01.04.2025 08:10
Neue Staffel der Netflix-Serie "Totenfrau"
epd Leichen pflastern wieder ihren Weg. Bestatterin Blum, in der ersten Staffel nach dem Tod ihres Mannes noch als Racheengel auf dem Motorrad in den Tiroler Alpen unterwegs, trägt zwei Jahre später aus anderen Gründen zahlreiche Kämpfe auf Leben und Tod aus. Während sie selbst von der Polizei des Mordes verdächtigt und zur Fahndung ausgeschrieben wird, sucht sie nach ihrer entführten Tochter.
Auch die zweite "Totenfrau"-Staffel ist eine auf Action und Hochspannung getrimmte Serie, die im internationalen Markt bestehen soll. Nach der Free-TV-Ausstrahlung in Österreich im Februar präsentiert Netflix die Fortsetzung des Thrillerstoffs mit Anna Maria Mühe seit dem 19. März. Mehr als 100 Millionen Stunden Zeit hat das globale Netflix-Publikum nach Angaben des US-Streamingdienstes mit der ersten Staffel verbracht - kein schlechter Wert für eine deutschsprachige Produktion.
Netflix setzt in vielerlei Hinsicht auf Bewährtes: Man nehme eine erfolgreiche Roman-Vorlage - die Trilogie des Österreichers Bernhard Aichner - und mache daraus eine maßgeschneiderte Serien-Adaption, die an die Seherfahrungen des Publikums anknüpft. Der kühle Look in den schneebedeckten Alpen-Tälern erinnert ebenso wie die Handlung rund um Organisierte Kriminalität, politische Intrigen und extreme Gewalt an die Sky-Produktion "Der Pass" und an die Tradition skandinavischer Serien. Und die Bestatterin Brünhilde Blum (Anna Maria Mühe) mit ihrer besonderen Beziehung zu den Toten zitiert wiederum den Serien-Klassiker "Six Feet Under", auch wenn der "Totenfrau"-Thrill mit den komplexen Geschichten der viel gelobten HBO-Dramaserie nicht viel gemein hat.
Die Prise schwarzer Humor bleibt immerhin auch in der zweiten Staffel erhalten. Das Talent mit den Toten zu sprechen, erweist sich sogar als vererbbar. Und mit "Blue Velvet", gesungen von Hayal Kaya in der vierten Folge, wird auch noch der kürzlich verstorbene David Lynch geehrt.
Die Anforderungen an das Thriller-Genre werden dank des hohen Tempos, erstklassiger Bildgestaltung und einiger interessanter Nebenfiguren durchaus gekonnt erfüllt. Blum gerät unter Druck, weil auf dem Friedhof ein Grab geöffnet wird, in dem sie die zerstückelte Leiche von Edwin Schönborn entsorgt hatte. Der Sohn der Unternehmerin Johanna Schönborn (Michou Friesz) gehörte zu einer Gruppe von Männern, die osteuropäische Frauen vergewaltigten, zu Tode folterten und dabei filmten. Und weil Blum in der ersten Staffel einen nach dem anderen aus Rache für ihren getöteten Ehemann, einen Polizisten, ausgeschaltet hatte, hat sie nun nicht nur die Polizei, sondern auch brutale Killer am Hals.
Es geht um Menschenhandel und neue Hotels, für die es in Tirol - Klimawandel hin oder her - Genehmigungen braucht.
Extreme Gewalt wird zwar nicht ausgiebig gezeigt, aber wenn Blums Tochter Nela (Emilia Piske) hilflos angekettet in einem düsteren Kerker auf ihre Peiniger wartet und die Folterinstrumente schon mal bereitgelegt werden, ist das unappetitlich genug. Aufwendig choreographiert wirken die Zweikämpfe, bei denen nicht nur Anna Maria Mühe einigen Eindruck hinterlässt. Actionszenen wären jedoch hohle Kunst, würde man nicht mit den Figuren mitfiebern. Dann stört es auch nicht weiter, wenn die Heldinnen und Helden angeschossen oder mit einem Messer im Bauch erstaunlich ausdauernd weiterkämpfen.
Das Autorenteam und Regisseur Daniel Prochaska setzen aber nicht auf Action und Gewalt allein. Stärker als in der ersten Staffel geht es um Freundschaften und Liebe, um persönliche Beziehungen also, die die Verwicklungen erhöhen und zur Spannung beitragen. So sind die pubertierende Nela und Johanna Schönborns Neffe Alex (Tristán López) ein Paar. Der junge Mann, den die Tante als Nachfolgerin auserkoren hat, muss sich nun zwischen Liebe und Geschäft entscheiden.
Auch die zu allem entschlossene Einzelkämpferin Blum erhält menschlichere Züge. Weil sie praktisch von Beginn an auf der Flucht ist, muss von ihrer Mutterliebe in weichgezeichneten Rückblenden erzählt werden. Entwickelt und gefestigt hat sich aber vor allem die Beziehung zu ihrem Mitarbeiter Reza (Yousef Sweid), der sich als Freund und Ersatzvater für den jüngeren, an Diabetes erkrankten Sohn Tim (Lilian Rosskopf) erweist. Hilfe kommt auch von Barbesitzerin Mariah Nesbitt (Hayal Kaya).
Über die teils abenteuerlich konstruierte Handlung trösten einige Nebenfiguren hinweg. Peter Kurth als brutaler Gangsterboss Badal Sarkissian, Sabine Timoteo als dessen teuflische Schwester, Robert Palfrader als korrupter Polizeichef, Lucas Gregorowicz als zwielichtiger Anwalt und Gerhard Liebmann als Schönborns Mann fürs Grobe - das ist eine erstklassige Besetzung.
Die heimliche Heldin der zweiten Staffel ist aber Birgit Wallner (Britta Hammelstein), die vom österreichischen Bundeskriminalamt nach Tirol beordert wurde und die eigentliche Gegenspielerin der Hauptfigur Blum ist. Zwei Frauen, in ihrem Charakter einander ähnlich, die eine jedoch als Jägerin, die andere als Gejagte - auch das ein bewährtes, hier mal mit weiblichen Figuren bedientes Genre-Muster.
Britta Hammelstein spielt diese Bundespolizistin großartig, wie besessen, etwas nervös und undurchschaubar. Von einer eigentümlichen Spannung ist auch das Verhältnis zum Polizeikollegen Daniel Lambert (Dominic Marcus Singer). Wie sich dies entwickelt, gehört zu den lohnenden, weil weniger vorhersehbaren Handlungsfäden der Serie.
infobox: "Totenfrau", zweite sechsteilige Staffel der Thrillerserie, Regie: Daniel Geronimo Prochaska, Buch: Benito Mueller, Wolfgang Mueller, Timo Lombeck, Marcel Kawentel, Barbara Stepansky, Mike Majzen, Kamera: Anna Hawliczek, Produktion: Mona Film Streaming, Barry Films (Netflix/ORF, seit 19.3.25)
Zuerst veröffentlicht 01.04.2025 10:10
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KNetflix, Serie, Thriller, Prochaska, Mueller, Lombeck, Kwaentel, Stepansky, Majzen, Gehringer
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