Macht Platz! - epd medien

28.11.2024 11:00

In ihrem Hörspiel "Den Hund begraben" klopft die Autorin und Regisseurin Dunja Arnaszus die Redewendung vom begrabenen Hund auf ihren Gehalt ab und sucht nach Geheimnissen im Seelenleben ihrer Protagonistinnen und Protagonisten.

Katrin Wichmann (links) und Luise Heyer im Hörspiel-Studio beim RBB

epd Nach einem alten Volksglauben werden vergrabene Kostbarkeiten von einem schwarzen Hund bewacht, der niemand anderes ist als der Teufel. Darauf soll die Redewendung "Da liegt der Hund begraben" zurückgehen. Etwas sagen, um etwas anderes zu verschweigen, Dinge wie umständlich verräumte Familiengeheimnisse, unter den Teppich Gekehrtes, aber auch unerwartetes Findeglück. Die Metapher vom begrabenen Hund spannt auch heute noch ein weites Feld auf.

Wie gemacht für Dunja Arnaszus: Bürokratische und andere Alltags-Floskeln klopft sie immer wieder gewitzt auf deren wörtlichen Gehalt ab. In ihren Hörspielen wie "Schrille Post" oder "Außergewöhnliche Belastung", aber auch in ihren Inszenierungen fremder Texte, wie etwa Torsten Schulz' Novelle "Öl und Bienen", hegt sie große Sympathien für beschädigte und umso sympathischere Charaktere. Mit der Hingabe einer Insektenforscherin beobachtet sie, wie diese Wesen in holpriger Anmut ihren Weg gehen inmitten einer eigentlich unzumutbaren, aber trotzdem irgendwie herrlichen Welt.

Im Tierkrematorium

So wie Alison, die ihren zotteligen, braungrauen Hund Jimmy begraben will. Und es nicht kann. Weil sie dazu wohl erst einmal herausfinden müsste, wo bei ihr selbst der Hund begraben liegt. Es gehört zu den Stärken dieses Stücks, dass es nicht ausposaunt, was genau es zu finden gibt, stattdessen die Abgründe nur schlaglichtartig andeutet und auch nicht nur bei der Protagonistin vermutet.

"Den Hund begraben" ist zunächst als Komödie angelegt, das kommt besonders anfangs zum Tragen, in einer Szene im Tier-Krematorium. Mit satirischer Übertreibung lässt Arnaszus an diesem Ort der ratternden Öfen und knisternden Papiertüten-Urnen zwei Welten aufeinanderprallen: Alison, die so hypersensibel wie knochentrocken mit dem Thema Tod umgeht (gespielt von Katrin Wichmann), auf der anderen Seite eine junge, auf eingeübte Betrüblichkeit und Haustier-Liebeskitsch getrimmte Krematoriums-Mitarbeiterin (Hevin Tekin).

Todesangst und Lebenslust

Im Zusammentreffen weiterer Kontrastpaare und in Szenen, die zwischen Friedhof, Gemeindesaal und der Küche von Alisons Schwester Marilla (Luise Heyer) wechseln, tun sich allmählich immer mehr potenzielle Hundegräber auf. Alison und Marilla waren in ihrer Kindheit offenbar Gewalt ausgesetzt. Marilla nimmt unerfreuliche Geschehnisse seitdem passiv hin. Bei Alison führte das Erlebte hingegen zu Schreckhaftigkeit und äußerer Aufrüstung: Der große Hund "war der Einzige, der sich jemals unter Einsatz seines Lebens für mich - brüllend - mit allem, was sein Körper hergab, dem Feind entgegengeworfen hätte. Und hat." Als er tot ist, kauft sie sich ein Arsenal an Messern.

Der nicht begrabene Hund als Sinnbild des nicht verarbeiteten Traumas schleicht sich in merkwürdige Verhaltensmuster, aber zum Beispiel auch als Punk-Song in Alisons Träume (mit Nina-Hagen- und PJ-Harvey-Anleihen gesungen von der Regisseurin selbst): "Komm, wir tanzen auf dem frischen Grab! / Sitz! Fass! Ran! Sitz! Fass! Ran!" Stärke, Schwäche, Todesangst und Lebenslust: komprimiert wie das Häuflein Asche, das von Jimmy geblieben ist.

Sanfte Überzeichnung

Zwar darf auch der obligatorische Gag mit dem grauen Pulver nicht fehlen, das statt des Zuckers irgendwann versehentlich im Kaffee landet. Und auch der ökologisch emsige Friedhofsgärtner Easton (Benjamin Radjaipour) bedient das eine oder andere Klischee, wenn er im Kreis herumtänzelnd Wildblumennamen aufzählt: Wäre ein naturnaher Friedhof nicht der perfekte Ort für Bienen? Und vielleicht sogar auch für den verhassten Friedhofs-Jogger Olssen (Rainer Reiners), der über die Pflanzen und die Toten hinwegtrampelt, bis Easton ihn zu Fall und vielleicht sogar unter die Erde bringt?

Als komischer Mikrokosmos der kleineren und größeren Gewalttätigkeiten funktioniert das sanft überzeichnete Personal sehr gut. Wer macht wem Platz, wenn der Raum umkämpft ist, ideologisch und körperlich? Es gibt Annäherungen, aber keine Lösung, und am Ende mag man sich als Zuhörerin fragen, worauf das Hörspiel nun eigentlich hinaus will. Wo liegt der Hund begraben? Immerhin finden Alison und was von ihrem haarigen Freund geblieben ist so etwas wie Ruhe, vorläufig.

infobox: "Den Hund begraben", Hörspiel, Regie und Buch: Dunja Arnaszus, Musik: Peta Devlin, Thomas Wenzel (Radio3, 24.11.24, 16.03-17.00 Uhr und in der ARD-Audiothek)



Zuerst veröffentlicht 28.11.2024 12:00 Letzte Änderung: 29.11.2024 11:18

Cosima Lutz

Schlagworte: Medien, Radio, Kritik, Kritik.(Radio), KRBB, Hörspiel, Arnaszus, Lutz, NEU

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