"Reporter ohne Grenzen": Angriffe auf Journalisten verdoppelt - epd medien

08.04.2025 04:00

Medienschaffende, die über Demonstrationen berichten, werden häufig zum Ziel von Angriffen. Die meisten Übergriffe zählte die Organisation "Reporter ohne Grenzen" im vergangenen Jahr bei Nahost-Demonstrationen.

Entwicklung der Angriffe auf Medien und Medienschaffende in Deutschland seit 2015

Berlin (epd). Für das Jahr 2024 hat die Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF) 89 Attacken auf Medienschaffende und Medienhäuser in Deutschland dokumentiert. Insgesamt 75 der 89 Angriffe waren körperliche Gewalttaten, wie der Bericht "Nahaufnahme 2025" zeigt, den "Reporter ohne Grenzen" zur Lage der Pressefreiheit in Deutschland am Dienstag in Berlin veröffentlichte.

Mit 89 Attacken auf Medienschaffende und Medienhäuser verdoppelten sich die Angriffe im Vergleich zu 2023 (41 Angriffe). Im Jahr 2022 hatte RSF sogar 103 Angriffe auf Journalisten verifiziert. Gewalt gegenüber Journalistinnen und Journalisten sei vor allem im Brennpunkt Berlin ein Thema, wo sich 49 der bundesweit dokumentierten Fälle ereigneten, heißt es in dem Bericht. Die meisten Übergriffe seien am Rande von Nahost-Demonstrationen gezählt worden. 29 dieser Attacken richteten sich gegen zwei Reporter, die immer wieder angegriffen worden seien.

Im Rest Deutschlands gerieten Medienschaffende weiterhin zumeist bei der Berichterstattung von rechtsextremen Demonstrationen und bei Versammlungen von Anhängern von Verschwörungserzählungen in Gefahr. "Reporter ohne Grenzen" zählte im vergangenen Jahr insgesamt 21 gewalttätige Angriffe, die dem rechten oder rechtsradikalen Spektrum zugeordnet werden können.

Angst vor Bloßstellung in sozialen Netzwerken

RSF weist in dem Bericht darauf hin, dass die Organisation im Jahr 2024 insgesamt 123 Hinweise auf Gewalt gegen Medienschaffende gesammelt habe. Von diesen hätten jedoch nicht alle verifiziert werden können.

Generell erlebten Reporterinnen und Reporter im Kontakt mit der Bevölkerung eine wachsende Pressefeindlichkeit, hieß es. Aber auch innerhalb der Redaktionen habe es 2024 Konflikte gegeben: Vor allem nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des terroristischen Anschlags der Hamas auf Israel, sei der Organisation immer wieder von einem "stark verengten Meinungskorridor" bei der Arbeit zu Israel und Palästina berichtet worden. Unter anderem Auslandskorrespondenten schilderten aus den Redaktionen äußerst langwierige Kontroll- und Aushandlungsprozesse zu Begriffen, mit denen die israelische Kriegsführung kritisiert werde. Aussagen palästinensischer Quellen und von Menschenrechtsorganisationen oder den Vereinten Nationen würden grundsätzlich infrage gestellt. Viele Journalisten äußerten zudem Angst vor Bloßstellung in anderen Medien und in den sozialen Netzwerken.

Medienvielfalt auf hohem Niveau

Grundsätzlich halte sich die Medienvielfalt in Deutschland im internationalen Vergleich weiterhin auf einem hohen Niveau, doch wirtschaftlicher Druck gefährde sie zunehmend. Während öffentlich-rechtliche und private Sender weiterhin ein großes Angebot hätten, nehme die Zahl unabhängiger Lokalzeitungen ab. Seit 1992 sei der Anteil der Landkreise, in denen es nur noch eine Lokalzeitung gebe, von 33,5 auf 46,75 Prozent gestiegen, hieß es.

Mika Beuster, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, sagte am Dienstag dem epd: "Wir brauchen in mehrfacher Hinsicht einen besseren Schutzschirm für Medienschaffende: Journalisten müssen nicht nur gegen digitale Angriffe geschützt werden, sondern brauchen auch einen anlogen Schutz, wenn sie über Demonstrationen berichten. Ich erwarte, dass der Bund hier ein ganz klares Signal setzt."

Diese Angriffe sind eine Attacke auf die Pressefreiheit.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di forderte Medienhäuser, Polizei und Politik auf, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Medienschaffenden als Teil des Koalitionsvertrages zu erarbeiten. "Diese Angriffe sind eine direkte Attacke auf die Pressefreiheit", erklärte Danica Bensmail, dju-Bundesgeschäftsführerin. Trotz dieser Entwicklung sei bislang nicht erkennbar, dass die geplante schwarz-rote Koalition dieses Problem als politische Aufgabe anerkenne.

In dem Bericht geht Reporter ohne Grenzen auch auf das Ende des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) ein. Mit dem im Oktober 2022 angelaufenen Programm, das zum Ziel hatte, Menschen in Sicherheit zu bringen, die wegen ihres Einsatzes für deutsche Organisationen oder für Menschenrechte und Demokratie bedroht sind, seien insgesamt weniger als 900 Personen eingereist, unter ihnen nur sechs von RSF vorgeschlagene Journalistinnen und Journalisten und deren Familien. Insgesamt hatte die Organisation 24 Medienschaffende für das Programm vorgeschlagen.

Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" steht Deutschland auf Platz 10 von 180 Staaten. Diese wird am 3. Mai neu veröffentlicht.

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Zuerst veröffentlicht 08.04.2025 06:00 Letzte Änderung: 08.04.2025 12:55

Schlagworte: Medien, Presse, Pressefreiheit, Reporter ohne Grenzen, NEU

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