Ein Polizeiskandal - epd medien

16.12.2024 13:00

Nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau im Jahr 2005 haben Journalisten und Justiz vergeblich versucht, die Umstände dieses Todes aufzuklären. Die sechsteilige ARD-Dokumentation "Warum verbrannte Oury Jalloh?" klärt über den großen Justiz- und Polizeiskandal in Sachsen-Anhalt auf.

Die Dokumentation "Warum verbrannte Oury Jalloh?" steht in der ARD-Mediathek

epd "Und irgendwann, wenn nicht wirklich einer die goldbringende Idee hat, was jetzt noch die Sache lösen könnte, muss irgendwann mal Schluss sein", sagt Hanno Schulz, ehemaliger Leiter des Revierkriminaldienstes Dessau am Ende der sechsteiligen ARD-Dokumentation "Warum verbrannte Oury Jalloh?" Der Satz steht symbolisch für einen großen Polizei- und Justizskandal. Seit der Asylbewerber Oury Jalloh am 7. Januar 2005 unter ungeklärten Umständen in der Zelle 5 im Polizeirevier Dessau gestorben ist, konnte man den Eindruck bekommen, dass es der Polizei und der Justiz in Sachsen-Anhalt vor allem darum ging, nicht so genau hinsehen. Es wurde gemauert, ignoriert und immer wieder ein Schlussstrich gefordert.

Die Fragen, die der Fall aufwirft, sind ungeheuerlich: Kann es sein, dass in einer deutschen Polizeistation ein Flüchtling aus Sierra Leone ermordet und im Anschluss verbrannt wurde? Und kann es sein, dass dies bis heute, 20 Jahre danach, nicht juristisch einwandfrei geklärt ist?

Aufklärung der Todesumstände

Die ARD hat über den Fall Oury Jalloh viel berichtet: Über Ermittlungspannen, über den Korpsgeist bei der Dessauer Polizei, über den Rassismus bei der deutschen Polizei und über eine Öffentlichkeit, die wenig Interesse daran hatte zu erfahren, was in jener Nacht wirklich geschehen ist. Jalloh hatte zwar Familie, Freunde und Unterstützer, die sich seit Jahren unermüdlich für die Aufklärung seiner Todesumstände einsetzen, eine Lobby aber hat er nicht. So ist es möglich, dass die Umstände seines Todes nach wie vor unklar sind. Das schält die sechsteilige ARD-Dokumentation von Bence Máté und Anna Herbst heraus.

Wer den Fall Oury Jalloh kennt und sich neue Erkenntnisse von der Dokumentation erhofft, wird enttäuscht sein. Wer aber eine detaillierte Erzählung sucht und dafür gewisse Längen in Kauf nimmt, dem kann man die Dokumentation empfehlen.

Ermittlungspannen

Die Autoren rekonstruieren den Fall. Sie haben dafür mit Journalistinnen wie Margot Overath gesprochen, die sich seit Jahren mit dem Fall beschäftigt, mit Anwälten, Freunden, Sachverständigen und Unterstützern. Neu in der Riege ist Schulz, der behauptet: "Wir verheimlichen nichts, wir würden das alles erzählen, aber der Staatsanwalt will nicht. Wir dürfen nichts sagen, da gibt's sofort beamtenrechtlich richtig Ärger." In der Folge davor, angesprochen darauf, dass bei der Spurensicherung nach Aussagen des Anwalts der Nebenklage zahlreiche Fehler gemacht wurden, erklärte er etwas zu süffisant: "Im Nachgang - Klugscheißen ist immer einfach - muss ich auf alle Fälle sagen, war es nicht perfekt."

Dem Umstand, dass durch diese Ermittlungspannen die Aufklärung des Falles torpediert wurde, wird Schulz' Aussage nicht gerecht. Seine Aussagen, die sich wie ein roter Faden durch die Dokumentation ziehen, vermitteln jedoch eine Ahnung davon, wie es damals zugegangen sein muss bei der Polizei in Dessau - und wie sich diese Haltung bis heute hält.

Gedenken an Oury Jalloh

Seit Oury Jallohs Tod sind jetzt 20 Jahre vergangen. Die Autoren versuchen das Fehlen von Bildern aufzufangen durch Gespräche, sehr viele nachgestellte Szenen, lange Einstellungen auf Häuser und Straßen in Dessau, Polizeifotos, Archivmaterial, Prozessabschriften. Alles wird untermalt mit einer dramatisierenden Musik. Ein Podcast wäre für das Thema sicherlich auch denkbar und vielleicht sogar angemessener gewesen.

Die Reihe "ARD Crime Time" bringt es mit sich, dass ein Spannungsbogen aufgebaut wird, der manches Mal die Konzentration der Zuschauerin arg strapaziert. Zwei Folgen weniger hätten es auch getan, man hätte die Geschichte auch schlanker erzählen können. Manchmal zielen die Autoren zu sehr auf Effekt - das geht auf Kosten der stringenten Erzählweise. Dennoch ist dieser Dokumentation und ihrem wichtigen Sujet zu wünschen, dass die Zuschauerinnen dranbleiben, hält sie doch die Erinnerung an Oury Jalloh wach.

infobox: "ARD Crime Time: Warum verbrannte Oury Jalloh?", sechsteilige Dokumentation, Regie und Buch: Bence Máté, Anna Herbst, Kamera: Jürgen Rehberg, Jonny Müller-Goldenstedt, Tom Bergsteiner, Patrick Brandt u. a., Produktion: Bilderfest (ARD-Mediathek/WDR/SWR/MDR/BR, seit 27.11.24)



Zuerst veröffentlicht 16.12.2024 14:00

Elisa Makowski

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Dokumentation, Reportage, ARD, Jalloh, Mate, Herbst, Makowski, Crime Time

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