Autoritäten mit Tattoos - epd medien

28.03.2025 08:35

Sie entscheiden, wer in den Club reinkommt und dort Spaß haben darf: Die Türsteher. Und sie greifen ein, wenn sich Clubbesucher danebenbenehmen. Das ZDF beschäftigt sich in zwei Doku-Formaten mit diesen "Mächtigen der Nacht".

Zwei ZDF-Doku-Formate zu Türstehern

Türsteher Jan in der "37°"-Reportage "Die Mächtigen der Nacht"

epd Gleich zweimal hat sich das ZDF im März in seinen Programmen des Themas Türsteher angenommen: in einer Reportage im Format "37°", die im Hauptprogramm lief, und in ZDFinfo in einem dokumentarischen Zweiteiler. Die Titel der Doku-Formate, die von unterschiedlichen Autoren und Produktionsfirmen realisiert wurden, liegen sehr nah beieinander: Einmal sind die Türsteher "die Mächtigen der Nacht", ein anderes Mal die "Wächter der Nacht". Erzählt wird aus der Perspektive von starken Protagonisten, die die Widersprüche der Szene zwischen Niedriglohn, rauem Image, gefährlichen und sensiblen Situationen eloquent auflösen.

In dem Zweiteiler von Antje Diller-Wolf und Steven Melzer dürfen die Clubbetreiber und Security-Chefs ihren Job in strahlenden Farben darstellen. Aber auch Yannick, den wir in Lotta Pommeriens "37°"-Reportage kennenlernen, ist ein Held. Ein Bär von Mann, der sich imagegerecht beim Krafttraining stählt. Man müsse schon eine Optik haben, Respekt ausstrahlen und auch mal Pädagoge sein, sagt er. Im Tattoo-Studio lässt er sich die Körperlandschaft ergänzen mit dem Spruch, wer den Frieden wolle, müsse sich für den Krieg rüsten.

Persönliche Geschichten

Hauptberuflich arbeitet Yannick als Pfleger in der Langzeitpflege. Seine Kollegin kann es nicht verstehen, wie ihr sensibler Kollege es nächtens mit den "Hardcore-Menschen" aushält. Am Ende des Films steigt er aus der Security aus, weil er Vater wird.

Auch in der Dokumentation von Antje Diller-Wolf und Steven Melzer dominieren die persönlichen Geschichten. Wie die des Italieners Andrea, der im und vor dem Kölner "Bootshaus" arbeitet. Er schaltet im Job ab von seinem Familienleben mit berufstätiger Frau und zwei Kindern und genießt es, dass er tagsüber mit seinem Sohn auch mal Baseball spielen kann.

Wortgewandte Vorzeige-Mitarbeiter

Die Arbeitsbedingungen in der Security-Branche sind wenig luxuriös. Die Stundenlöhne beginnen nur wenige Cent über dem Mindestlohn. Wer dort arbeiten will, muss eine Sachkundeprüfung ablegen. Dafür gibt es eine einwöchige Unterrichtung, die man locker absitzen kann. Daher arbeiten in der Branche viele junge Migranten mit wenig Erfahrung - und das oft in Zwölf-Stunden-Schichten.

In den ZDF-Dokumentationen kommen jedoch die wortgewandten Vorzeige-Mitarbeiter zu Wort. Mirko, der im Frankfurter Bahnhofsviertel arbeitet, sagt in der Dokumentation für ZDFinfo, dass er Jahre gebraucht habe, um ausreichend Menschenkenntnis zu erlangen. Tagsüber arbeitet er in einer Werkstatt als Pulverbeschichter. In die Szene kam er als Jugendlicher durch Kampfsport-Bekanntschaften. Es ist zu spüren, dass der Job ihn auch an seine Grenzen bringt. Etwa wenn er Betrunkene zum Gehen auffordert, "und die diskutieren immer weiter". Oder wenn er mit aggressivem Verhalten konfrontiert wird.

Autorin Diller-Wolf, selbst eine leidenschaftliche Clubgängerin, hat in der Soziologin Christine Preiser eine solide Expertin gefunden. Türsteher müssten lernen, mit der eigenen Wut umzugehen, sagt sie. Eine Gratwanderung zwischen Zurückhaltung und dem glaubhaften Ausdrücken von Autorität.

Es menschelt allerorten

Die Protagonisten setzen sozusagen lehrbuchmäßig auf Deeskalation. In der Gelderner Großraumdisko "E-Dry" zeigt die Dokumentation, wie sich die resolute Sandra mitleidsvoll mit einem jungen Mann beschäftigt, der einen alkoholbedingten Totalausfall hat. Im Sani-Raum reicht sie ihm die Kotztüte und ruft mit dem entsperrten Handy den Vater an, damit der den jungen Mann abholt. Und auch, wenn im "E-Dry" ein junger Mann mit dem Kabelbinder fixiert wird, bis er weggeschickt werden kann, sieht man das halbjährige Hausverbot in dem Club als "Erziehungsmaßnahme".

Es menschelt allerorten, auch in Kaiserslautern, wo Diller-Wolf und Melzer Anke begleiten. Die große Frau ist Thai-Boxerin und Gothic-Fan, tätowiert und gepierct. Sie wird als "Schwarze Göttin" verehrt. Anke, die aus schwierigen Familienverhältnissen kommt, liefert in Kaiserslautern bei Tag regelmäßig übriggebliebene Nahrungsmittel an Obdachlose aus - von denen wird sie als "Engel der Straße" gelobt.

Szenen im Getümmel

Die "37°"-Reportage konzentriert sich auf die Personen, es bleibt bei Interview-Sequenzen. Die Ambivalenzen werden erzählt. Jan, der in Heidelberg tagsüber als Sozialarbeiter bei Obdachlosen unterwegs ist, sieht im Nachtleben eine Fake-Gesellschaft mit Gästen, die im Club die Flaschen ploppen lassen und dann ins Kinderzimmer heimkehren.

Im Zweiteiler von ZDFinfo dominiert die dynamische Spiegel-TV-Ästhetik. Schnelle Wechsel mit Cliffhangern, wenn etwa eine gewalttätige Intervention gefilmt wird, Szenen im Getümmel der Clubs, gefilmt mit Bodycams. In der legendären Münchner Promi-Disco "P1" geht es in den Keller, wo Spirituosen im Wert von fast 100.000 Euro lagern. Geschäftsführer Sebastian Goller bringt die Stellenbeschreibung des Türstehers auf den Punkt: Nette von nicht netten Menschen unterscheiden können, eine homogene Gruppe bilden, ermöglichen, dass die sich exzessiv ausleben kann.

Reise durch die Nacht

Nur aus dem ebenfalls legendären Berliner Club "Berghain" gibt es keine Bilder, dort ist Filmen und Fotografieren verboten - auch für die Gäste. Antje Diller-Wolf, die dort selbst schon feierte, interviewt draußen internationale Besucher, zeigt Chats mit Tipps, wie man in den begehrten Club reinkommt - und dann wirft Türsteherin Sarah alles über den Haufen. Sie schmunzelt über die Empfehlungen, sagt, sie möchte den Besuchern vor allem ansehen, dass sie feiern wollen.

Am Ende der "37°"-Reportage fährt Yannick, der werdende Vater, um 5.30 Uhr ein letztes Mal nach Hause und erinnert sich dabei an eine "aufregende gute Zeit". Auch die Dokumentation bei ZDFinfo endet undramatisch. Eine Reise durch die Nacht bis zum Licht des Morgengrauens. Starke Figuren, etwas Action. Alles in allem ergänzen die Dokumentationen sich nicht, es sind Dubletten, die das raue Nachtleben und prekäre Arbeitsbedingungen sozialromantisch idealisieren.

infobox: "37°: Türsteher - Die Mächtigen der Nacht", Reportage, Regie und Buch: Lotta Pommerien, Kamera: Waldemar Hauschild, Lars Köppl, Matthias Schwinn, Gabriel Streit, Produktion: Marcvsfilm (ZDF, 4.3.25, 22.15-22.45 Uhr und in der ZDF-Mediathek); "Türsteher - Wächter der Nacht: Partystimmung/Abstürze", zweiteilige Dokumentation, Regie und Buch: Antje Diller-Wolf, Steven Melzer, Kamera: Babak Asgari, Luka Ljubicic, Jürgen Heck, Produktion: Spiegel TV (ZDFinfo, 20.3.25, 20.15-21.00 Uhr und in der ZDF-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 28.03.2025 09:35 Letzte Änderung: 31.03.2025 01:20

Dieter Dehler

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Reportage, Dokumentation, Pommerien, Diller-Wolf, Melzer, Dehler, NEU

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