02.10.2024 07:48
epd Für eine kurzweilige Dramedy-Serie ist die Idee im Grunde gar nicht schlecht: David, 28 Jahre alt und gebürtig aus Amsterdam, überrascht seine in Berlin lebende Freundin mit gepackten Koffern. Auf das spontane Zusammenziehen folgt das einander Ausziehen, bis es plötzlich heißt: "Ich kann das nicht. Kannst du dir bitte wieder was anziehen?" David versteht die Welt nicht mehr, "einfach so", wie er immer wieder betont, hat sie Schluss gemacht - und nun sitzt der angehende Schauspieler ohne Bleibe in einer fremden Stadt fest, die Mut erfordert und "entdeckt werden will". Dass "This is gonna be great" über den Großteil der zehn jeweils rund 25 Minuten langen Folgen trotzdem nicht funktioniert, mag auch am fehlenden Mut der Serienschöpfer liegen.
Im Fokus der Serie stehen vier Millennials Ende 20, die sich allesamt selbst finden wollen: Da ist der aufgedrehte Protagonist, der merkt, dass die Welt und ihre Bewohner doch etwas komplexer sind, als es das Leben im heimischen Kinderzimmer vermuten lässt. Da ist der Mitbewohner, der nicht so richtig weiß, wie er mit anderen Menschen reden soll und sich stattdessen in Physik und Technik verliert - ein Stereotyp, das schon zu Zeiten der frühen "Big Bang Theory"-Staffeln auserzählt war - und da sind die beste Freundin, die unter zu viel Arbeit und zu wenig Anerkennung leidet sowie das baldige Love Interest, das sich nicht traut, den eigenen Träumen nachzugehen.
So weit, so bekannt. Was über weite Strecken leider auch für die Inszenierung gilt: Zwar gibt es durchaus bemerkenswerte Einfälle, wie etwa die fünfte Folge zum introspektiven Horrorfilm werden zu lassen. Dabei kann auch Hauptdarsteller Rein Mulder glänzen, der sich als Mitautor der Serie sonst nur wenige emotional treffsichere Momente auf den Leib geschrieben hat. Doch dieses wilde Berlin, das laut einheimischen Berlinern der Serie entdeckt werden will, finden auch Kamera und Dramaturgie nicht.
Dabei sind die richtigen Ansätze vorhanden, auch in zündenden Gags, etwa wenn die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung in ein Quasi-Obdachlosencamp führt. Nur weiß "This is gonna be great" damit nichts anzufangen. Wie ihre Figuren geben sich die Serienschöpfer stattdessen einem nur gefühlten Ausbruch innerhalb ihres Safe Spaces hin: Sich selbst hat man auch dann noch nicht gefunden, wenn man einmal ein friedliches Hauptstadt-Hippie-Festival besucht hat. Und Genre- wie Comedy-Konventionen hat man auch dann noch nicht übergangen, wenn man vermischt, womit man humoristisch aufgewachsen ist: Vielleicht, liebe Millennials, ist es an der Zeit, "The Office" endlich loszulassen.
Das größte Problem von "This is gonna be great" ist, dass die Serie ihren Ton nicht findet. Auf jeden geglückten Gag folgen Sprüche wie "Wovon im Namen von Al Pacinos Barte sprichst du da bitte?", für jede zumindest im Ansatz spannende Charakterentwicklung gehen an anderer Stelle ganze Handlungsstränge, die wichtig zu werden scheinen, im erzählerischen Nirwana verloren.
Eher früher als spät stellt sich also die Frage, welche Zielgruppe hier angesprochen werden soll. Millennials sind diesem Millennial-Fernsehen wohl schon entwachsen oder haben Figuren-Archetypen wie die des David, der mit 28 Jahren noch nie eine echte Unterhaltung geführt zu haben scheint, zuhauf und sich daran satt gesehen. Eher jungen Zuschauern stehen Alternativen zur Verfügung, von denen sich "This is gonna be great" zu wenig abhebt, um aufzufallen. Die etwas steife deutsche Synchronisation kommt da noch erschwerend hinzu.
Und auch einem jungen Publikum ist bei allem gewünschtem Eskapismus via Binge-Watching durchaus mehr Ernsthaftigkeit und Realitätsbezug zuzutrauen, als hier - und bei vielen Genre-Kollegen - geboten wird. Sicherlich ist es ein Spiel mit dem Klischee, dass sich die "aufgeklärte Jugend" in "This is gonna be great" selbstreflektiert über das kapitalistische System beschwert, um dann in der nächsten Szene alle Sorgen dank günstigem (aber regional hergestelltem) Smoothie zur Seite zu schieben.
Doch in den Millennials und ihren Sorgen steckt mehr als nur ständige Ironie, Kapitalismuskritik darf auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mehr als performativer Sprechakt sein. Eine Idee: David, 28 Jahre alt und gebürtig aus Amsterdam, überrascht seine in Berlin lebende Freundin mit gepackten Koffern. Weil die aber plötzlich Schluss macht, sitzt der angehende Schauspieler ohne Bleibe in einer fremden Stadt fest. Die Wohnungssuche, das Aufbauen neuer Beziehungen, die Einsicht, dass die Schauspielerei zunächst keine Miete zahlt - aus dem Stoff ließe sich viel machen.
infobox: "This is gonna be great", zehnteilige Dramedy-Serie, Regie: Beer ten Kate, Valerie Bisscheroux, Buch: Rutger Lemm und Rein Mulder, Kamera: Ton Peters, Produktion: Big Blue (ZDFneo, 1.10.24, 22.30-02.45 Uhr und bis 27.9.25 in der ZDF-Mediathek)
Zuerst veröffentlicht 02.10.2024 09:48 Letzte Änderung: 02.10.2024 10:45
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDFneo, Hechler, NEU
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