Fast Food - epd medien

23.01.2025 11:18

Nicht nur der Titel der ARD-Dokumentation "Donald Trump - Schicksalsjahre eines Präsidenten" wirkt verunglückt, nach Ansicht von René Martens bleibt der ganze Film inhaltlich weit hinter dem zurück, was man von der ARD erwarten dürfte.

Donald Trump im Wahlkampf 2024

epd Der Spielfilm "Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin" von 1957 scheint leitende Redakteure vieler ARD-Landesrundfunkanstalten sehr geprägt zu haben. Zahlreiche Titel von Dokumentationen deuten jedenfalls darauf hin. Seit 2022 liefen beispielsweise "Die Queen - Schicksalsjahre einer Königin", "Harry - Schicksalsjahre eines Prinzen", "Charles - Schicksalsjahre eines Königs", "Kennedy - Schicksalsjahre eines Präsidenten" und "Angela Merkel - Schicksalsjahre einer Kanzlerin". Zum zweiten Amtsantritt Donald Trumps als US-Präsident Anfang kommt nun auch noch "Donald Trump - Schicksalsjahre eines Präsidenten" dazu.

Die Titelgebung des aktuellen Dreiteilers in dieser quasi inoffiziellen Reihe deutet darauf hin: Die Vernarrtheit in den Begriff "Schicksalsjahre" ist so groß, dass man auch in Kauf nimmt, sich weltpolitische Instinktlosigkeit nachsagen zu lassen. Wenn "Donald Trump - Schicksalsjahre eines Präsidenten" möglich ist, ist auch "Wladimir Putin - Schicksalsjahre eines Kriegsherrn" nicht undenkbar.

Royale Anklänge

Claire Walding, Co-Autorin des Dreiteilers über Trump, hat auch die "Schicksalsjahre"-Filme über die Queen, Harry und Charles gedreht, daher verwundert es nicht, dass es hier an Elementen nicht fehlt, die man in Dokumentationen zu royalen Themen findet. Die Tatsache, dass Donald Trump bei der Beerdigung seines Vaters eine Trauerrede hielt, in der er vor allem über sich selbst sprach, veranlasst die Autorinnen zu der Frage "Ist es Donalds Art, sich für eine lieblose Kindheit zu rächen?" Man erfährt, dass Trump die Scheidung von seiner ersten Frau einst "hart" getroffen habe. "Er verließ die Wohnung nicht mehr, bestellte sich nur noch Hamburger", sagt dazu die Trump-Biografin Martha Brockenbrough. Aber möchte man wissen, ob Donald Trump vor einigen Jahren mal den Scheidungs-Blues hatte?

Es mag ungerecht wirken, Inhalte mit royalen Anklang herauszustellen. Zu Wort kommen schließlich auch Expertinnen wie Annika Brockschmidt, die im deutschsprachigen Raum kundigste Analytikerin des Rechtsrucks der Republikanischen Partei, und Barbara Perry, Historikerin und Direktorin für Presidential Studies an der University Virginia. Zu Trumps Rede, die er 2016 auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner hielt, bemerkt Perry: "Mein Mentor war Holocaust-Überlebender. Er sagte: 'Eine solche Rede habe ich nicht mehr gehört, seitdem ich 1937 als deutscher Jude vor den Nazis geflohen bin.'''

Trumps Narrative

Solche Äußerungen können in dieser Mischung aus Human Touch, ständigen Soul-, Rock- und HipHop-Hit-Einsprengseln und gelegentlicher Ironie, die Sprecherin Anna Thalbach ins Spiel bringt, aber kaum ihre Wirkung entfalten. Dem epochalen globalen Bruch, den die zweite Präsidentschaft Trumps bedeutet, wird der Dreiteiler allein schon in seiner Form nicht einmal im Ansatz gerecht.

Ein weiterer grundsätzlicher Makel: "Schicksalsjahre eines Präsidenten" verharmlost Trump zwar nicht (wenn man mal vom Titel absieht), aber die Autorinnen perpetuieren Narrative, die sein Lager verbreitet. Gleich zu Beginn ist davon die Rede, er habe gegen Kamala Harris einen "Erdrutsch-Sieg" errungen. Dass Trump mit 77,3 zu 75 Millionen Stimmen siegte, spricht nicht dafür. Auch die entscheidende Zahl der gewonnenen Wahlleute (312) ist nicht sonderlich beeindruckend. Barack Obama gewann bei seinen Siegen 365 beziehungsweise 332 Wahlmänner, Ronald Reagan 1984 sogar 525.

Große Lücken

Ähnlich geht es weiter: Die Autorinnen spinnen die mediale Inszenierung von Trump als unerschrockenem Kämpfer fort, die sich im Juli 2024 verbreitete, als er bei einer Veranstaltung Sekunden, nachdem auf ihn geschossen worden war, siegesgewiss die Faust reckte. Das NDR-Medienmagazin "Zapp" wies seinerzeit darauf hin, dass es von dem Ereignis auch Bilder gab, in denen Trump verängstigt wirkte: "Wenn Medien darüber entscheiden, welches Bild sie verbreiten, entscheiden die auch darüber, welches Narrativ sie über Donald Trump verbreiten. Videos der Situation zeigen, dass die heroische Szene nur ein kurzer Augenblick war." Dass Trump im Wahlkampf mehrere wirre Reden mit weitgehend nicht dechiffrierbaren Passagen hielt, fällt hier völlig unter den Tisch.

Andererseits kommt es einem fast banal vor, auf zu kurz kommende Themenaspekte hinzuweisen. Denn dass dieser Dreiteiler - die Mediatheken-Fassung ist 72 Minuten, die lineare Einzelfilm-Fassung eine Stunde lang - große Lücken hat beziehungsweise wichtige Ereignisse und Entwicklungen nur schlaglichtartig streifen kann, liegt ja in der Natur der Sache.

Man darf und muss von der ARD mehr erwarten.

Trumps skandalöse Reaktion auf das tödliche Attentat eines Rechtsextremisten in Charlottesville, seine Corona-Politik, der Sturm aufs Kapitol, die Ermittlungen und Urteile gegen ihn - in Teil zwei und drei rasen die Autorinnen im Eurostar-Tempo durch die Jahre 2016 bis 2024, und es stellt sich die Frage, für welche Zielgruppe dieser fluffige Häppchen-Dokumentarismus eigentlich gedacht ist. Offenbar für Menschen, die es in den vergangenen Jahren geschafft haben, wegzuhören und wegzusehen, wenn der Name Donald Trump in den Medien auftauchte.

Letztlich ist "Donald Trump - Schicksalsjahre eines Präsidenten" wie ein Fast-Food-Gericht mit sehr sparsam beigemengten gesunden Zutaten. Man darf und muss von der ARD mehr erwarten.

infobox: "Donald Trump - Schicksalsjahre eines Präsidenten", dreiteilige Dokumentation, Regie und Buch: Claire Walding, Inga Turczyn, Kamera: Chris Marlies, Frank Menzel, Produktion: Looks Film (ARD-Mediathek/SWR/NDR seit 17.1.25, ARD, 20.1.25, 20.15-21.15 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 23.01.2025 12:18 Letzte Änderung: 23.01.2025 12:28

René Martens

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Martens, NEU

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