Der Sender mit dem Elch - epd medien

28.12.2024 08:50

Vor 50 Jahren, am 1. Januar 1975, ging der Radiosender SWF3 für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf Sendung. Die Popwelle wurde mit ihrer Mischung aus Musik, Comedy und Information zum erfolgreichsten Radiosender in Deutschland.

Vor 50 Jahren ging SWF3 auf Sendung

SWF3-Gründervater Hans Peter Stockinger mit dem Schwarzwaldelch, dem Maskottchen des Radiosenders

Frankfurt a.M. (epd). Es gab einmal ein deutsches Radioprogramm, dessen Erwähnung noch heute vielen Menschen, die in den 70er und 80er Jahren jung waren, ein Lächeln ins Gesicht zaubert: SWF3 war in den 80er Jahren mit mehr als acht Millionen Hörerinnen und Hörern das erfolgreichste Radioprogramm in Deutschland und weit über das Verbreitungsgebiet Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hinaus bekannt. Die Mischung aus Musik, witziger und intelligenter Moderation, aktuellen Berichten und Comedy war einzigartig. Die Liste der Moderatorinnen und Moderatoren, die das Programm geprägt haben, ist so lang wie legendär: Anke Engelke, Elke Heidenreich, Claus Kleber, Frank Laufenberg, Gerd Leienbach, Frank Plasberg oder Stefanie Tücking sind nur einige Namen, die immer wieder genannt werden.

Gründervater des Programms, das vor 50 Jahren, am 1. Januar 1975, auf Sendung ging, war Hans Peter Stockinger. Der Journalist, der beim "Hohenloher Tagblatt" volontiert hatte, arbeitete Anfang der 70er Jahre bei der aktuellen Redaktion bei SWF1 und hatte dem damaligen Intendanten Helmut Hammerschmidt das Konzept für eine Popwelle nach dem Vorbild von BBC One vorgelegt. Der Intendant ließ sich überzeugen und beauftragte Stockinger, gemeinsam mit fünf weiteren Redakteuren die Popwelle zu entwickeln.

Sprache "ohne Geschmuse"

SWF3 sei das Programm gewesen, das er und seine Kollegen, geprägt von den 68er Jahren, gerne hören wollten, sagt der heute 86-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wir wollten diese Musik hören und waren sehr an den Zeitläuften interessiert. Es war absurd, dass die Radioanstalten diese Bewegung lange ignoriert hatten. Das fand nirgendwo statt."

Stockinger, der zunächst Redaktionsleiter war und später bis 1998 Programmchef, legte großen Wert darauf, dass nicht nur die Musik, die in dem Sender gespielt wurde, anders war, sondern dass auch die Sprache der Moderatorinnen und Moderatoren zu dieser Musik und den Texten passte. Sie sollte direkt sein, ohne "das ganze Geschmuse", das damals noch im Hörfunk üblich war. Die Redaktion ließ sich vom Linguisten Erich Straßner erklären, dass Wiederholungen es den Menschen leichter machen zuzuhören. Es entstand eine Fibel, aus der ehemalige Redakteure noch heute zitieren, zum Beispiel den Satz: "Ein Eichhörnchen ist ein Eichhörnchen ist ein Eichhörnchen und kein putziger Nager." In täglichen Abhörkonferenzen wurden die Moderationen von der ganzen Redaktion beurteilt.

Knut Buttnase und Heinz Schniepelpuhl

Geliebt wurde SWF3 von den Hörerinnen und Hörern aber vor allem wegen der Comedy-Elemente. Da gab es Figuren wie Knut Buttnase, den Rheinländer Heinz Schniepelpuhl mit dem "Ölkännschen" oder Gottfried Penibel. Erfunden wurden sie in den ersten Jahren vor allem von Gerd Leienbach, der die Figuren selbst sprach und viel Zeit im Studio damit verbrachte, die Comedy-Szenen in damals noch analoger Technik zu schneiden. Er erfand auch den Schwarzwaldelch, der zum Maskottchen des Senders wurde.

Elke Heidenreich kommentierte ab 1975 als Metzgersgattin Else Stratmann aus Wanne-Eickel mit Ruhrpottschnauze das aktuelle Zeitgeschehen. Auch Anke Engelke habe durch ihre Mitwirkung an der Comedy-Serie "Feinkost Zipp" ihr komisches Talent entdeckt, sagt Stockinger.

Popradio für denkende Menschen

"Die Zeit" beschrieb SWF3 einmal rückblickend als "Popradio für junge, denkende Menschen". Gerd Leienbach lobte, Stockinger habe "Talente erkannt und gefördert und mit breiter Schulter verteidigt". Diese Talente sind bis heute voll des Lobes über ihn. Sie habe ihm "alles zu verdanken", sagte die Schauspielerin und Komödiantin Anke Engelke. Frank Plasberg bekannte einmal, Stockingers Anspruch wirke in jeder seiner Sendungen fort.

Stockinger selbst sagt: "Es war das Glück meines Lebens, mit diesen tollen Menschen zusammenarbeiten zu können." Im August 1998, als Südwestfunk und Süddeutscher Rundfunk zum Südwestrundfunk fusionierten, wurde aus SWF3 SWR3. Stockinger verließ an jenem Tag das Studio und ging in den Ruhestand. Er wollte seinen 60. Geburtstag nicht als Chef eines Jugendsenders erleben, sagt er. Über den heutigen Sender SWR3 will er sich nicht äußern. Er sei aber "oft entsetzt, wie zynisch Radiomacher über ihr Publikum sprechen", sagt er. SWF3 habe es geschafft, die Menschen zu ergreifen. Wenn ein Sender wie der andere klinge, warnt er, mache sich das Radio entbehrlich.

Diemut Roether Copyright: epd-bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Diemut Roether ist Verantwortliche Redakteurin von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 28.12.2024 09:50

Diemut Roether

Schlagworte: Medien, Hörfunk, Geschichte, SWR3, Roether, dir

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