08.01.2025 10:23
Die Filmförderung ist auch nach der Novellierung eine Baustelle
epd Manchmal ist man positiv überrascht, wie lange unsere Volksvertreter tagen. Am 19. Dezember 2024 um 21.45 Uhr verabschiedete der Deutsche Bundestag in zweiter Lesung das überarbeitete, von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) angestoßene Filmförderungsgesetz (FFG) mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP. Die Reihen im Plenarsaal hatten sich schon gelichtet an diesem Abend, und auf der Strecke blieben auch zwei Vorhaben, für die sich die Kulturstaatsministerin lange starkgemacht hatte: eine Formulierung ökologischer Standards für die Filmproduktion und ein sogenannter Diversitätsbeirat, der die in Berlin ansässige Filmförderungsanstalt (FFA) in Fragen von Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion beraten sollte. Diese Neuerungen wollte die FDP, der kleinste Partner der auseinandergebrochenen Ampel-Koalition, nicht mittragen.
Tatsächlich war es höchste Zeit, das neue FFG zu verabschieden. Am 1. Januar lief das alte Gesetz, das während der Corona-Pandemie schon verlängert worden war, aus. Mitte Dezember hatten noch die Regisseure Wim Wenders, Volker Schlöndorff und Tom Tykwer in einem offenen Brief vor der Gefahr gewarnt, dass der Produktionsstandort Deutschland abgehängt werden könnte, wenn die Novelle nicht verabschiedet wird. Schließlich arbeiten in der Film- und Medienbranche rund 120.000 Menschen.
Das Gesetz ist essenziell für die Branche, es regelt nämlich auch die sogenannte Filmabgabe, die Kinos, Fernsehsender und Streamingportale in die Filmförderungsanstalt einzahlen, das sind immerhin rund 70 Millionen Euro. Das neue FFG sieht eine deutliche Stärkung der FFA vor. Die Fördermittel sollen künftig weitgehend automatisiert nach dem Referenzprinzip vergeben werden: eine Produktionsfirma kann für jeden Film Punkte sammeln durch Zuschauererfolge, Festival-Teilnahmen und Filmpreise. Es zählen allerdings nur der Deutsche Filmpreis, der Europäische Filmpreis und der Oscar. Das dafür bereitgestellte Geld kann dann von den Produktionsfirmen für das nächste Projekt verwendet werden.
Neu ist, dass jetzt auch Drehbuchautoren und Regisseure an den Referenzmitteln beteiligt werden. Die bisherige Projektförderung der FFA, die im Jahr 2023 immerhin rund 14 Millionen Euro betrug, fällt weg. Die Filmförderungsanstalt wird aber in Zukunft auch einen weiteren Topf verwalten, der im BKM angesiedelt war: die jurybasierte kulturelle Filmförderung des Bundes. Außerdem organisiert die FFA weiterhin den Deutschen Filmförderfonds DFFF und den German Motion Picture Fund GMPF. Die Anreizförderung der beiden Fonds, die Fördermittel zur Verfügung stellen, bis das Geld aufgebraucht ist, wurde auf 30 Prozent der Herstellungskosten angehoben. Dieser Prozentsatz war in der Diskussion über die Novelle von der gesamten Branche als notwendig bezeichnet worden.
Dass der Bundestag die Novellierung der Filmförderung beschlossen hat und dass auch der Bundesrat zugestimmt hat, sind gute Nachrichten. Für die Produktionsfirmen bedeutet das zunächst eine gewisse Planungssicherheit, daher hat die Produktionsbranche die Novellierung ziemlich einhellig begrüßt.
Doch es gibt weit mehr schlechte Nachrichten und Fallstricke. Denn die große Reform der Filmförderung des Bundes ist nicht gelungen. Die Reform der FFA sollte nach dem Willen der Bundeskulturministerin nur ein Baustein unter mehreren sein. Die Fonds mit ihren endlichen Mitteln sollten durch ein Steueranreizmodell ersetzt werden, das mit Steuernachlässen für die Produktionsfirmen operiert. Andere Länder wie Großbritannien, Italien, Spanien oder Tschechien arbeiten längst mit einem solchen Modell, aufwendige Produktionen wandern daher häufig in diese Länder ab.
Die Programmanbieter sollten zudem mit einer Investitionsverpflichtung, die es auch in anderen Ländern gibt, zur Kasse gebeten werden. Dagegen haben sich sowohl die Privatsender als auch ARD und ZDF in der öffentlichen Anhörung zum Filmförderungsgesetz gewandt, mit dem Argument, dass diese Verpflichtung in die Rundfunkfreiheit und Programmautonomie der Sender eingreife.
Claudia Roth hatte zudem Absprachen mit den Länderfilmförderungen angekündigt, doch auch davon hat man nichts weiter gehört. Das automatisierte Referenzprinzip der FFA soll zu einer Beschleunigung der Abläufe führen. Das bringt aber nichts, wenn die anderen Förderer nicht mitziehen - und bei den meisten Länderfilmförderungen sind nach wie vor Jurys für die Vergabe zuständig.
Nun kann man der Kulturstaatsministerin nicht anlasten, dass die Ampel zerbrochen ist. Sicherlich aber, dass ihr Haus viel zu lange brauchte, um die große Reform auf den Weg zu bringen. Die Vorschläge lagen schon lange auf dem Tisch, Vorbilder für ein Steueranreizsystem gibt es zuhauf: selbst US-Bundesstaaten (wo es angeblich keine Filmförderung gibt) machen seit Jahrzehnten ihre Regionen durch Steueranreize für Dreharbeiten attraktiv.
Die Kardinalfrage an das neue Gesetz ist aber, ob kulturelle Aspekte ausreichend berücksichtigt werden, und da fällt die Antwort eher negativ aus. Zum einen bleibt offen, ob der Wegfall der bisherigen Projektfilmförderung durch die FFA durch das Referenzprinzip kompensiert werden kann. Denn bei der Projektförderung zählt nur das Projekt, nicht der vorherige Erfolg, der in Referenzpunkten und Zuschauern erfasst wird. Hier hatten auch neue Produktionsfirmen eine Chance.
ARD und ZDF jedenfalls beklagen den Wegfall dieser Förderung und befürchten, dass international viel beachtete Filme wie "Lieber Thomas", "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush", "Das Lehrerzimmer" oder "In einem Land, das es nicht mehr gibt", an denen auch die Sender beteiligt waren, "in Zukunft schwer bis unmöglich werden, denn ein Film wird dann in erster Linie in der Hoffnung auf Erfolg finanziert".
Zum anderen lässt das neue Filmförderungsgesetz die Anrechnung des Prädikats "besonders wertvoll" der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) nicht mehr zu. Durch dieses Prädikat der FBW konnte jahrzehntelang die Schwelle für die Referenzförderung gesenkt werden. Benötigte ein Filmvorhaben bis zu acht Millionen Euro - was eine übliche Produktionssumme für das Gros der deutschen Filmproduktion ist - 150.000 Referenzpunkte, so senkte das Prädikat "besonders wertvoll" sie auf 100.000. Bei Debüt- und Kinderfilmen reduzierte es die Referenzschwelle von 50.000 auf 25.000 Punkte.
Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf im Juli noch gefordert, die beiden Prädikate "besonders wertvoll" und "wertvoll" zu berücksichtigen, das BKM hat sich aber darüber hinweggesetzt. Das Gütesiegel der von den Ländern betriebenen FBW war bislang das einzige anzurechnende Kriterium für die Referenzfilmförderung außerhalb der Festival-Teilnahmen von Filmen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, es aus dem FFG zu streichen.
Einzige Kriterien für kulturelle Referenzpunkte sind nun nur noch Festival-Teilnahmen und dort gewonnene Preise. Man kann diese Liste nach einigem Suchen auf der Seite der FFA nachlesen. Laut "Richtlinie D.2" werden vor allem ausländische Festivals berücksichtigt, wegen ihrer Schaufensterfunktion für den deutschen Film. Eine Teilnahme beim Festival in Cannes bringt demnach 100.000 Referenzpunkte, der Gewinn eines Preises sogar 200.000. Doch viel kulturelle Referenz kann von dort nicht kommen, denn: wie oft haben es in den letzten Jahren deutsche Filme in den Wettbewerb von Cannes geschafft oder ihn sogar gewonnen?
Die Liste erkennt nicht an, dass gerade viele kleine Filme oft eine große Runde auf internationalen wie nationalen Festivals drehen und dort möglicherweise von mehr Zuschauern gesehen werden als später im Kino. Sie gewinnen dort Preise, die nicht anrechenbar sind. Bei den deutschen Festivals bringt nur die Teilnahme an der Berlinale und den Filmfestivals in München und Saarbrücken jeweils 50.000 Punkte - vorausgesetzt, der Film gewinnt den Wettbewerb. Diese Liste muss dringend reformiert werden, sonst bleibt die Kultur draußen.
Copyright: epd-Bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Rudolf Worschech war bis 2023 Leitender Redakteur von epd film.
Zuerst veröffentlicht 08.01.2025 11:23
Schlagworte: Medien, Filmproduktion, Filmförderung, Medienpolitik, Worschech
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