Medienforscher Pörksen: Großangriff auf unabhängigen Journalismus - epd medien

10.01.2025 11:13

Nach dem Gespräch zwischen dem amerikanischen Tech-Unternehmer Elon Musk und der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel bei X warnt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen davor, dass Plattformen wie X die Öffentlichkeit zerstören.

Bernhard Pörksen bei den Medientagen München 2024

Köln (epd). Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen warnt vor einem "noch unverstandenen Großangriff auf den unabhängigen Journalismus". Im Deutschlandfunk sagte Pörksen am Freitag: "Das, was wir Öffentlichkeit nennen, also dieser geistige Lebensraum einer liberalen Demokratie, hat, hemdsärmlig gesagt, ein Problem mit sehr reichen, sehr mächtigen Journalismus-Verächtern."

Diese griffen Journalistinnen und Journalisten frontal an und stellten sie als Volksfeinde und Produzenten von Falschnachrichten dar, sagte Pörksen. Nach dem Gespräch von US-Tech-Milliardär Elon Musk und AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel bei der Plattform X plädierte er dafür, das "größere Bild" in den Blick zu nehmen.

Ernstes demokratiepolitisches Problem.

Pörksen sagte, die sogenannten Gatekeeper (Torwächter) seien nicht verschwunden, stattdessen seien sie viel mächtiger geworden und kämen nicht mehr aus dem Journalismus. Bei X sitze Musk als Chef der Plattform alleine "im Maschinenraum". Er lasse antisemitische Posts stehen, sorge dafür, dass seine eigenen Beiträge den Nutzerinnen und Nutzern bevorzugt angezeigt werden und hetze "den Online-Mob" nach Belieben. Diese Machtkonzentration sei ein "ernstes demokratiepolitisches Problem". Die Symbiose aus ökonomischer, medialer und politischer Macht, komme "im Gewand einer anti-autoritären, rebellischen Sprache" daher.

Zum Gespräch zwischen Musk und Weidel am Donnerstagabend auf der Plattform X sagte Pörksen, dass Musk über die Standpunkte der AfD "weitgehend kenntnislos" sei. "Es war sicher versuchte Wahlkampfhilfe", sagte der Medienwissenschaftler. Entscheidend sei aber nicht der Inhalt gewesen, sondern die Botschaft für die AfD. Diese laute, dass einer der mächtigsten Menschen der Welt - ein "Schattenpräsident in den USA" - die Partei "richtig gut" finde.

Der Kölner Medienwissenschaftler Martin Andree hatte am Donnerstagabend im "Heute Journal" gesagt, es sei offensichtlich, dass Musk X für seine Interessen instrumentalisiere. In den USA gebe es jetzt eine "Koalition aus Politik und Big Tech". Auch die starken rechtspopulistischen Bewegungen in Europa seien bereits synchronisiert "mit Big Tech und der Trump-Regierung".

Der AfD-Politikerin Weidel warf Andree vor, sie werfe Nebelkerzen, wenn sie behaupte, es gebe Zensur im öffentlichen Diskurs. "Es gibt keine Zensur", sagte er. Das eigentliche Problem sei "die unglaubliche Meinungsmacht von Big Tech". Die Inhalte der Plattformen würden kontrolliert durch die Tech-Konzerne, die bestimmten, was in der Öffentlichkeit gezeigt werde.

Hochschulen verlassen X

Aus Protest gegen die zunehmende Radikalisierung des Diskurses auf X haben mehr als 60 deutsche Hochschulen und Forschungsinstitutionen ihren Rückzug von der Plattform angekündigt. Angesichts der Veränderungen bei X sei für die Institutionen eine weitere Nutzung der Plattform nicht mehr vertretbar.

In den vergangenen Monaten hatten bereits einzelne Hochschulen und Kulturinstitutionen angekündigt, dass sie X nicht mehr nutzen wollen Auch die Evangelische Kirche und die Diakonie in Frankfurt und Offenbach sowie die Mitteldeutsche Kirche haben den Social-Media-Kanal X in den vergangenen Tagen verlassen.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes Ferda Ataman hatte die Bundesregierung am Mittwoch aufgefordert, X zu verlassen. "Wenn man sich das Grundgesetz anguckt oder auch unsere Ansprüche an Demokratie, unsere Ansprüche an diskriminierungsfreien Diskurs, dann kann man eigentlich nicht mit gutem Gewissen auf dieser Plattform weiter als staatliche Stelle präsent sein", sagte sie.

cph/dir



Zuerst veröffentlicht 10.01.2025 12:13 Letzte Änderung: 10.01.2025 16:26

Schlagworte: Medien, Internet, Wahlen, Plattformen, X, Pörksen, NEU

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