Der gute Geist von Kreuzberg - epd medien

26.09.2024 10:58

Nach dem Tod des Anwalts Liebling ist seine Kanzlei noch immer im Berliner Stadtteil Kreuzberg. In dem neuen ARD-Film "Kanzlei Liebling Kreuzberg" hat dort inzwischen Talia Jahnka das Regiment übernommen. Die ist nicht erfreut, als eines Tages die Enkelin von Robert vor der Tür steht und die Kanzlei übernehmen will.

Luise von Finkh (zweite von links) spielt die Rolle der Enkelin von Robert Liebling. Sie tritt in die Kanzlei von Talia Jahnka (Gabriela Maria Schmeide) ein und, in der immer noch Senta Kurzweg (Anja Franke) mitarbeitet

epd Die Anwaltsserie "Liebling Kreuzberg" erfreute in den 1980er und 1990er Jahren die Herzen des deutschen Fernsehpublikums. Sie lief von 1986 bis 1998 in fünf Staffeln und war Kult. Der Erfolg ging zu großen Teilen auf das Konto des Volksschauspielers Manfred Krug, der in der DDR ein Star war und nach seinem Wechsel in den Westen seine Karriere fortsetzen konnte. Er starb 2016, aber die Erinnerung an seine Schauspielkunst und seinen persönlichen Charme, den er als Anwalt Liebling in Kreuzberg glitzern lassen konnte, ist noch da.

Der ARD schien es wohl das Risiko wert, eine Neuauflage des Stoffes zu versuchen - fürs Erste mit einem abgeschlossenen Spielfilm. "Nach Motiven der Originalserie 'Liebling Kreuzberg' von Jurek Becker", wie es in der Ankündigung der ARD heißt, hat Andrej Sorin ein Drehbuch verfasst, das an die Kultserie anknüpft und zugleich das Hier und Heute in einer Kreuzberger Kanzlei reflektieren soll.

Die Enkelin will ihr Erbe antreten

Die Verbindung zwischen Einst und Jetzt stiftet die Figur der Lisa Liebling, Roberts Enkelin, dargestellt von Luise von Finckh. Lisa hat in Heidelberg Rechtswissenschaften studiert und alle Prüfungen bestanden und steht jetzt als frisch gebackene Anwältin unangekündigt auf der Schwelle der immer noch existierenden Kanzlei Liebling, um ihr Erbe anzutreten. Denn ihr Opa hatte einst verfügt, dass die von ihm besonders geschätzte Lisa die Partnerin seiner Nachfolger werden solle.

Die Chefin hält die jugendliche Besucherin zunächst für eine Mandantin und schickt sie fort, doch als Talia Jahnka, gespielt von Gabriela Maria Schmeide, begreift, was los ist, nämlich dass ihr der verblichene Liebling quasi aus dem Jenseits eine neue Partnerin vor die Nase gesetzt hat, ist sie not amused. Die junge Dame hat Flausen im Kopf, will pro bono vertreten und überhaupt das Recht mit der Gerechtigkeit versöhnen. Dabei hat Jahnka lange Zeit hart daran gearbeitet, die Kanzlei profitabel zu machen, hat Mandanten aus der Wirtschaft akquiriert und sentimentalem Gutmenschentum, wie es auch Vorgänger Robert Liebling nicht fremd war, den Kampf angesagt.

Da stehen sich nun der harte Neoliberalismus, der Arbeitsplätze schafft, weil er Profit macht und der naive Glaube an das Gute im Menschen, ohne den es weder Recht noch Gerechtigkeit gäbe, kampfbereit gegenüber. Die Anwaltsgehilfin Senta Kurzweg (Anja Franke) von damals ist wieder dabei und baut so alten Fans der Kult-Serie eine weitere Brücke zum neuen "Liebling"-Film.

Neue Probleme

Auch die Mutter von Lisa, Roberts Tochter Sarah, wird von derselben Schauspielerin verkörpert, die damals schon mit von der Partie war: Roswitha Schreiner. So ergibt sich der eine oder andere Wiedererkennungswert. Aber auch ein junges Publikum, das Manfred Krug nur noch aus Wiederholungen kennt - wenn überhaupt -, soll gewonnen werden. Dafür hat Luise von Finckh zu sorgen, die, kaum dass sie ihre Ansprüche auf die Kanzlei geltend gemacht hat, auch die ersten Fälle ins Haus bringt. Ein alter Penner, gespielt von Winfried Glatzeder - auch er ein Altstar aus der DDR - will wegen Diskriminierung klagen: Man hat ihm seinen Stammplatz in seinem Stammcafé verwehrt.

Ferner ist da ein altes Paar, aus Fernost zugewandert, in dessen Eigentumswohnung ein Mietnomade haust, der nicht zahlt und nicht weicht. Das sind neuartige juristische Probleme, mit denen sich Dr. Jahnka nicht so gerne rumschlagen möchte, alles viel zu kleinteilig und nicht lukrativ genug für die erfolgsverwöhnte Wirtschaftsanwältin. Aber sie muss jetzt nicht nur mit Lisa als Person, sondern auch mit dem neuen alten Geist, den Roberts Enkelin mitgebracht hat, klarkommen. Und bald stellt sich heraus, dass auch sie ein Herz hat.

Magisches Band

Die Konstellation, zwei Rechtsanwältinnen aus zwei Generationen, eine knallhart auf Geld aus, die andere eine Träumerin, aber eben Erbin eines Mythos (Robert Liebling), ist nicht übel, sie hat Potenzial, daraus kann einiges entstehen. Geplant ist keine Serie, sondern eine Filmreihe, was auch nicht schlecht ist. Die Frage ist nur, ob die Anknüpfung an "Liebling Kreuzberg" notwendig ist, also ob die Filmreihe das Versprechen erfüllt, das sie durch diese Anbindung gibt, nämlich die heutigen Konflikte in Kreuzberg, dem Kiez der Kleinen Leute und Künstler im Lichte und im Geist des fröhlichen Liebling und seiner Allzumenschlichkeit zu erzählen, ohne dass es aufgesetzt wirkt.

Lisa arbeitet auf dieses Ziel hin, indem sie die alten Diktatkassetten ihres Großvaters abhört, um sich so mit seiner Sicht der Dinge vertraut zu machen. Viel wird davon abhängen, wie die vielversprechende Schauspielerin Luise von Finckh ihre Figur der Enkelin weiterentwickelt. Mutter Sarah sagt einmal, zwischen ihrer Kleinen und ihrem Vater (also Robert Liebling) habe es immer schon ein "magisches Band" gegeben. Es wäre ja wunderbar, wenn dieses Band tatsächlich existierte und so der Liebling-Geist in die heutige Zeit und die Kanzlei Einzug hält. Aber Magie lässt sich nicht befehlen. Sie wirkt oder sie wirkt nicht. Man muss abwarten.

Die Regie von Franziska Margarete Hoenisch hat in der Tat etwas Abwartendes. Sie leistet sich keine überstürzten Tempi oder andere Mätzchen, ist konventionell und schlicht. Der Pilotfilm hat insgesamt den Charakter einer Ankündigung: Leute hört mal her, Liebling Kreuzberg ist zurück. Diesmal als Frau. Und ja, die Zeiten sind rau, das weiß Statthalterin Jahnka. Es wird ordentlich zur Sache gehen zwischen unterschiedlichen Generationen, Temperamenten und Rechtsauffassungen. Aber der gute Geist des Robert Liebling wird über allem schweben. Wir haben es vernommen und schauen, ob das was wird.

infobox: "Kanzlei Liebling Kreuzberg", Fernsehfilm, Regie: Franziska Margarete Hoenisch, Buch: Andrej Sorin, Kamera: Martin Ludwig, Produktion: Odeon Fiction/Degeto (ARD-Mediathek, ab 25.9.24, ARD, 27.9.24, 20.15-21.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 26.09.2024 12:58

Barbara Sichtermann

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Fernsehfilm, Hoenisch, Sorin, Sichtermann, Krug, Becker

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