29.01.2025 09:06
epd Es ist nicht so, dass die Geschichte neu wäre. Wirklich nicht. Die Beatles in Hamburg, eine Band von zunächst fünf jungen Rockfans aus Liverpool, die eine Verkettung von günstigen Gelegenheiten nach St. Pauli, in das schillernde Viertel an der Elbe geführt hat. Dort wurden sie zu den sagenhaften, an der Härte der Pflastersteine geschulten Musikern, die wenig später weltweit jungen Generationen zu musikalischem Selbstausdruck verhalfen. John Lennon sagte später einmal: "Wir wurden in Liverpool geboren, erwachsen geworden sind wir in Hamburg."
John und Paul, die zuvor in Liverpool mit ihrer Band The Quarrymen Rock'n'Roll-Klassiker nachgespielt hatten, der gerade einmal 17 Jahre alte George, dazu Johns Kunstschul-Kommilitone Stu Sutcliffe und Pete Best, den wenig mehr als der Besitz von zwei Trommeln zum Schlagzeuger qualifizierte - man kennt es. Die ruppigen Verhältnisse in den Clubs an der Großen Freiheit und auf der Reeperbahn - Indra, Kaiserkeller, Star-Club, Top Ten -, wo die jungen Musiker sieben Nächte die Woche acht Stunden lang auf den Bühnen eine pharmazeutisch angetriebene, harte Rock-Show abzogen, die miesen oder auch nicht ganz so miesen Entertainment-Geschäftemacher im Rotlichtmilieu von St. Pauli, Bruno Koschmider, Horst Fascher und wie sie alle heißen.
Fünf junge Typen, "die man von der Leine gelassen" und in das verruchte Umfeld gesteckt hatte, auf Tuchfühlung mit Transvestiten, Stripperinnen, Kiez-Arbeitern, untergebracht in einer räudigen Unterkunft ohne Licht und Frischluft hinter dem Bambi-Kino. Schließlich der spürbare Lerneffekt, die Bühnenroutine, der Style-Wandel hin zum rauhen Leder und schließlich zurück zu den Uniform-Anzügen, die ihnen ihr neuer Manager Brian Epstein überzog - all das ist unzählige Male erzählt und bebildert worden: Geschichte. Legende.
Vier Mal kamen die Beatles zwischen August 1960 und dem 31. Dezember 1962 nach Hamburg, spielten mehr als 250 Konzerte, machten erste Aufnahmen mit dem schon länger in Hamburg lebenden Tony Sheridan, heuerten auf Druck des Produzenten George Martin den professionelleren Schlagzeuger Ringo Starr an, und als sie schließlich nach Liverpool zurückkehrten, waren sie eine Super-Liveband, die kurz darauf "Please Please Me" einspielte, den ersten Hit. The Beatles waren geboren.
Etwas prekärer wird die Geschichte, wenn man sie wie der Liverpooler Dokumentarfilmer Roger Appleton aus der Perspektive der Gegenwart im Rückspiegel betrachtet. Appleton kennt sich aus im Bilderfundus im Umfeld der Beatles, in seiner Vita stehen Dokus über das musikalische Weltkulturerbe aus Liverpool und mit "Get Back" (2016) und "Looking for Lennon" (2018) hat er den Fokus geschärft, aber dennoch ist vor allem das historische Material, das er für seine Dokumentation "Die Beatles in Hamburg" zusammengesucht hat, etwas dürftig.
Sicher, es gibt Tonaufnahmen und Fotografien von den Beatles in Hamburg, es gibt Ton-Mitschnitte von Interviews mit John Lennon und Paul McCartney, aber auch die sind im Rückblick entstanden und filmfüllend sind sie nicht. Appleton weiß, wie er sich behelfen kann. Zum einen stellt er der Geschichte der Beatles in Hamburg ein Kapitel mit historischen Filmschnipseln voran, in dem er - dramaturgisch eher unverbunden - die Bedeutung von Liverpool und Hamburg als wichtige Seehäfen und ihre Zerstörung durch die Bombardierungen des Zweiten Weltkrieg spiegelt. Dazu greift er in seine umfangreiche Adressendatei, schon vor Jahren hat er die engsten Freunde der Band in Hamburg vor die Kamera geholt, Astrid Kirchherr, Jürgen Vollmer und Klaus Voormann. Die Hamburger Musikerin Stefanie Hempel, die einen Beatles-Rundgang auf St. Pauli entwickelt hat, lässt er die damaligen Verhältnisse im Kiez erklären.
Die Atmosphäre auf den Bühnen stellt er mit einer Band nach, die als Platzhalter nur von hinten gefilmt wird. Und wo ihm keine filmischen Bilder zur Verfügung stehen, hat er den Grafiker Klaus Voormann gebeten, Leerstellen mit Zeichnungen aufzufüllen. So sieht der Film zwar gut aus, er schafft es aber nicht, eine Dringlichkeit zu vermitteln, die über das hinausweist, was man schon an anderer Stelle gesehen hat.
infobox: "Die Beatles in Hamburg", Dokumentation, Regie und Buch: Roger Appleton, Kamera: Felix Lübbert, Darren Brady, Produktion: Brightmoon Media Production (Arte/ZDF, 10.1.25, 22.35-23.30 Uhr, Arte-Mediathek bis 9.4.25)
Zuerst veröffentlicht 29.01.2025 10:06 Letzte Änderung: 30.01.2025 11:44
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KArte, NEU
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