Wenn Viren mutieren - epd medien

25.03.2025 10:31

In "Spillover - Planet der Viren" geht der Dokumentarfilmer Michael Wech der Frage nach, wie Viren von Tieren auf Menschen überspringen und welche Rolle die Vernichtung von Natur durch die Menschen dabei spielt.

Wenn Viren von Tieren auf Menschen überspringen, nennt man das "Spillover"

epd Gerade einmal ein Vierteljahrhundert ist es her, trotzdem erinnern sich wohl nur noch wenige daran: Um die Jahrtausendwende brach in Südostasien eine rätselhafte Seuche unter Schweinen aus, die Tiere husteten und verendeten qualvoll. Dann traf es auch Menschen: allesamt junge Schweinezüchter, die an einer Gehirnentzündung starben. Die Ursache war ein neues Virus unbekannter Herkunft.

Malaysische Wissenschaftler kamen bei ihren Nachforschungen einer Kettenreaktion auf die Spur, die zwei Jahre zuvor in Indonesien begonnen hatte. Dort waren im Jahr 1997 Brandrodungen außer Kontrolle geraten und hatten Millionen Hektar Wald zerstört. Monatelang lagen dichte Rauchschwaden über der Region, die Vegetation verkümmerte. Auf der Suche nach Nahrung gelangten Flughunde nach Malaysia, wo sie auf Mangofarmen Futter fanden. Reste der angefressenen Früchte landeten in einer benachbarten Schweinefarm, dort wurden sie von den Tieren verschlungen. Die Flughunde trugen ein Virus in sich, das ihrem Immunsystem keinerlei Probleme bereitete, es ging jedoch auf die Schweine über und wurde von diesen auf den Menschen übertragen.

Fesselnde Entdeckungsreise

"Spillover" nennen Forscher den Moment, bei dem ein Erreger von einer Tierart auf den Menschen überspringt, sich dort verbreitet und Pandemien auslöst. Der renommierte Dokumentarfilmer Michael Wech ging der Frage nach, warum es immer wieder zu solchen Übertragungen kommt und welche Rolle das Handeln der Menschen dabei spielt. Dafür reiste er zu Originalschauplätzen in Kambodscha, Malaysia, Australien, Hongkong, den USA und Belgien und interviewte Forscherinnen und Forscher.

Es ist eine fesselnde Entdeckungsreise, auf die Wech die Zuschauer mitnimmt, und der Befund ist eindeutig: Es ist der Eingriff des Menschen in die Natur, der letztlich zum Entstehen von Pandemien beiträgt. Klimawandel, menschliches Handeln und der Ausbruch von Pandemien hängen zusammen.

Simple Erkältungen

Am eindrucksvollsten wird dieser Zusammenhang anhand des Corona-Virus dargestellt. Corona-Viren sind nicht erst seit 2019/2020 bekannt, als sich die Corona-Pandemie weltweit ausbreitete. Als sich im Jahr 2003 in Hongkong eine Welle schwerer Lungenentzündungen rasant ausbreitete, entpuppte sich das identifizierte SARS-Virus als Variante des Corona-Virus, das bis dahin als harmlos galt und allenfalls simple Erkältungen verursacht hatte. Erst als mutiertes Virus wurde es mit SARS tödlich.

Forscher verfolgten die Entwicklung der Corona-Viren anhand des Rhythmus der Mutationen zurück bis zur "Russischen Grippe" ("eine der größten Pandemien der Weltgeschichte") im Jahr 1890, an der rund eine Million Menschen starben. Kurz zuvor hatte in der Ausbruchsregion Tomsk eine massenhafte Keulung von Rindern stattgefunden.

Vernichtung von Lebensräumen

Seither erhöht sich die Schlagzahl der Spillover, also des Übersprungs von Tieren auf Menschen, und damit auch die Zahl der Pandemien: vom Marburg-Virus 1967 über den Ebola-Ausbruch 1976 im Kongo, das West-Nil-Virus, das Hanta-Virus 1993 in New Mexico, SARS, das Zika-Virus in Brasilien bis hin zu Covid-19, dem Verursacher der jüngsten Pandemie.

Dass Viren häufig durch Flughunde und Fledermäuse übertragen werden, liegt in der einfachen Tatsache begründet, dass sie die einzigen Säugetiere sind, die fliegen können und, wenn sie von einem Ort vertrieben werden, schnell beim nächsten sind. Generell gilt: Je stärker der Mensch den Lebensräumen von Wildtieren auf die Pelle rückt, desto größer ist die Gefahr. Die Vernichtung natürlicher Lebensräume erhöht die Wahrscheinlichkeit neuer Pandemien enorm.

Die aufschlussreichen Exklusivinterviews mit renommierten Experten in aller Welt und auch der Einsatz bislang unveröffentlichten Archivmaterials machen die Dokumentation zu einem sehr informativen Lehrstück, das spannender ist als die meisten Krimis. "Spillover" ist Populärwissenschaft in Bestform. Umso unverständlicher ist es, warum den Zuschauern im Ersten nur eine geraffte 45-Minuten-Version des eigentlich anderthalbstündigen "Spillover"-Dokumentarfilms gezeigt wurde. Die Langfassung gibt es nur in der ARD-Mediathek.

infobox: "Spillover - Planet der Viren", Dokumentarfilm, Regie und Buch: Michael Wech, Kamera: Johannes Imdahl, Produktion: Broadview Pictures (ARD/BR, 10.3.25, 20.15-21.00 Uhr, 90-Minuten-Fassung in der ARD-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 25.03.2025 11:31

Ulrike Steglich

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, KBR, Wech, Steglich

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