Digitale Vergewaltigung - epd medien

18.12.2024 09:20

Die zweiteilige ZDF-Dokumentation "Die Spur: Deepfake-Pornos" mit Collien Ulmen-Fernandes taucht tief ab in die Recherche um Pornofilme, die mithilfe von KI erstellt wurden. Sie vermittelt gut, worum es dabei eigentlich geht: um digitale Gewalt an Frauen.

"Die Spur: Deepfake-Pornos"

epd Es ist ein Satz am Anfang der zweiteiligen ZDF-Dokumentation "Die Spur: Deepfake-Pornos", den man schnell überhört, der aber die Quintessenz der Recherche darstellt: "Doch diese Traumwelten werden für manche zum Alptraum - vor allem für Frauen." Die Rede ist in erster Linie von Bildern und Videos, die mittels Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurden und täuschend echt daherkommen. Im Speziellen, und das ist das Thema des Films, geht es dabei um Pornofilme. Das besondere: Stars wie Taylor Swift sind die Hauptdarstellerinnen - gezwungenermaßen. Sogenannte Deepfake-Pornos bringen Gesichtsfotos von Prominenten zusammen mit Pornovideos von zumeist professionellen Darstellerinnen. Je nachdem wie gut der Fake ist, könnte man also den Eindruck gewinnen, dass Taylor Swift in einem Porno mitgespielt hat.

Macht ausüben und demütigen

Auch prominente Frauen aus dem deutschsprachigen Raum sind Opfer solcher Deepfakes geworden: Collien Ulmen-Fernandes, die neben der Journalistin und Autorin Marie Bröckling durch den Film führt. Aber auch die Moderatorin Mareile Höppner ist Opfer, sie bezeichnet die Deepfake-Pornos von sich als "Missbrauch". Die österreichische Gamerin Pia Scholz, die unter dem Namen "Shurjoka" bekannt ist, und leider nur einen kleinen Part in dem Film bekommt, beschreibt das Phänomen so: "Man versucht damit, Macht über mich auszuüben, und mich zu demütigen."

Die Dokumentation thematisiert also Gewalt gegen Frauen - zwar online und digital - deswegen aber nicht minder schwerwiegend. "Virtuelle Gewalt ist reale Gewalt", sagt Josephine Ballon, Anwältin und Geschäftsführerin der Hilfsorganisation "Hate Aid", die sich gegen digitale Gewalt engagiert: "Das Gehirn kann faktisch nicht unterscheiden, ob es eine Gewalttat im analogen Leben oder im digitalen Raum erlebt hat."

Auf den ersten Blick mag das verwundern, die Berichte der Frauen aber, die gegen ihren Willen mittels KI in Deepfake-Pornos gelandet sind, sprechen eine eindeutige Sprache: Da ist von Scham und Schuld die Rede, davon, dass ihre Sexualität entfremdet werde, sie berichten von Ekel und davon, wie herabwürdigend und schockierend die Filme sind.

Eigentlich ein Kompliment?

Den Frauen, die sich trauen, vor der Kamera davon zu erzählen, ist es zu verdanken, dass die Dokumentation persönlich und zugänglich wird. Zwischendurch wird sie nämlich ein bisschen arg nerdig und streckenweise zu kleinteilig. Investigativjournalistin Bröckling versucht, einen der Täter zu kontaktieren, um herauszufinden, wie solche Deepfakes hergestellt werden, wer dafür wie viel bezahlt und warum jemand so etwas macht. Der Täter möchte anonym bleiben und stellt klare Bedingungen für ein Interview: verzerrte Stimme, das Gesicht soll nicht sichtbar sein. Und dies, wo es doch darum geht, dass er mit seinen Filmen Frauen sichtbar macht.

Die Antworten wirken harmlos: Er sei nicht zu vergleichen mit einem Vergewaltiger, Deepfakes täten niemandem weh, er hasse keine Frauen oder Prominente, er wolle niemanden bloßstellen. Im Gegenteil, die Pornos seien eine Anbetung der Schönheit dieser Frauen, also eigentlich ein Kompliment. Andere schreiben, dass sie vor allem technisches Interesse dazu bringe, Deepfake-Pornos zu erstellen.

Empathie mit den Frauen? Schuldgefühle? Angst vor rechtlichen Konsequenzen? Hat keiner von ihnen.

Befreiung aus der Opferrolle

Insgesamt vermittelt der Film einen guten Eindruck davon, wie solche Filme hergestellt werden, welche wirtschaftliche Kraft dahintersteht, wie die Rechtslage in Deutschland und der Europäischen Union ist, nämlich mau. Die Gesetze hinken Jahre hinterher, das soll sich aber ändern. Der Film verfällt nicht in KI-kritische Technikfeindlichkeit, die KI-kritisch ist. Mit KI nämlich, so stellt der Film heraus, wird es in naher Zukunft möglich sein, solche Deepfake-Pornos in großer Zahl und in relativ kurzer Zeit zu erkennen, um sie dann zu löschen. Und er macht deutlich: Wenn es Opfer gibt, gibt es auch Täter, die zur Verantwortung gezogen werden können und müssen.

Die Opfer übrigens sind nur zu Beginn welche. Über die Dauer des Filmes hinweg kann man Ulmen-Fernandes nämlich dabei zusehen, wie sie sich aktiv aus der Opferrolle befreit und eigene Recherchen anstellt. Man sieht ihr also dabei zu, wie sie die Kontrolle wiedererlangt - inklusive einer Anzeige gegen Unbekannt am Ende der Dokumentation. Diese wird natürlich nicht viel bringen, ein empowerndes Moment hat sie aber doch.

infobox: "Die Spur: Deepfake-Pornos", zweiteilige Dokumentation mit Collien Ulmen-Fernandes, Regie und Buch: Marie Bröckling, Birgit Tanner, Kamera: Steffen Hammerich, Oliver Vogt, Produktion: @Tower Productions (ZDF, 11.12.24 22.15-1.45 Uhr, ZDF-Mediathek seit dem 11.12.24)



Zuerst veröffentlicht 18.12.2024 10:20

Elisa Makowski

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Dokumentation, Reportage, ZDF, Ulmen-Fernandes, Makowski

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