Verspielte Virtuosität - epd medien

09.12.2024 11:08

Der ZDF-Märchenfilm "Dornröschen und der Fluch der siebten Fee" glänzt mit spektakulären Bildern, insgesamt wird Regisseur Ngo The Chau seinem eigenen Anspruch jedoch nicht gerecht.

Prinzessin Rosabella (Alix Heyblom, l.) und die Fee Rubia (Bella Dayne)

epd Anders als die Reihe "Sechs auf einen Streich", bei der die ARD mittlerweile nicht nur an der Anzahl spart, sind die Weihnachtsmärchen im ZDF ihrer optischen Opulenz treu geblieben: Seit "Rübezahls Schatz" (2017) sorgt Ngo The Chau, für seine Kameraarbeit gleich dreimal mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, regelmäßig für spektakuläre Bilder. Für den Sendeplatz an Heiligabend im Zweiten ist mit "Schneewittchen und der Zauber der Zwerge" (2019) auch sein nicht nur aufgrund der exzellenten Bildgestaltung bemerkenswertes Regiedebüt entstanden.

Mit "Dornröschen und der Fluch der siebten Fee" hat Ngo The Chau bereits seine vierte ZDF-"Märchenperle" inszeniert. Selbst wenn diesmal nicht alle visuellen Effekte Kinoqualität haben: Die Bilder sind erneut spektakulär. Die an frühe Technicolor-Produktionen erinnernde Farbgebung ist von einer verspielten Virtuosität, der Himmel erinnert an "Vom Winde verweht".

Kasperle-Theater

Allerdings erinnert der Film zu sehr an Kasperle-Theater. Schon "Hexenprinzessin" (2020) war darstellerisch nicht überzeugend und überzogen. Auch "Zwerg Nase" (2021) war aus erwachsener Sicht unnötig klamaukig. Erst mit dem "Märchen vom Frosch und der goldenen Kugel" (2022) wurde Ngo The Chau dank schwungvoller Regie und kühnem Drehbuch wieder jenem Maßstab gerecht, den er mit "Schneewittchen" selbst gesetzt hatte.

Die Comedy-Elemente in "Dornröschen" sind nicht lustig, sondern Fremdkörper, und einige Mitwirkende erliegen der typischen Annahme, im Kinderfernsehen müsse man möglichst dick auftragen. Dadurch muten die Darbietungen stellenweise amateurhaft an, erst recht, wenn Nebendarstellerinnen mit viel mimischem Einsatz versuchen, aus ihren wenigen Szenen erinnerungswürdige Auftritte zu machen. Die Handlung wird zudem durch Off-Stimmen erläutert, die nicht gut sind. Die Flöt- und Pfeiftöne, mit denen die Slapstick-Situationen unterlegt sind, passen ebenfalls nicht zum Anspruch des Films.

Die Kommentare der von Michael Kessler gesprochenen boshaften Hecke, die das Königsschloss umgibt, sollen weitere komische Kontrapunkte setzen, aber die Bemerkungen wirken angesichts des durchaus dramatischen Geschehens unpassend. Wenn "Heckbert" in irres Kichern verfällt, klingt das eher lächerlich als furchteinflößend. Auch Bella Dayne als böse Fee Rubia trägt viel zu dick auf.

Wohltuend sparsames Spiel

Wohltuend ist dagegen das sparsame Spiel von Claude Albert Heinrich als Antiheld: Prinz Parvus ist ein unscheinbarer Träumer, den eine junge Frau wie Prinzessin Rosabella (Alix Heyblom) unter anderen Umständen keines zweiten Blickes gewürdigt hätte. Weil die beiden jedoch offenkundig Seelenverwandte sind, erscheint sie vor seinem geistigen Auge, und da er reinen Herzens ist, gelingt es ihm als Erstem, die Hecke zu überwinden. Bevor er die verfluchte Königstochter von ihrem Schicksal erlösen kann, kommt es zur finalen Konfrontation mit Rubia, die allerdings gute Gründe für ihr ruchloses Verhalten hat, wie sich schließlich herausstellt. Früher gehörte sie zu den Guten, bevor sie ihre neugierige Nase allzu tief in einen Folianten voll dunkler Magie steckte.

Das Drehbuch von "Schloss Einstein"-Autorin Dana Bechtle-Bechtinger basiert auf dem bereits 1696 veröffentlichten Märchen "Die schlafende Schöne im Wald" des Franzosen Charles Perrault, die "Dornröschen"-Version der Brüder Grimm ist erst gut hundert Jahre später erschienen. Die Geschichte erfreut durch viele überraschende Wendungen, die düsteren Teile der Handlung sind manchmal wirklich Furcht einflößend, etwa wenn sich eine Handvoll grimmiger Schattenwesen (angeführt von Florence Kasumba) als Rubias verzauberte Schwestern entpuppen.

Rubias Bruder hat damals ihren Todesfluch abgeschwächt. Rubias Rache lässt ihn zum Terrier werden, sobald er den Bannkreis rund um das Schloss verlässt. Innerhalb nimmt er seine ursprüngliche Gestalt an, aber zum Helden taugt er nur bedingt. Soufjan Ibrahim verkörpert den "Feerich" als personifizierte Sorgenfalte mit Quengelstimme. Kostüm- und Szenenbild sind ebenso wie die Bildgestaltung ein wahrer Augenschmaus, und auch die Musik von Sebastian Fillenberg entspricht den Ambitionen des Films.

infobox: "Dornröschen und der Fluch der siebten Fee", Märchenfilm, Regie und Kamera: Ngo The Chau, Buch: Dana Bechtle-Bechtinger, Produktion: Provobis (ZDF, 24.12.24, 15.00-16.30 Uhr und seit 9.12.24 in der ZDF-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 09.12.2024 12:08

Tilmann Gangloff

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Märchenfilm, Ngo The Chau, Bechtle-Bechtinger, Gangloff

zur Startseite von epd medien