07.03.2025 08:50
epd Wenn sich hierzulande jemand an die Adaption einer weltweit erfolgreichen Serie wagt, schrillen bei deutschen Fans, speziell bei Comedy, die Alarmglocken: Kann das gut gehen? Nach all den verkorksten Versuchen in der Vergangenheit? Humor ist immer eine heikle, weil nicht universelle Angelegenheit. Erinnert sei hier an eine Ursünde aus den 1990ern, als RTL den US-Hit "Married with Children" nahezu wortgetreu und ohne Anpassung an die deutschen Verhältnisse klonte. Das daraus entstandene "Hilfe, meine Familie spinnt" war ein Riesenflop und ging in die Lehrbücher von Comedy-Produzenten ein. Und wie verhält es sich mit "Ghosts"?
Das deutsche "Ghosts" basiert auf einer 2023 abgeschlossenen Comedyserie der BBC, die in Großbritannien über fünf Staffeln ein Renner war, aber in Deutschland bislang nicht gezeigt wurde. Das gleichnamige US-Remake bei CBS läuft noch, auch im Netflix-Stream mit deutscher Synchronisation, es geht in diesem Jahr sogar schon in die sechste Runde. Auch in Frankreich, Griechenland und Australien sind die Gespenster auf landestypischer Tour. Nun legt BBC Studios Germany im Auftrag des WDR nach. Der Serientitel blieb. Sonst ist vieles im Detail anders und, juhu statt buhu, sehr deutsch. Einen Laien-Darsteller wie Ricardo Simonetti als Wedding-Planner für eine lesbische Hochzeit einzubauen, darauf sind die anderen jedenfalls nicht gekommen.
Garanten dafür, dass die Serie kein Fall zum Fremdschämen wird, sind der Sitcom-erfahrene Regisseur und Autor Erik Haffner, der nicht minder humorbegabte Claudius Pläging, der mit Yves Hensel und Aylin Kockler das Drehbuch schrieb, sowie Tom Holzhauser an der Kamera. Das Trio ist nicht nur geübt im gemeinsamen Schaffen von Originalen wie "Pastewka", sondern auch in der Emanzipation von Vorlagen. So warf es in der ZDF-Comedy "Sketch History", einer Adaption des britischen "Horrible Histories", Historisches und Aktuelles fröhlich durcheinander, sodass beste Unterhaltung mit einem deutschen Twist entstand.
Ganz so wild wie in "Sketch History" gehen es Haffner und sein Team in der eingedeutschten "Ghosts"-Fassung leider nicht an, auch wenn die Abteilung Ausstattung erneut aus dem Vollen schöpft. Ihr Gespensterkosmos ist braver, liebenswerter und in sich geschlossener als etwa bei den Amerikanern. Die fahren zusätzlich zu den Hauptgeistern eine Horde Cholera-Zombies und einen geköpften John-Travolta-Verschnitt aus "Grease" auf, weil sie es können, rein budgetmäßig. Dazu klotzen sie mit popkulturellen Verweisen auf andere populäre TV-Serien.
Das britische "Ghosts" wird von Prime Video international sogar erst ab 16+ empfohlen. Der Auftrag von WDR-Fictionchef Alexander Bickel lautete indes, eine "Feelgood-Comedyserie" mit "breiter Ansprache" zu schaffen. Will heißen: Bitte mehr "Hui Buh - Das Schlossgespenst" als "The Walking Dead".
Der Plot ist, egal ob Made in Britain, Made in USA oder Made in Germany, identisch: Ein junges Paar kommt über eine Erbschaft an ein verfallenes Landgut. Statt es zu verkaufen, beschließen die beiden, selbst einzuziehen und das herrschaftliche Haus zu renovieren, um darin ein Hotel zu eröffnen. Das erregt allerdings den Zorn ruheloser Geister von Verstorbenen, die auf dem Anwesen in unterschiedlichen Epochen und auf unterschiedliche Weise ihr Leben ausgehaucht haben. Sie wollen die neuen Besitzer mit vereinter Spukkraft vertreiben. Das gelingt nur mittelprächtig.
So fangen Horrorfilme an.
Erst ein Unfall der Erbin (in den USA ist es ein Treppensturz, in Deutschland ein Stromschlag) ändert die Lage. Sie kann nach der Nahtod-Erfahrung die Geister plötzlich sehen und mit ihnen kommunizieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten freunden sie sich an und kämpfen fortan gemeinsam gegen böse Investoren. Lieber mit- statt gegeneinander, für alles gibt es eine Lösung, nur bitte keine Gewalt - das ist die Botschaft, die hier mitschwingt, aber zum Glück nur als leise Begleitmusik.
Schriller ist die Figurenzeichnung, angefangen beim von Cristina do Rego und Benito Bause gespielten jungen Paar Emma (die patente Managerin) und Felix (der Tollpatsch). Über beide erfährt man, dass sie, anders als bei den Briten und Amerikanern, noch nicht verheiratet sind und zusammenziehen wollen, aber auf dem angespannten deutschen Mietmarkt nichts finden. Da kommt die Erbschaft auf dem Land mit reichlich Platz wie gerufen. Als Emma und Felix zum ersten Mal vor Haus Donnerhall stehen, scherzt er: "So fangen Horrorfilme an."
So gruselig wird es für die beiden dann nicht. Denn die sieben Hausgeister sind durch die Bank harmlose Figuren, die zwar die Zweisamkeit stören, aber den sich liebenden Lebenden physisch nichts antun können. Nicht einmal einen Lichtschalter können sie betätigen. Dafür haben sie Emotionen und tragen in ihrem persönlichen Rucksack "echt krasse" Lebensgeschichten mit sich herum, die sie nach und nach offenbaren.
Da ist zum Beispiel Svenni (Sina Tkotsch), eine ehemalige Waldorfschullehrerin und der friedliebendste Geist von allen. Den Fall der Mauer hat sie nicht mehr erlebt, weil ihr ein Kind beim Bogenschießen einen Pfeil durch den Hals rammte. Emmas erster Eindruck von Svenni als "Achtziger-Jahre-Trulla mit einem sehr schlechten Halloween-Gag" wandelt sich, als sie von deren Backwound-Story und den trauernden Angehörigen erfährt. Der Humor verliert sich da leider in etwas zu viel Rührseligkeit.
Überhaupt dichten die Deutschen viele tiefe Emotionen und Romantik in die Geister-Story hinein. Das kommt einerseits witzig daher in der Figur des Liebesschwüre säuselnden Poeten Friedrich (Alexander Khuon), der ganz klassisch wegen einer Angebeteten im Duell mit Pistole umkam. Doch häufig neigt die deutsche Version zu Soap und Gefühlsduseligkeit, was der US-Version gänzlich fremd ist. Das amerikanische "Ghosts" bleibt mehr bei der Komik, die sich aus dem Zusammentreffen von Menschen und Geistern, von Vergangenheit und dem Heute ergibt.
Sollte es eine zweite Staffel der WDR-Produktion geben, dann darf sie sich gerne etwas mehr in Richtung American Way of Comedy bewegen. Da die erste Staffel mit einem Cliffhanger endet, steht einer Fortsetzung eigentlich nichts im Wege.
infobox: "Ghosts", sechsteilige Comedy-Serie, Regie: Erik Haffner, Buch: Yves Hensel, Aylin Kockler, Claudius Pläging, Kamera: Tom Holzhauser, Anne Lindemann, Produktion: BBC Studios Germany (ARD-Mediathek/WDR, seit 7.3.25, One, 13.3.25, 20.15- 22.35 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 07.03.2025 09:50
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, KWDR, Comedy-Serie, Haffner, Hensel, Kockler, Pläging, Krasser
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