HateAid-Studie: Mehrheit politisch Engagierter erlebt digitale Gewalt - epd medien

15.01.2025 13:58

Digitale Gewalt trifft laut einer Studie über die Hälfte der politisch Engagierten. Die Folge: Immer mehr Politikerinnen und Politiker ziehen sich zurück. HateAid fordert deshalb konsequenten Schutz und Maßnahmen gegen Online-Hass.

Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin von HateAid

Berlin (epd). Mehr als die Hälfte politisch engagierter Menschen erlebt einer Studie zufolge Anfeindungen im Internet. 58 Prozent aller Befragten geben an, schon einmal digitale Gewalt erfahren zu haben, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung der TU München in Kooperation mit der Menschenrechtsorganisation HateAid zeigt. Frauen sind mit 63 Prozent häufiger betroffen als Männer (53 Prozent).

Laut HateAid-Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg verändern Hass und Lügen, denen politisch aktive Menschen ausgesetzt sind, die Art und Weise, wie sie Politik machen, handeln und kommunizieren. Diese Entwicklung sei alarmierend. "Denn wenn sich immer weniger Menschen trauen, sich in unserer liberalen Demokratie zu engagieren, dann verlieren wir alle", sagte sie bei der Vorstellung der Studie.

Formen geschlechtsspezifischer Gewalt

Neben Angriffen auf ihre politischen Positionen erleben weibliche Engagierte häufig auch Formen geschlechtsspezifischer Gewalt. Fast ein Viertel der Frauen gab an, Androhungen sexueller Gewalt wie Vergewaltigungsandrohungen erhalten zu haben, heißt es in der Untersuchung. Männern wurde demnach häufiger mit anderen Formen körperlicher Gewalt wie Schlägen oder Mord gedroht.

Bei Drohungen bleibe es oft nicht. "Hass im Netz kann zur Radikalisierung und damit auch zu Hassverbrechen im analogen Raum führen", schreiben die Autorinnen der Studie. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Mehrheit (71 Prozent) der politisch Engagierten, die schon einmal digitale Gewalt erlebt haben, auch häufiger von Gewalt im analogen Raum betroffen ist. Mehr als die Hälfte der Betroffenen äußerte Angst davor, allein zu Hause zu sein oder hatte Sorge um ihre Familien und Freundinnen und Freunde.

Dialekt und Kleidung werden kommentiert

Die Vizepräsidentin des Bundestags, Yvonne Magwas (CDU), kennt Anfeindungen im Internet. Menschen in den sozialen Medien kommentieren ihren Dialekt und ihre Kleidung und bezeichnen sie als "Völkermörderin". Die Bedrohungen hätten in den vergangenen Wochen und Monaten zugenommen. "Das raubt Kraft und geht an die Substanz", sagte sie. Die zunehmende Hetze sei einer der Gründe für ihren im Sommer angekündigten Rückzug aus der Politik gewesen.

Magwas ist nicht die einzige Politikerin, die angekündigt hat, aufgrund des Ausmaßes von Drohungen und Diffamierungen im digitalen Raum nicht mehr kandidieren zu wollen. Das spiegelt sich auch in der Studie wider. Demnach denken 22 Prozent der betroffenen Frauen und 10 Prozent der Männer über einen kompletten Rückzug aus der Politik nach.

Appell an Staat und Zivilgesellschaft

"Der Staat und die Zivilgesellschaft müssten dafür sorgen, dass Politikerinnen und Politiker ihr Engagement sicher ausführen können", forderte von Hodenberg. Dafür appelliert HateAid an die Parteien, spezialisierte Anlaufstellen einzurichten, um Betroffene bei der Sicherung von Beweisen, bei Meldungen und Strafanzeigen zu unterstützen. Darüber hinaus müssten Justiz und Strafverfolgung Verfahren zügiger verfolgen, und Social-Media-Plattformen sollten stärker in die Pflicht genommen werden, gewaltfördernde Algorithmen zu regulieren und gemeldete Inhalte schneller zu entfernen.

Für die nicht-repräsentative Studie "Angegriffen&alleingelassen: Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Ein Lagebild." wurden insgesamt 1.114 politisch engagierte Personen befragt, die auf unterschiedlichen politischen Ebenen und in unterschiedlichen Berufsfeldern tätig sind.

kps



Zuerst veröffentlicht 15.01.2025 10:57 Letzte Änderung: 15.01.2025 14:58

Schlagworte: Medien, Kriminalität, Internet, HateAid, kps, Hodenberg, NEU

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