27.03.2025 09:20
ARD-Dokumentation über die Gaming-Industrie mit Khesrau Behroz
epd Arbeiten bis zum Burnout, Ausbeutung von Mitarbeitenden, Machtmissbrauch: Von solchen Missständen hört man leider immer wieder aus den unterschiedlichsten Branchen. Mit der Gaming-Industrie hat man sie bislang wenig assoziiert. Wie man überhaupt wenig zu wissen scheint über die Arbeit in dieser Branche. Die Dokumentation "Crunch - Traum und Albtraum in der Gaming-Industrie" möchte das ändern und nach eigener Formulierung "einen ersten Schritt tun, um die Menschen, die hinter den Games stecken, besser kennenzulernen".
Im Mittelpunkt der Dokumentation, die zuerst in der ARD-Mediathek veröffentlicht wurde, stehen drei Menschen: Osama aus Montreal, der seit 18 Jahren als Game-Designer arbeitet und in dieser Zeit mehre Burnouts erlitt, Hanna aus Aachen, die zusammen mit Freunden eine eigene Spiele-Entwicklungs-Firma gegründet hat, und Jules aus Rennes, der lange beim großen französisch-kanadischen Spiele-Entwickler Ubisoft gearbeitet und dort Mobbing und Ausgrenzung erlebt hat. Was sie eint, ist die Erfahrung von Überarbeitung, insbesondere in der letzten Phase einer Spiel-Entwicklung, der sogenannten Crunch-Phase, in der alles der Fertigstellung untergeordnet wird.
Die Doku bringt keine großen Enthüllungen. Vorwürfe gegen Ubisoft wegen Machtmissbrauch und übergriffigen Verhaltens gab es bereits 2020. In diesem Jahr werden Fälle wie der von Jules vor Gericht verhandelt. Die Leistung von "Crunch" ist es, diese Hintergründe gebündelt einem breiten Publikum zu vermitteln. Zusätzlich zu den Gesprächen mit Osama, Hanna und Jules gibt es Erläuterungen zur Geschichte und aktuellen Situation der Game-Industrie, es kommen weitere Spieleentwickler zu Wort, ebenso wie der Journalist Matthias Kreienbrink.
Als Host führt Khesrau Behroz durch die Dokumentation. Er ist in den 90er Jahren als Kind von Afghanistan nach Deutschland gekommen. Gaming habe ihm in dieser schwierigen Zeit oft Halt gegeben, sagt er. Bekannt geworden sind Behroz und seine Produktionsfirma Undone durch Podcasts wie "Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?" oder "Legion".
Warum es dieses Mal eine audiovisuelle Dokumentation geworden ist, liegt auf der Hand: Die visuelle Darstellung der Games ist ein zentraler Bestandteil der Erzählung. Immer wieder werden Ausschnitte aus Spielen gezeigt, entweder zur konkreten Erläuterung oder als unspezifische Untermalung. Das ermöglicht einen Einblick in die Vielfalt des Angebotes und die unterschiedlichen Designs.
Was die Erzählweise angeht, wünscht man sich aber, "Crunch" hätte sich stärker an den Podcasts orientiert. Die Doku bringt sehr viele Themen aufs Tableau: Toxische Arbeitsbedingungen, Sexismus und Männerdominanz, Versuche der großen Studios, immer mehr Geld zu generieren, im Gegensatz dazu der harte Kampf der Indie-Labels, überhaupt etwas zu verdienen. Vieles davon kann in den gut 75 Minuten nur angerissen werden, oftmals sind die Themenwechsel sehr abrupt.
Das komplexeste Medium, das es gibt.
Ein Podcast wie "Cui Bono" hat mit sechs Folgen à 30 bis 50 Minuten zusammengerechnet deutlich mehr Zeit, die Geschichte zu erzählen, die episodische Struktur ermöglicht es, in jeder Folge einzelne Schwerpunkte zu setzen. Eine solche Struktur mit thematisch fokussierten Erklär-Blöcken hätte auch "Crunch" gutgetan.
Bestes Beispiel ist die Frage, wie ein Game hergestellt wird: Behroz und Kreienbrink bezeichnen ein Game als "das komplexeste Medium, das es überhaupt gibt, mit zahlreichen Gewerken, die in unterschiedlicher Form an einem Endprodukt arbeiten". Welche Gewerke dazugehören und wie die Arbeitsabläufe genau sind, erfährt man aber nicht. Das führt dazu, dass man die Berichte über Arbeitsbelastung zwar nachvollziehen kann, aber kein wirkliches Gefühl dafür bekommt, wie die Arbeit in der Gaming-Branche genau aussieht, welche Auswirkungen allgemeine Strukturen auf die einzelnen Fälle haben und was die Arbeitsbelastung zum Beispiel von der bei Film und Fernsehen unterscheidet, auf die die Doku selbst verweist. Auch die Faszination für das Gaming, die alle Beteiligten erwähnen, wird nur in Ansätzen erfahrbar.
Die Bedingungen in der Gaming-Branche werden gut dargestellt, auch Nicht-Gamer bekommen hier viele interessante Informationen. Doch es bleibt das Gefühl, dass das Potential der Doku noch größer gewesen wäre und man über viele Themen gerne noch mehr gewusst hätte.
infobox: "Crunch - Traum und Albtraum in der Gaming-Industrie", Dokumentation mit Khesrau Behroz, Regie: Mariska Lief, Buch: Mariska Lief, Khesrau Behroz, Patrick Stegemann, Kamera: Benjamin Kahlmeyer, Produktion: Undone (ARD-Mediathek/SWR, seit 4.3.25, SWR, 27.3.25, 23.30-0.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 27.03.2025 10:20
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KSWR, Dokumentation, Behroz, Lief, Stegemann, Suhr
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