Späte Wiedergutmachung - epd medien

22.03.2025 10:45

Mit dem zur Legende gewordenen Ausruf "Dalli, Dalli!" startete der Showmaster Hans Rosenthal die Spiele in seiner beliebten Unterhaltungsshow im ZDF. Zu seinem 100. Geburtstag widmet das Zweite dem Moderator das Biopic "Rosenthal".

Florian Lukas spielt den Showmaster Hans Rosenthal, der in den 70er Jahren die erfolgreiche Sendung "Dalli Dalli" im ZDF moderierte

epd Am 2. April wäre Hans Rosenthal, einer der beliebtesten Showmaster im bundesdeutschen Fernsehen der 1970er und 80er Jahre, 100 Jahre alt geworden. Dass der Haussender zu diesem Anlass eine Jubiläumssendung produzieren lässt, ist Usus. Beim Geburtstags-Biopic "Rosenthal" ist allerdings manches anders. Neben dem Porträt des Gefeierten sieht man hier fällige und erstaunlich deutliche Selbstkritik des Senders. Denn wie Verantwortliche des ZDF mit Hans Rosenthal einst umgegangen sind, ist so respekt- wie würdelos.

"Nicht geschichtsbewusst" und "unsensibel", so lautet der zerknirschte Kommentar heute. Der Film sei "eine kleine Wiedergutmachung". Hinzugefügt wird, dass die ZDF-Hierarchen der 70er Jahre im Film "Rosenthal" fiktional seien. Obwohl man in den Archiven geforstet habe, hätten sich die genauen Entscheidungsabläufe von damals nicht mehr klären lassen.

Jüdischer Holocaust-Überlebender

Der Geist des Ganzen, die Atmosphäre, ist auch ohne Archivdokumente über die Maßen genau getroffen. Wie ZDF-Abteilungsleiter Gerling (Bernd Grawert) und Showleiter Dr. Horst Hummel (Hans-Jochen Wagner) in einer Szene einander zu ihrer Programmplanung jovial-gemütlich beipflichten und gratulieren, das ist von Gernot Krää trefflich geschrieben und von Oliver Haffner auf den Punkt inszeniert (Kamera: Kaspar Kaven).

Besetzung, Szenenbild, die Umklammerung der fiktionalen, aber verbürgten Handlung durch zwei Ausschnitte aus echten "Dalli-Dalli"-Sendungen - hier atmet alles Authentizität. Der Film bringt den Konflikt des jüdischen Holocaust-Überlebenden Hans Rosenthal gut zur Sprache und ins Bild. Bundesrepublikanische Verdrängungsmentalität der 70er, Fernsehgeschichte, hierarchische Arbeitswelt und der aktivistische Aufbruch junger Juden verbinden sich in "Rosenthal" zur vielschichtigen, aber angesichts des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland höchst aktuellen Zeitstudie über die Sichtbarkeit jüdischen Lebens in Deutschland.

Charmant und gewitzt

Seit Regina Schillings Dokumentarfilm "Kulenkampffs Schuhe" wissen wir, dass das bundesdeutsche Unterhaltungsfernsehen der Nachkriegszeit keineswegs so verspielt und unideologisch war, wie man dachte. Eines seiner wichtigsten Formate war das Schnelldenker-Quiz "Dalli Dalli", es erreichte heute kaum vorstellbare 20 Millionen Fernsehzuschauer. In Hans Rosenthals Sendung gaben sich Prominente als Kandidaten die Klinke in die Hand, weil es hier lustig zuging und die Spiele (Kofferpacken, Wurstmachen) harmlos waren, und weil Rosenthal, charmant und gewitzt, niemanden bloßstellte. Dass er Jude war, behielt er für sich. Für die Fernsehzuschauer sollte es keine Rolle spielen.

Am 9. November 1978 soll nun, diese Episode steht im Zentrum des Films, die 75. Sendung von "Dalli Dalli" groß gefeiert werden. Hans Rosenthal erfährt vom Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Elias Gleitmann (Anatole Taubman), dass an genau diesem Tag zum ersten Mal eine offizielle Gedenkfeier zum Pogrom vom 9. November 1938 stattfinden wird. Bundeskanzler Helmut Schmidt lädt Hans Rosenthal als Ehrengast zu der Veranstaltung ein.

Vergessen bei Spiel und Spaß

Rosenthal, von Florian Lukas sehr passend gespielt, versucht, den Termin der Sendung zu verschieben. Das ZDF lässt ihn abblitzen. Seine Frau Traudl (Silke Bodenbender) ermuntert ihren Mann, endlich über seine Vergangenheit öffentlich zu reden. Nicht einmal die erwachsenen Kinder Gert (Julius Gause) und Birgit (Marta Martin) wissen bislang, wie er als junger Mann den Nationalsozialismus, untergetaucht in einer Laube in Berlin, überlebte.

Rosenthals Bruder Gert wurde als Zehnjähriger 1942 aus einem Waisenhaus deportiert, später ermordet. Hans bekam den Stempel "wehrunwürdig", bevor er sich versteckte. Dass er nun dem Volk der Täter Vergessen bei Spiel und Spaß schenkt, kreideten ihm junge Juden an.

Gepeinigt von Erinnerungen

Florian Lukas stellt die Zerrissenheit und den Drahtseilakt Rosenthals im Zusammenhang mit Jubiläumssendung, die er am 9. November 1978 schließlich im schwarzen Anzug und in eher gedämpfter Stimmung moderiert, glaubhaft dar. Er überzeugt auch in den vielen schweigsamen Momenten seiner oft innerlich zurückgezogenen Figur. Filmische Rückblenden werden sparsam eingesetzt. Gepeinigt von Erinnerungen, hält Rosenthal schließlich eine Ansprache vor dem Team.

Danach sieht man ihn am Schreibtisch. Er schreibt seine Autobiographie "Zwei Leben in Deutschland". Sie sollte heute Pflichtlektüre in Schulen sein. Die Original "Dalli-Dalli"-Sendung vom 9. November 1978 steht seit dem 22. März in der ZDF-Mediathek, ebenso wie dieser berührende und wichtige Film.

infobox: "Rosenthal", Fernsehfilm, Regie und Idee: Oliver Haffner, Buch: Gernot Krää, Kamera: Kaspar Kaven, Produktion: if Productions Film GmbH (ZDF-Mediathek, seit 22.3.25, ZDF, 7.4.25, 20.15-21.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 22.03.2025 11:45 Letzte Änderung: 22.03.2025 12:25

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen) KZDF, Fernsehgeschichte, Rosenthal, Haffner, Krää, Hupertz, NEU

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