Studie zu KI im Journalismus: Beteiligung von Arbeitnehmern wichtig - epd medien

08.08.2024 09:07

Um das Potenzial von KI-Systemen vollständig zu nutzen, müssen Medienunternehmen ihre Belegschaft von Beginn an aktiv einbeziehen, wie eine Studie zeigt. Über die künftige Bedeutung von KI für den Journalismus sind sich Experten uneins.

Logos verschiedener ChatGPT-Apps

Berlin (epd). Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz (KI) kann im Journalismus nur dann vollständig genutzt werden, wenn Unternehmen ihre Belegschaft aktiv an der Einführung und dem Einsatz beteiligen. Dazu braucht es etwa Schulungen, Mitbestimmung über die einzusetzenden Tools und Zusammenarbeit bei der Erarbeitung einer KI-Strategie und journalistischer Leitlinien, wie aus einer Kurzstudie des Berliner Think-Tanks "iRights.Lab" hervorgeht.

Für Zeitungsverlage und Leitmedien sei es im Sinne erhöhter Produktivität verlockend, mithilfe von KI Inhalte "in einem nie dagewesenen Tempo" produzieren zu können, heißt es in der Untersuchung. Angesichts anhaltender Krisen - wie Auflagenverluste, das Verschwinden von Lokalzeitungen, Stellenabbau und prekäre Verhältnisse freier Journalisten - gelte es aber, "die Wertigkeit des Qualitätsjournalismus zu stärken".

Bewährte Qualität

Dieser hänge entscheidend von der Glaubwürdigkeit journalistischer Arbeit und dem Vertrauen in die Journalisten und Journalistinnen ab, weshalb beim KI-Einsatz bewährte Prozesse zur Qualitätssicherung angepasst werden sollten. "Gewissenhaftes Prüfen und Abnehmen der Inhalte muss die Aufgabe von Menschen bleiben", schreiben die Autoren der Studie "Künstliche Intelligenz und Beschäftigte im Journalismus", Henry Steinhau, Matthieu Binder, Merlin Münch und Lena Biskup.

Für die von Januar bis März dieses Jahres vorgenommene Untersuchung seien insgesamt 19 Experten-Interviews geführt, wissenschaftliche Literatur ausgewertet sowie aktuelle Richtlinien und Positionspapiere zum Thema KI von verschiedenen Medienhäusern analysiert worden. 17 Interviews seien mit Journalisten aus "unterschiedlichen Branchenbereichen (Nachrichtenagenturen, Verlage, Radio- und Fernsehsender und Medienhäuser) mit verschiedenen Zielgruppen und Inhalten (Fachzeitschrift bis Tagesnachrichten und -zeitungen, überregionales Medium bis Lokaljournalismus) sowie Wirtschaftsmodellen (öffentlich-rechtlicher Rundfunk bis Wirtschaftsunternehmen)" geführt worden.

Gewissenhaftes prüfen und abnehmen der Inhalte muss die Aufgabe von Menschen bleiben

Von diesen 17 Journalisten seien zwölf fest angestellt und fünf selbstständig gewesen. Drei der fest angestellten Experten nähmen aufgrund ihrer Position im Medienhaus, etwa als Chefredakteur oder als Teil eines Entwicklungsteams, eine besondere Rolle im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI-Systemen oder der Erarbeitung von berufsständischen Selbstverpflichtungen wahr. Auch zwei Verbandsvertreter seien befragt worden. Die Studie beanspruche keine Repräsentativität oder quantitative Auswertbarkeit der erhobenen Daten.

Desinformation und Arbeitsdruck

Mit Blick auf die KI-Entwicklungen bestehe bei vielen Befragten eine große Sorge vor der vereinfachten Verbreitung von Desinformation und von Falschnachrichten. Hinsichtlich des Arbeitsdrucks sei wiederum eine Ambivalenz zu beobachten gewesen.

Ein "überwiegender Teil" der Befragten stehe dem KI-Einsatz aufgeschlossen gegenüber und nehme die Nutzung solcher Technologien als Erleichterung wahr, heißt es in der Studie. Die durch KI-Tools gewonnene Zeit könnte demnach wieder mehr für Recherchen, Gespräche oder Themenentwicklungen eingesetzt werden. "Auf der anderen Seite äußern einige auch Bedenken, dass die neuen Anforderungen und notwendigen Kompetenzen bezüglich des Umgangs mit den KI-Tools viel Zuwendung, Übung und Praxis erfordern - und das mitten im Arbeitsalltag, der dadurch erschwert werde", schreiben die Autoren.

KI und Stellenabbau

Mehrere Befragte seien der Ansicht, dass nur diejenigen durch KI ihre Jobs verlieren könnten, die KI-Werkzeuge nicht beherrschen. Für andere überwögen generelle journalistische Fähigkeiten, die nur Menschen erlernen und mittels Berufserfahrung verbessern könnten. Und wieder andere Befragte sehen durchaus einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von KI-Systemen und einem Stellenabbau.

"Alle Kollegen, die sich darauf spezialisiert haben, viel zu produzieren, Meldungen im Akkord abzuarbeiten, die werden wahrscheinlich in Gefahr laufen, nach und nach durch Maschinen ersetzt zu werden. Das kann man so klar sagen, allein weil die Kosten für die Maschinen geringer werden und gleichzeitig die Personalkosten steigen, das ist ebenfalls kein Geheimnis", wird einer der interviewten Journalisten zitiert. Redakteure müssten deshalb vermehrt journalistische Aufgaben angehen, die viel Kreativität verlangen: "Denn genau diese Darstellungsformen, eben jene, die Kreativität, Humor, Ironie, Gefühl, Empathie, Moral, Perspektivwechsel, Hintergrund und/oder Investigativrecherche erfordern, werden Maschinen nicht so schnell übernehmen können."

Insgesamt äußerten laut Studie aber eher wenige der Befragten konkrete Sorgen, dass der Einsatz von KI-Tools zu Stellenabbau in ihrem Betrieb führen werde. "Sie nehmen die Entwicklungen eher als Teil umfassender Transformationen wahr - in einem Metier der Medienbranche, das schon länger mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpft."

Sechs Handlungsempfehlungen

Laut Studie sind KI-Anwendungen in manchen Medienhäusern "bereits seit Jahren fester Bestandteil von Recherche, Produktion und Distribution". Beispielsweise würden Systeme zur Echtzeiterkennung nachrichtenrelevanter Themen Journalisten unterstützen, indem Trends auf sozialen Medien fortlaufend ausgewertet werden. Mit Data-Mining-Anwendungen könnten Journalisten unstrukturierte Datensätze gliedern und umfangreiche Texte, Zahlen oder sonstige Formate automatisiert auswerten. Auf Sprachmodellen basierende Texteditoren würden eingesetzt, um fremdsprachige Texte zu übersetzen, umfangreiche Texte zusammenfassen oder Interviews transkribieren zu lassen.

Die Autoren der Studie geben für die künftige Nutzung von KI-Systemen insgesamt sechs Handlungsempfehlungen. So sollten die Beschäftigten in den Mittelpunkt gerückt und dabei auch die freien Journalisten nicht vernachlässigt werden. Weiter sollte es klare Regeln zum Einsatz von KI-Tools geben, die wiederum ausreichend geprüft werden sollten. Eine Abhängigkeit von großen Anbietern sollte vermieden werden. Wichtig sei laut Autoren außerdem die Mitbestimmung bei der Einführung von KI-Systemen.

Das "iRights.Lab" ist eigenen Angaben zufolge ein interdisziplinärer digitalpolitischer Think-Tank, hinter dem weder Parteien noch Großunternehmen zur Finanzierung stünden. Die Studie wurde von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert.

cph



Zuerst veröffentlicht 08.08.2024 11:07 Letzte Änderung: 08.08.2024 11:08

Schlagworte: Medien, Internet, KI, Studien, cph, NEU

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