19.03.2025 05:45
Frankfurt a.M. (epd). Journalistinnen und Journalisten sehen sich laut einer Studie besonders häufig mit Einschüchterungsversuchen wie sogenannten Slapp-Klagen konfrontiert. Grundsätzlich verwenden mächtige Akteure vielfältige Strategien, um Einzelpersonen oder Kollektive von einer öffentlichen Beteiligung abzuhalten, heißt es in der Studie "Einschüchterung ist das Ziel - Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (Slapps) in Deutschland", die von der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung herausgegeben und am Mittwoch in Frankfurt am Main vorgestellt wurde.
"Slapp" steht für das englische "Strategic Lawsuit against Public Participation". Zugleich ist "Slap" das englische Wort für "Ohrfeige, Schlag ins Gesicht". Im Kern der Studie stand eine Online-Befragung, an der im September 2024 227 Personen teilnahmen. 116 Personen gaben an, eigene Erfahrungen mit Einschüchterungsversuchen gegen öffentliche Beteiligung zu haben, davon stammten 60 Prozent aus dem Journalismus. Neben der Berufsgruppe der Journalisten waren vor allem Aktivisten und Nichtregierungsorganisationen betroffen.
Gut 40 Prozent der Menschen, die Einschüchterungsversuche erfahren hatten, wurden selbst beklagt. Jedoch zeigt die Befragung, dass Slapps inhaltlich sehr heterogen sind und sich nicht nur auf eine Klageerhebung oder Klageandrohung vor Zivilgerichten beschränken. Sie umfassen auch einfache Kontaktaufnahmen, Forderungen von strafbewehrten Unterlassungserklärungen und die Einschaltung von Ermittlungsbehörden.
Bemerkenswert sei die große Spannbreite der individuellen Belastung, heißt es in der Studie. In 31 Prozent der berichteten Fälle wurden demnach Streitwerte zwischen 100.000 und 500.000 Euro aufgerufen. Da solche Streitwerte hohe Prozesskosten zur Folge haben, sei das Missbrauchspotential entsprechend groß. Häufig wiesen Slapps gleich mehrere missbräuchliche Elemente auf. Dazu gehörten neben unverhältnismäßigen Forderungen ein Machtungleichgewicht, eine problematische Verfahrenstaktik und prozessbegleitende Einschüchterungen.
Die Umfrage verdeutlicht zudem die vielschichtigen belastenden Auswirkungen von Slapps. Die Befragten mit eigenen Erfahrungen beschreiben als negative Folgen die psychische Belastung sowie den Druck, öffentliche Beteiligung stärker rechtlich abzusichern. Gut ein Drittel dieser Befragten bestätigte, dass sie durch Slapps von einer zukünftigen öffentlichen Beteiligung abgeschreckt würden.
Hingegen berichteten 46 Prozent der Beklagten, dass sie ihren Fall komplett gewonnen hätten - das Gericht erkannte also an, dass die Vorwürfe unbegründet waren. Mehr als die Hälfte der Betroffenen berichtete zudem von Solidaritätsbekundungen und Unterstützung von außen.
Slapps seien ein Problem für die Demokratie, heißt es in der Studie. Denn eine Demokratie sei auf zuverlässige Informationen, einen sachlichen Diskurs, kritische Beiträge und breite Partizipation angewiesen. Nach aktueller Rechtslage können die Gerichte in diesem Zusammenhang einer Instrumentalisierung wenig entgegensetzen. "Sie müssen grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit, die Herkunft und die Leistungen der Prozessparteien über eine Klage entscheiden, es sei denn, diese Merkmale sind von rechtlicher Relevanz für die eingeklagten Ansprüche." Hier setze die Anti-Slapp-Richtlinie der Europäischen Union (EU) an.
Die Anti-Slapp-Richtlinie sieht vor, dass Betroffene von strategischen Klagen finanzielle Unterstützung bekommen, Rechtsbeistand und psychologische Hilfe. Ist eine Klage offensichtlich unbegründet, sollen Richter diese im frühestmöglichen Stadium des Verfahrens abweisen. Gerichte können bei Einschüchterungsklagen auch Strafen gegen die Kläger verhängen. Im März 2024 gaben die EU-Mitgliedsstaaten der Richtlinie grünes Licht; die Regierungen haben nun noch ein Jahr Zeit, sie in nationale Gesetze zu übertragen.
koe
Zuerst veröffentlicht 19.03.2025 06:45 Letzte Änderung: 19.03.2025 10:50
Schlagworte: Medien, Justiz, Studie, Slapp, Otto-Brenner-Stiftung, Stefanie Egidy, NEU
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