15.02.2025 09:45
epd Um es vorwegzunehmen: Komplett "impossible" ist die Abschiebung von Menschen ohne Bleiberecht, die zudem noch kriminell geworden sind, nicht. Aber sie ist mühsam, kompliziert und nicht billig, wie die Reportage von Olaf Sundermeyer zeigt: weil die Abzuschiebenden nicht in ihrer gemeldeten Unterkunft anzutreffen sind; weil viele unterschiedliche Behörden beteiligt sind, die sich oft gegenseitig blockieren; weil die Herkunftsländer sich weigern, Geflüchtete wieder aufzunehmen oder die Verhältnisse dort eine Rückführung nicht erlauben.
Über Monate hat der RBB-Reporter die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburg (ZAB) bei zwei konkreten Fällen begleitet: der des Tschetschenen Saur M. - ein Intensivstraftäter, der aber auch Frau und drei kleine Kinder in Deutschland hat. Und der Fall eines Syrers, der freiwillig nach Syrien zurückkehren will. Beides zieht sich jedoch hin.
Das ist vor allem der hiesigen Bürokratie mit unterschiedlichsten Zuständigkeiten und Entscheidungen geschuldet, die zumindest in diesem Film einfach nicht nachvollziehbar sind: Da kann Saur M. endlich festgenommen werden, auf dessen Konto nachweislich 64 Straftaten gehen, dessen Asylantrag bereits vor zwei Jahren abgelehnt wurde und der nun über Georgien ausgewiesen werden soll. Der Abschiebeflug soll zwei Tage später gehen, bis dahin soll er möglichst in "Abschiebegewahrsam" verbleiben. Abschiebehaftanstalten gibt es in Brandenburg nicht - eine Entscheidung der Landespolitik, deshalb müsste der Betreffende im Fall einer angeordneten Haft erst nach Dresden oder auch ins sieben Autostunden entfernte Ingelheim verbracht werden.
In Saur M.s Fall entscheidet die zuständige Haftrichterin allerdings, dass der Tschetschene nicht in Abschiebegewahrsam muss, weil "keine Fluchtgefahr" bestehe, schließlich habe er Familie hier. Das können zwar weder die ZAB-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter noch die Zuschauer nachvollziehen, denn die menschliche Logik lässt ja eher vermuten, dass er aus exakt diesem Grund wieder abtauchen wird: schließlich bedeutet die Abschiebung auch die Trennung von der Familie. Doch die Haftrichterin wird dazu vor der Kamera nicht befragt.
Prompt taucht Saur M. wieder unter, die Bundespolizei greift ihn in den Wochen darauf gleich zweimal an Drogen-Hotspots in Berlin auf und will ihn an Landespolizei in Brandenburg übergeben, die ihn aber aus nicht näher ausgeführten Gründen nicht aufnimmt, er kommt also wieder frei und die ZAB-Mitarbeiter in Brandenburg bemühen sich erneut um eine Festnahme. Tatsächlich vergehen also Monate, bis Saur M. ein Flugzeug nach Georgien besteigt, von wo aus er weiter nach Tschetschenien soll. Wohin er dort gehen soll, weiß er auch nicht, er befürchtet, für Russland in den Krieg zu müssen.
Doch auch die freiwillige Ausreise, wie im Fall eines Syrers, der 2016 ohne Pass nach Deutschland kam und seitdem als verurteilter Straftäter vor allem in Haft saß, funktioniert nicht ohne Komplikationen: Jetzt, wo die Rückreise nach Syrien wieder möglich ist, müssen noch Ausreisedokumente in der syrischen Botschaft in Berlin eingeholt werden. Doch dort soll der Syrer ohne Handschellen erscheinen, die Justizbeamten in Brandenburg geben aber telefonisch keine Zustimmung. Also geht es ohne Dokument wieder zurück nach Eisenhüttenstadt, wo dann ein Staatsanwalt über die Handschellenfrage entscheiden muss. Auch hier dauert es schließlich Monate bis zum Rückflug nach Syrien via Beirut.
Man sieht also einmal mehr dem sattsam bekannten hiesigen Behördenwirrwarr zu, mit dem sich die ZAB-Mitarbeiter herumschlagen müssen, eine Sisyphosarbeit, die ihnen fast stoische Geduld abverlangt. Nur sind diese ineffizienten Strukturen der aufgeblähten Bürokratie eben nichts Neues. Dafür vermisst man anderes in dieser Reportage, beispielsweise Auskünfte der Geflüchteten selbst. Denn natürlich drängt sich die Frage auf, warum ein Familienvater, mit drei kleinen Kindern, der doch offenbar an seiner Familie hängt, immer wieder straffällig wird.
Der nüchtern konstatierenden Reportage fehlt eine Einordnung. Die Rede ist von 200.000 "vollziehbar ausreisepflichtigen Personen" in Deutschland. Das bundesweite Ausländerzentralregister verzeichnete Ende 2024 hingegen rund 14 Millionen Personen ohne deutschen Pass. Da die Reportage mitten in einem Wahlkampf ausgestrahlt wird, der sich immer wieder auf das Thema Migration fokussiert, und das meist sehr undifferenziert, wäre die Relation dieser beiden Zahlen nicht ganz unwichtig gewesen. Immerhin aber macht der Film deutlich, dass die lautstarken markigen Forderungen nach Abschiebung Straffälliger so einfach nicht umzusetzen sind - vor allem dann nicht, wenn man sich selbst auf den Füßen herumsteht.
infobox: "Abschiebung Impossible", Reportage, Regie und Buch: Olaf Sundermeyer, Kamera: Arne Jannsen, Tilo Gummel (ARD/RBB, 9.2.25, 23.05-23.35 Uhr und bis 9.2.26 in der ARD-Mediathek)
Zuerst veröffentlicht 15.02.2025 10:45 Letzte Änderung: 18.02.2025 15:27
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Sundermeyer, Steglich, NEU
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