Hawa) und Jonathan Michiels (Adam) sowie des gesamten Casts bei, vor allem die jungen Darstellerinnen und Darsteller stechen hervor. Obwohl man dem trainierten und hellwachen Jonathan Michiels zu Beginn seine dreijährige Koma-Erfahrung nicht einmal mit viel Wohlwollen abnehmen kann, trägt er die innere Unsicherheit des Protagonisten im weiteren Verlauf überzeugend zur Schau. Auch bei Ayana Doucouré wirkt die Wandlung von der Rebellin zur Weltretterin nicht aufgesetzt.

Die zentrale Idee des Tagebuchs, das die übliche Smartphone-Kommunikation ersetzt und auf den reinen Text reduziert, ist charmant. Wegen einer möglichen Überreizung durch das Smartphone nach seinem langwierigen Koma ist Adam die Nutzung sogar verboten.

Schwächen der Dramaturgie

Schwächen zeigt die Serie vor allem in der Dramaturgie. Nach vier dahinplätschernden Folgen, die sich viel Zeit für die Einführung der Charaktere nehmen und im Wesentlichen mithilfe der auktorialen Erzählerin, dem Mädchen mit dem schwarzen Cape, etwas Spannung erzeugen, nimmt der Plot schließlich aber doch noch Fahrt auf. Die Parallelität verschiedener Zeiten - Hawa und Adam kommunizieren mithilfe des magischen Tagebuchs aus der Vergangenheit beziehungsweise Zukunft miteinander - hat ihre Tücken: Auch bei dem Netflix-Meisterwerk "Dark" zeigten sich da logische Schwächen.

Das Ende der ersten Staffel ist erwartbar, die Geschichte mithin auserzählt. Nach einer Fortsetzung schreit "Girl in my Diary" nicht, doch dürfen sich nicht nur junge Zuschauer 13 Folgen lang mindestens gut unterhalten fühlen.

infobox: "Girl in my Diary", 13-teilige Mystery-Serie, Regie: Mathias Brouns, Buch: Pieter De Graeve, Philippe De Schepper nach einer Idee von Tom Timmerman, Kamera: Nico Surings, Produktion: Free Kings, Jonny de Pony, Network Movie Film- und Fernsehproduktion (Kika/WDR/NDR/SWR/Ketnet/VRT, seit 5.7.24 in der ARD-Mediathek, auf "kika.de" und im Kika-Player sowie seit 10.7.24 jeweils mittwochs, 20.10-20.55 Uhr in Doppelfolgen auf Kika)



Zuerst veröffentlicht 01.08.2024 10:05 Letzte Änderung: 07.08.2024 14:35

Ellen Nebel

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KKika, Nebel, Serien, Mystery, Fiktion, nbl, NEU

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