Musiker im Dilemma - epd medien

20.01.2025 12:19

Die Arte-Dokumentation "Richard Strauss im Zwielicht" beleuchtet die Rolle des bedeutenden Komponisten während der Nazi-Diktatur: Er sei zwar kein Nazi gewesen, aber er habe kooperiert und auch profitiert.

Strauss musste "enorm vielgleisig fahren", sagt der Bariton Aeneas Humm

epd Die Debatten über die Rolle von Künstlern in Diktaturen haben auch den Blick auf Richard Strauss geschärft. Der vielseitige Musiker gilt als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sein Irrglaube, unter den Nazis eine unpolitische Position einnehmen zu können, wird allerdings kritisch bewertet. In ihrer Dokumentation beschäftigen sich Holger Preuße und Philipp Quiring mit Leben und Werk eines musikalischen Genies, das von den Machthabern für ihre Zwecke instrumentalisiert wurde.

Richard Strauss (1864-1949) war ein Wunderkind. Der Autodidakt begann schon mit sechs Jahren zu komponieren. Er erschloss neue Klangwelten. Am Ende seines Lebens galt sein Werk, das über die Musikhistorie reflektierte und in das auch psychoanalytische Aspekte einflossen, gar als postmodern. An diesem Superstar kamen die Nationalsozialisten nicht vorbei.

Illusion der Neutralität

Die Dokumentation erinnert daran, dass der Komponist politisch eher konservativ bis rechts einzuordnen war. Der Weimarer Demokratie stand er ablehnend gegenüber. In Hitlers Machtübernahme erblickte er eine Chance, seine musikalischen und urheberrechtlichen Interessen besser durchzusetzen. Preuße und Quiring zeichnen nach, dass Strauss die Illusion hegte, er könne sich nach seiner Ernennung zum Präsidenten der Reichsmusikkammer (RMK) im Jahr 1933 durch Joseph Goebbels politisch neutral verhalten. Die Ausgrenzung jüdischer Kollegen trieb er zwar nicht aktiv voran, verhinderte sie aber auch nicht.

Ein Brief aus dem Jahr 1935, in dem er seinen wichtigsten Librettisten Stefan Zweig zu einer weiteren Zusammenarbeit bewegen wollte, dokumentiert Strauss' Haltung: "Für mich existiert das Volk erst, wenn es Publikum wird. Ob dasselbe aus Chinesen, Oberbayern, Neuseeländern oder Berlinern besteht." Über dieses Schreiben, das abgefangen wurde, waren Hitler und Goebbels nicht amüsiert. Es kam zum Eklat. Wie der Film aufzeigt, war der berühmte Musiker für das braune Regime aber zu wichtig, um ihn kaltzustellen. So rückte man ihn 1936 bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele im Berliner Olympiastadion ganz bewusst ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit.

Wer tritt herein, so fesch und schlank? Es ist der Freund Minister Frank.

Dieser Auftritt bringt das Dilemma des Musikers auf den Punkt: Einerseits nutzte er die Gelegenheit für internationales Renommee, zugleich agierte er dabei als willfährige Marionette für jene Nationalsozialisten, die seine jüdische Schwiegertochter Alice Strauss deportieren wollten. Obwohl der Komponist persönlich nach Theresienstadt reiste, um das Leben von Alices Großmutter Paula Neumann zu retten, kamen sie und etwa 20 weitere jüdische Verwandte von Strauss durch den braunen Terror um.

Nein, ein Nazi, so das Fazit dieser Dokumentation, war Richard Strauss nicht. Aber er kooperierte mit dem Hitler-Regime und profitierte zuweilen davon. Ein naher Freund war Hans Frank, später "der Schlächter von Polen" genannt, der für die Ermordung Hunderttausender Juden verantwortlich zeichnete und dafür sorgte, dass Strauss in seiner Garmischer Villa keine Kriegsflüchtlinge aufnehmen musste. Der Komponist dankte es ihm mit einem Frank gewidmeten Lied: "Wer tritt herein so fesch und schlank? / Es ist der Freund Minister Frank."

Stakkato der Talking Heads

Sollte man also lieber einen Bogen um die Musik von Richard Strauss machen? Als "Sänger mit jüdischen Wurzeln" erklärt der schweizerische Bariton Äneas Humm: "Ich glaube, Richard Strauss' Werke nicht aufzuführen, würde dem Ganzen keinen Gefallen tun."

Der Film zeichnet ein differenziertes Bild des Komponisten, wirkt formal allerdings hier und da auch etwas schwerfällig. So kommen zu viele Wissenschaftler und Musiker zu Wort, deren Statements zuweilen wie ein Stakkato der Talking Heads aneinander gereiht sind. Erfreulich ist, dass die Dokumentation sich viel Zeit nimmt, um zahlreiche Kompositionen ausgiebig vorzuspielen und ihre raffinierten Feinheiten zu kommentieren - mit Ausnahme der wohl bekanntesten Strauss-Komposition, der Tondichtung "Also sprach Zarathustra".

Mithilfe von Archivfilmen, in denen der Komponist selbst zu sehen ist, gibt die informative Dokumentation einen atmosphärischen Rückblick in die 1930er Jahre. Der nachgestellten Szenen mit einem Richard-Strauss-Darsteller, die an die Schwarzweiß-Ästhetik dieser Archivaufnahmen angeglichen und per Insert kenntlich gemacht werden, hätte es da gar nicht bedurft.

infobox: "Richard Strauss im Zwielicht. Der Komponist und das 'Dritte Reich'", Dokumentation, Regie und Buch: Holger Preuße, Philipp Quiring, Kamera: Sebastian Hattop, Björn Düseler, Sebastian Felsch, Produktion: Sounding Images (Arte/BR/SRF, 5.1.24, 23.05-0.00 Uhr, Arte-Mediathek bis 4.4.25)



Zuerst veröffentlicht 20.01.2025 13:19

Manfred Riepe

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KArte, Dokumentation, Strauss, Preuße, Quring, Riepe

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