24.12.2024 09:46
epd Kein Leben wurde so oft verfilmt wie das von Jesus Christus, heißt es in der Dokumentation "Jesus Goes To Hollywood", die der Kultursender Arte am ersten Weihnachtstag zeigt. Der Titel mag einen Spielfilm der Marke "Jesus Christ Superstar" versprechen, der Film erzählt tatsächlich aber eher unaufgeregt von der an Aufregungen nicht armen Geschichte des immer wieder verfilmten Lebens und Leidens Jesu. Regisseur Norbert Busè geht in der einstündigen Dokumentation grundsätzlichen handwerklichen Fragen ebenso nach wie Fragen auf der spirituellen Meta-Ebene.
Ein Filmemacher, dies zeigt die Doku in einer renommierten Schneiderei und Kostüm-Werkstatt in Rom eindrücklich, muss sich etwa zunächst überlegen, was Jesus eigentlich getragen haben könnte. Die Kleidung setzt zugleich den Ton eines Films, das galt auch, als dieser noch stumm war ("König der Könige", 1927): Mal ist Jesus in hellen, makellosen Gewändern zu sehen, später in Farben, die sich eher am menschlichen Leben orientieren.
Ist die Ästhetik geklärt, geht es um die Figur Jesus. Und die ist laut der Medienwissenschaftlerin Marie-Therese Mäder, die in "Jesus Goes To Hollywood" als eine von mehreren Expertinnen und Experten zu Wort kommt, immer ein Kind ihrer Zeit. Kam der Erlöser in "Jesus Christ Superstar" deutlich aus der Flower-Power-Phase, zeigte Martin Scorsese in "Die letzte Versuchung Christi" Ende der 1980er-Jahre vor allem das innere Ringen der Figur: die menschliche Natur gegen die göttliche in einem Körper, der wie noch nie zuvor auch eine sexuelle Seite hatte.
Scorsese, selbst frommer Katholik, löste eine Kontroverse aus. Anfang der 2000er Jahre folgte international eine weitere: "Die Passion Christi" von Mel Gibson zeigt die letzten Stunden Jesu, und ist als gesellschaftliche Traumaverarbeitung der Anschläge vom 11. September in New York zu deuten. Finanziell war der Film ein großer Erfolg - trotz oder gerade wegen der vielen Gewalt, die er zeigt. Das Publikum sollte die Ungeheuerlichkeit des Opfers Jesu erkennen und sehen, dass er trotzdem mit Liebe und Vergebung zurückkommt, erklärt Gibson sein Vorgehen in einer der zahlreichen verwendeten Archivaufnahmen.
Dieser Erzählstrang, der sich entlang der Filmgeschichte bewegt und die Figur Jesus in ihren unterschiedlichen Verbildlichungen beleuchtet, endet recht aktuell Anfang der 20er Jahre und ist der spannendste in Busès Film. Es werden Antworten auf die Fragen gesucht, die der Begleittext zur Dokumentation aufwirft: Waren die Kontroversen zu einzelnen Filmen "Ausdruck einer gänzlich neuen Interpretation der Jesus-Geschichte jenseits kirchlicher Dogmen? Was für ein Mensch war Jesus?"
Dass es auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten gibt, ist kein Makel der Dokumentation, sondern logische Konsequenz des untersuchten Gegenstands. Beanstanden ließe sich lediglich, dass "Jesus Goes To Hollywood" wenigstens eine halbe Stunde länger hätte sein können, um den Nebenaspekten, die nur angeschnitten wurden, mehr Raum zu geben. Zum Beispiel, wie sich die dem finanziellen Fiasko entgegenblickenden Filmstudios nach dem Zweiten Weltkrieg der Religion als Publikumsmagneten zuwandten.
Stoff für eine Fortsetzung der Dokumentation gibt es jedenfalls genug. Martin Scorsese plant einen weiteren Jesus-Film, zu dem bisher nicht viel bekannt ist - vor allem kein Erscheinungsdatum. Mehrere Jahrzehnte nach "Die letzte Versuchung Christi" dürfte das Werk aber aus dem filmhistorischen Blickwinkel sehenswert werden, der Regisseur Busè in "Jesus Goes To Hollywood" so wichtig war und zu einiger Erkenntnis führte. Die Jesus-Figur ändere sich mit der Welt, verschwinde aber nicht, sagt der Autor abschließend.
infobox: "Jesus Goes To Hollywood", Dokumentation, Regie und Buch: Norbert Busè, Kamera: René Gorski, Produktion: Doklab, Studio TV Film (Arte-Mediathek/ZDF/SRF, seit 24.12.24; Arte 25.12.24, 22.25-23.30 Uhr)
cph
Zuerst veröffentlicht 24.12.2024 10:46
Schlagworte: Medien, Kritik, Fernsehen, Kritik.(Fernsehen), KArte, KZDF, Busè, Hechler
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