Musik zum Lob Gottes - epd medien

15.12.2024 10:00

Im ARD-Film "Bach - ein Weihnachtswunder" erzählen Regisseur Florian Baxmeyer und Autor Christian Schnalke temporeich vor winterlicher Kulisse eine Geschichte, wie im 18. Jahrhundert in Leipzig das "Weihnachtsoratorium" entstanden sein könnte.

Devid Striesow spieltJohann Sebastian Bach in "Bach - Ein Weihnachtswunder"

epd Wenig ist bekannt über das Leben Johann Sebastian Bachs (1685-1750), fast nichts über die Entstehung der sechs weihnachtlichen Kantaten, die heute als "Weihnachtsoratorium" firmieren. Für viele Christen wie auch Nichtchristen, die fasziniert sind von der tief religiösen barocken Musik, ist dieses wohl berühmteste Werk Bachs ein alljährliches musikalisches Highlight. Jetzt hat sich Regisseur Florian Baxmeyer den historischen Stoff vorgenommen, der so viel Raum für Kreativität lässt, aber doch zugleich die weihnachtliche Botschaft mittransportiert. In "Bach - ein Weihnachtswunder" erzählt er temporeich, vor viel winterlicher Kulisse und fast durchgängig mit Musik unterlegt, wie 1734 in Leipzig das "Weihnachtsoratorium" entstand.

Dass daraus kein Biopic werden konnte, war angesichts der Quellenlage klar. Es gibt nur sehr wenige Briefe und Dokumente, die Auskunft geben. Baxmeyer und Drehbuchautor Christian Schnalke konnten die Lücken kreativ nutzen. Ihnen kam es darauf an, den Menschen "hinter der zum Denkmal gewordenen Gestalt" des Komponisten zu zeigen und die Bedeutung, die die große Familie für ihn hatte. Beraten hat die Filmemacher der deutsche Musikwissenschaftler und Kritiker Bernhard Schrammek.

Noten hängen an der Wäscheleine

Devid Striesow, der 2017 schon den Reformator Martin Luther in "Katharina Luther" verkörperte, spielt Bach überzeugend als Menschen mit großem künstlerischem Selbstbewusstsein und bisweilen überschießendem Temperament, als einen Patriarchen, der seine Familie selbstverständlich einspannt für sein großes Ziel einer herrlichen Musik zum Lobe Gottes. Die Reibungen des Komponisten mit seinem städtischen Arbeitgeber, dem mächtigen Ratsherrn Stieglitz (Thorsten Merten), und mit kirchlichen Autoritäten, die seine Kompositionen als zu "opernhaft" ablehnen, ist historisch verbürgt, ebenso wie der eher "schwierige Charakter" des älteren Bach.

Melodien und Harmonien scheinen fast ununterbrochen in Bachs Kopf zu tönen. Noten hängen zum Trocknen der Tinte an der Wäscheleine, die Söhne beteiligen sich an der Ausarbeitung des Werks. Auch das "Parodieverfahren", wobei Bach ältere Stücke neu verwertet, wird erkennbar. Ständig wird geprobt, musiziert und gesungen.

Martina Eisenreich hat die dazu passende Filmmusik geschrieben. Es sollte eine heutige Musik sein, die "dem musikalischen Kosmos Bachs verbunden ist": Dazu griff Eisenreich auf dessen musikalische Motive zurück. So treffen die Stimmen der Thomaner, des Leipziger Knabenchors, den schon Bach dirigierte, auf elektronische Impulse - und eine neue Stimmen- und Stimmungswelt entsteht. Das ist durchweg sehr gelungen - auch wenn man sich als Zuschauerin hin und wieder etwas mehr Ruhe oder eine Atempause wünscht.

Sieben Hyazinthen-Blüten

Denn Pausen gibt es in dem dynamischen Plot, der viel erzählen will, selten. Wenn doch, dann sind sie allerdings umso wirkungsvoller: Wenn der Blick der Kamera etwa auf die sieben abgeschnittenen Hyazinthen-Stängel in den Töpfen auf der Fensterbank fällt. Die noch kaum aufgegangenen Blüten hat Bachs zweite Frau, Anna Magdalena, auf die schneebedecke Grabplatte der Kinder gelegt. Bach sieht dies und sagt nichts, aber seine Miene zeigt, was er später dann auch aussprechen kann, dass er in seiner Musik um die Kinder trauert.

Der hohe Druck, unter dem der Komponist steht, überträgt sich im Film. Zur immensen Arbeit und den Konflikten mit dem Rat kommen die Spannungen in der Familie. Während Bach seinen älteren Sohn Wilhelm Friedemann (Dominik Marcus Singer) sehr schätzt, verweigert er Carl Phillip Emmanuel (Ludwig Simon, im wirklichen Leben der Sohn von Striesow und Maria Simon) brüsk seine Anerkennung. Beide Schauspieler - erstmals gemeinsam vor der Kamera - wirken in dieser Situation sehr authentisch.

Ein Kind verschwindet

Anna Magdalena, wunderbar ausdrucksvoll gespielt von Verena Altenberger, unterstützt ihren Mann rückhaltlos und hält die Familie zusammen. Auch wenn sie darunter leidet, dass ihr Mann in seiner völligen Hingabe an das Werk sie selbst und die Familie ausblendet.

Als der sensible zehnjährige Gottfried die Konflikte nicht mehr aushält und spurlos verschwindet, begeben sich alle auf die Suche. Es ist diese Situation, in der sich schließlich ein anrührendes "Weihnachtswunder" ereignen kann, das sie näher zusammenführt und den Film zu einem historischen Familienfilm mit versöhnlichem Ende macht. Ein zweites passiert kurz darauf in der Thomaskirche mit der doch noch gelingenden und alle ergreifenden Aufführung der ersten Weihnachts-Kantate: "Jauchzet! Frohlocket!"

infobox: "Bach - ein Weihnachtswunder", Fernsehfilm, Regie: Florian Baxmeyer, Buch: Christian Schnalke, Kamera: Sten Mende, Musik: Martina Eisenreich, Produktion: Eikon Media, Epo Film (ARD/MDR/BR/ORF/Degeto,18.12.24, 20.15-21.45 Uhr, ARD-Mediathek, seit 13.12.24)



Zuerst veröffentlicht 15.12.2024 11:00 Letzte Änderung: 17.12.2024 14:31

Renate Kortheuer-Schüring

Schlagworte: Medien, Kritik, Fernsehen, Kritik.(Fernsehen), KARD, KMDR, KBR, KORF, Fernsehfilm, Kortheuer-Schüring, NEU

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