11.09.2024 14:00
Zum TV-Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump
epd Der Kontrast zwischen Donald Trump und Kamala Harris könnte kaum größer sein. Der grimmig dreinblickende Trump spricht im TV-Duell am Dienstagabend von den USA als einer Nation im Niedergang. Joe Biden sei der schlechteste Präsident überhaupt, Harris die schlechteste Vizepräsidentin. Harris drängt ihn in die Defensive, besonders beim Thema Abtreibung. Sie lacht ungläubig, wenn Trump Unsinnigkeiten von sich gibt, und spricht von ihrer Hoffnung auf Neuanfang und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wie üblich erklärten beide Seiten hinterher, sie hätten gewonnen. Biden postete, Harris habe bei dem Duell im Fernsehsender ABC News vorgeführt, dass sie die "beste Wahl ist, um unsere Nation in die Zukunft zu führen". Trump schrieb auf seiner Plattform Truth Social, Philadelphia sei seine "beste Debatte" gewesen.
Zugleich beschwerten sich Republikaner über die Moderatoren. Tatsächlich checkten David Muir und seine Kollegin Linsey Davis die Behauptungen von Trump mit einer bei Debatten noch nie dagewesenen Schärfe: Davis korrigierte Trumps Aussage, Demokraten wollten Babys nach der Geburt töten. Muir widersprach der Behauptung von steigender Kriminalität in den USA - und Trumps dystopischer Vorstellung, Migranten in einer Stadt in Ohio verspeisten Haustiere der Ortsbewohner.
Mit Trumps Unwahrheiten tun sich die US-Medien grundsätzlich weiterhin schwer, auch mit seinen gelegentlich absurden Tiraden. Führende Medien berichten häufig über ihn, als sei er ein ganz normaler Kandidat. Es will halt nicht zum USA-Image passen, dass viele Menschen einem Kandidaten huldigen, der seine Wahlniederlage nicht anerkennt und droht, er werde auch das kommende Ergebnis nicht anerkennen. Ein Text in einem Newsletter des Fachmagazins "Columbia Journalism Review" verwies vor der Debatte darauf, dass bedeutende Medien Trumps Aussagen "säubern" bis hin "zum Punkt, wo sie kaum mehr Ähnlichkeiten haben mit dem, was er tatsächlich gesagt hat".
Viele Millionen US-Amerikaner glauben Trump. Er hat eine alternative Realität geschaffen. Trump stützt sich auf ein Medienökosystem mit Fox News und zahlreichen trumpistischen Online-Plattformen, das Hinweise auf Lügen in "anderen Medien" ignoriert oder als Fake News abtut. Doch selbst Fox-News-Kommentator Brit Hume räumte nach der Debatte ein, Trump habe "eine schlechte Nacht" gehabt.
Noch in der Debattennacht erschien die erste Umfrage: Laut CNN waren 63 Prozent der befragten Zuschauer der Ansicht, Harris' Auftritt sei besser gewesen. Ob das Duell das Wahlergebnis wirklich beeinflusst, weiß man indes nicht. Bidens desaströse Debatte mit Trump am 27. Juni war eine Ausnahme in ihrer Deutlichkeit, sie gilt als Auslöser für Bidens Kandidaturverzicht.
Wenn die Vergangenheit eines zeigt: Inhalte von TV-Debatten sind bald vergessen. Bonmots und starke Sprüche hingegen bleiben im Gedächtnis, wie die Bemerkung des 73-jährigen, durch Film und Fernsehen geschulten Ronald Reagan 1984 zeigt, er werde die relative Jugend seines Kontrahenten Walter Mondale (damals 56) nicht gegen den demokratischen Politiker verwenden.
"Ein guter Witz" sei so viel wert wie 100 Fakten-Checks, schrieb der langjährige demokratische Berater James Carville vor dem Trump-Harris-Duell in der "New York Times". Schwer ins Gewicht fallen bei den Debatten peinliche Fehlgriffe. Der republikanische Präsident Gerald Ford sagte 1976, es gebe "keine sowjetische Herrschaft in Osteuropa und es wird nie eine geben unter einer Regierung Ford". Anwärter Mitt Romney bedauerte 2012, alle seine potenziellen Kabinettsmitglieder seien Männer, da habe er "Frauengruppen" zu Rat gezogen, und diese hätten ihm "ganze Mappen voller Frauen gebracht".
Als katastrophal gilt die Antwort des Demokraten Michael Dukakis 1988 auf die Frage eines CNN-Moderators, ob er die Todesstrafe befürworte für einen hypothetischen Täter, der seine Frau vergewaltigt und ermordet habe. Dukakis war erklärter Gegner der Todesstrafe und erklärte, er sehe keine Belege für deren abschreckende Wirkung. Das unpersönliche Statement stieß auf Unverständnis. Ehefrau Kitty Dukakis saß im Saal.
Die erste Fernsehdebatte von Präsidentschaftsanwärtern fand am 26. September 1960 statt, als das Unterhaltungsmedium mit der Presse um Einfluss auf die Welt der Nachrichten buhlte. Der Republikaner Richard Nixon und der Demokrat John F. Kennedy saßen und standen vor den Kameras. Das Duell war das zu dem Zeitpunkt wohl größte Fernsehereignis überhaupt. Es ging ausgesprochen höflich zu, die Kandidaten ließen einander ausreden. Die Eröffnungsplädoyers waren auf sagenhaft lange acht Minuten angesetzt. Kennedy machte im Duell die bessere Figur und wurde Präsident.
Es sind Studien entstanden über den Einfluss der Debatten auf den Wahlausgang, definitive Antworten gibt es nicht. Das Forschungszentrum Pew Research Center fasste im Juni zusammen, nach Aussagen von Wählern seien Debatten "nützlich, doch nicht unbedingt entscheidend". Wahlen gehen knapp aus in den USA. Zahlreiche Faktoren spielen eine Rolle, darunter auch das TV-Duell. Doch das lässt sich schwer messen. 2016 stand in Kommentaren, Hillary Clinton habe besser debattiert als Trump. Ins Weiße Haus zog dann der Republikaner ein.
Die erste Clinton-Trump-Debatte hatte mit 84 Millionen Zuschauern in den USA die höchsten Einschaltzahlen. Biden gegen Trump im Juni wollten nach Nielsen-Angaben nur 51 Millionen Menschen sehen. Einschaltquoten sind relativ hoch bei den Duellen, vergleichbar mit denen bei großen Sportereignissen. Man konnte bei Harris gegen Trump auch zu Hause mit Chips, Pizza und Kaltgetränk mitfiebern, sich die schönsten Passagen hinterher online noch einmal anschauen. Es ist eine Riesenshow - wie der Super Bowl.
Copyright: privat Darstellung: Autorenbox Text: Konrad Ege ist freier Journalist in Washington und berichtet für den epd aus den USA.
Zuerst veröffentlicht 11.09.2024 16:00
Schlagworte: Medien, USA, TV-Duell, ABC, Harris, Trump, ege
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