Influencer statt Journalisten - epd medien

24.09.2024 08:25

Senegal gilt als demokratisches Vorbild in einer von Staatsstreichen betroffenen Region. Journalisten und Presseorganisationen sorgen sich aber angesichts eines Klimas von Unsicherheit und Misstrauen. Martina Zimmermann hat sich in dem westafrikanischen Land umgehört.

Kritische Lage für die Presse im Senegal

Hat angeblich kein Problem mit den Medien: Senegals Premierminister Ousmane Sonko (Archivbild)

epd Anfang August haben im Senegal zwei Sportzeitungen ihr Erscheinen eingestellt. "Stades" war mit einer Auflage von über 25.000 Exemplaren ein Pionier der Sportpresse im Land, "Sunu Lamb" hatte eine Auflage von bis zu 150.000 Stück. Während der Covid-Pandemie ging der Umsatz zurück, der Krieg Russlands gegen die Ukrainer verteuerte die Papierpreise, und im März 2024 kamen noch Forderungen des Finanzamts in Höhe von umgerechnet 130.000 Euro hinzu. Verleger Mamoudou Ibra Kane stellte daraufhin die beiden Blätter ein und entließ 20 Angestellte.

Mahnbriefe der Finanzämter, blockierte Konten und aufgekündigte Werbeverträge betreffen alle privaten Medien im Land. Eine Löschung der Steuerschulden in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro hatte der frühere Präsident Macky Sall versprochen. Doch die neue Regierung, seit April im Amt, fordert nun die Zahlung der Steuerrückstände. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen (RSF) sind mindestens sieben weitere private Medien vom Bankrott bedroht. Um auf ihre bedrohte Existenz hinzuweisen, streikten fast alle Redaktionen am 13. August.

Presse in der Talsohle

Es gibt im Senegal über 45 Zeitungen, mehr als 20 Radios und fast 20 Fernsehsender. Vor allem die Presse befinde sich in einer "Talsohle", sagt Abdoulaye Thiam, Redaktionsleiter der Zeitung "Sud Quotidien". Das Internet habe die Lesenden daran gewöhnt, Informationen umsonst zu bekommen. Vor allem die Jugend nutzt nur die sozialen Netzwerke. Die Zahl der Zeitungsabos und der Verkauf gedruckter Exemplare gehen zurück.

Die neue Regierung habe nicht nur alle bestehenden Werbeverträge gekündigt, berichtet Thiam. Sie habe auch die Ausstände für bereits erschienene Werbung nicht bezahlt. Die Lage sei dramatisch. Presseverbände warnen vor der Schließung von Zeitungen und dem Verlust von Dutzenden von Arbeitsplätzen.

Auch der Zugang zu Informationen aus dem Präsidentenpalast oder dem Büro des Premierministers sei für viele Medien erschwert. Neuerdings werden "TikToker" und regierungsfreundliche Medien eingeladen, erfährt man in einer Diskussion im privaten Radiosender RFM am 12. September. Der Chefredakteur der Tageszeitung "L'enquête", Mor Amar, spricht von einem "bewussten Willen, die klassischen Medien nicht einzuladen und TikTokern und Influencern der sozialen Netzwerke zu vertrauen".

Wenn die Leute an der Macht unsere Einladungen ablehnen, laden wir eben die Opposition ein.

Laut Sekou Diémé vom Fernsehsender 7TV handelt es sich dabei um Medienvertreter, "die überhaupt nichts repräsentieren". Babacar Fall von RFM behauptet, Vertreter von Regierung oder staatlichen Unternehmen folgten keiner Einladung in seinen viel gesehenen Sender: "Wenn die Leute an der Macht unsere Einladungen ablehnen, laden wir eben die Opposition ein."

In der Geschichte Senegals seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 begünstigte jedes Regime ihm freundlich gesinnte Medien, das war auch unter den vorigen Präsidenten Abdoulaye Wade oder Macky Sall nicht anders. "Aber das Nachsehen haben unabhängige Medien, die einen professionellen Journalismus betreiben", bedauert Abdoulaye Thiam von "Sud Quotidien".

Der seit einem halben Jahr amtierende Premierminister Ousmane Sonko betrieb im Juni vor den Parteimitgliedern der "Afrikanischen Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit" (Pastef) Medienschelte. "Die öffentliche Gelder geplündert haben, werden zahlen müssen", warnte der frühere Oppositionsführer und sprach im Zusammenhang mit den Steuerschulden von "Veruntreuung öffentlicher Gelder".

Regierung will Sektor "gesunden"

Der frühere Steuerprüfer Sonko konnte bei der jüngsten Präsidentschaftswahl im Februar nicht kandidieren und wurde erst am 15. März dank einer Amnestie aus dem Gefängnis entlassen. Sonko hatte dazu aufgerufen, seinen Parteichef Diomaye Faye zu wählen, der am 24. März gleich im ersten Wahlgang gewann und Sonko bei seinem Amtsantritt am 3. April zum Premierminister ernannte. Pastef war 2014 von jungen Beamten aus der öffentlichen Verwaltung gegründet worden.

Die Regierung lässt verlauten, "keinerlei Problem" mit den Medien zu haben, sondern den Sektor "gesunden" zu wollen. Doch auch die bisherigen Hilfen für Presseunternehmen sind blockiert. Davon ist Alassane Cissé betroffen, Herausgeber der zweimonatigen Kulturzeitschrift "Le Patrimoine": "Wir warten auf den versprochenen Dialog mit dem Präsidenten."

In den vergangenen drei Jahren, also bereits unter dem vorigen Präsidenten Sall, ist Senegal vom 49. Rang auf den 94. Platz in der weltweiten Pressefreiheitsliste von RSF gefallen. Seit den Demonstrationen nach der Verhaftung des damaligen Oppositionellen Sonko 2021 haben sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten verschlechtert, es gab Polizeigewalt gegen Journalisten und Verhaftungen. Mehrfach hatte die Regierung unter Sall auch das Internet sperren lassen.

Privatfahrzeuge für den Sender

Der mehrfach inhaftierte Journalist Pape Ale Niang wurde inzwischen zum Generaldirektor des senegalesischen Staatsfernsehens ernannt. Er hat kündigte an, seine Privatfahrzeuge dem Sender überschreiben zu wollen - für den Transport des Personals. Wegen Steuerschulden werden die vom Staat finanzierten Kanäle bisher nicht belangt.

Die senegalesische Presse hat beim demokratischen Wandel im Land stets eine wichtige Rolle gespielt. Das sollte sie auch weiterhin tun dürfen.

Martina Zimmermann Copyright: Foto: privat Darstellung: Autorenbox Text: Martina Zimmermann lebt in Paris und arbeitet als Autorin und Reporterin unter anderem für die ARD-Radiosender und den epd.



Zuerst veröffentlicht 24.09.2024 10:25 Letzte Änderung: 24.09.2024 10:26

Martina Zimmermann

Schlagworte: Medien, Senegal, Pressefreiheit, Zimmermann, Sonko, NEU

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