08.04.2025 07:05
Sechsteiliger ARD-Politthriller "Das zweite Attentat"
Schon der Vorspann à la Netflix lässt vermuten, dass diese Serie von belastenden Dingen erzählt. Man sieht verzweifelte Kinder und Gewalt. Eines der Kinder aus dem Vorspann ist in der ersten Folge erwachsen und trägt auch als junger Mann noch Wuschelkopf. Er lebt in Griechenland. Mal heißt er Patrick Schneider, dann wieder Alex(ander) Jaromin, gespielt von Noah Saavedra.
Alex/Patrick ist schon seit seiner Kindheit, seit 20 Jahren, im Zeugenschutzprogramm und wurde mit neuer Identität ausgestattet. Auf seine Familie wurde einst in der friedlichen Wohnstraße vor dem Eigenheim geschossen. Während sein Vater und seine Schwester getötet wurden, überlebten seine Mutter und er den Anschlag, blieben aber fürs Leben gezeichnet. Angeblich waren die Täter Serben, die sich an Alexanders Vater Frank (Daniel Lommatzsch), der im Jugoslawien-Krieg im Einsatz war, rächten und den Rest der Familie auch zwei Jahrzehnte später noch immer töten wollen.
Während Folge eins Alex in den Mittelpunkt stellt und es gut gelingt, die Zuschauerin oder den Zuschauer für den Protagonisten mit dem außergewöhnlichen Schicksal zu interessieren, gerät Alex in Folge zwei zu weit aus dem Fokus. Plötzlich geht es in der Rückschau auch nicht mehr um den Balkan-Krieg, sondern um den Ausbruch des Irak-Kriegs 2003. Nanu? Prognose: Bei Folge zwei wird dieser Politthriller viele Zuschauer verlieren. Leider, denn danach wird die Erzählung wieder konsistenter.
Wer alt genug ist, wird mit etwas Konzentration trotz der ständigen Sprünge von Zeit und Ort folgen können. Athen, Bosnien, Berlin, Amman, Berlin-Grunewald, Bagdad, Bonn, Teheran, Ramstein - und so weiter und so fort. Glaubt man der fiktionalen Serie, steckten einige Deutsche vor über 20 Jahren tief mit drin im Ausbruch des sogenannten Präventivkriegs, den die Amerikaner wegen angeblich vorhandener "Massenvernichtungswaffen" begannen, obwohl es keine gab.
Wie genau, das erfährt der Zuschauer, wenn er sechs Folgen Geduld und Lust auf eine aufwendige, gut gefilmte, mal mehr, mal weniger spannende internationale Koproduktion mit allen genreüblichen Politthriller-Zutaten hat. Als da wären: Geheimdienste, Dunkelmänner, Verschwörer und Verräter. In Folge sechs erfährt man dann auch endlich, warum diese Miniserie "Das zweite Attentat" heißt.
In Erinnerung bleiben besonders die Gewaltdarstellungen. Es gibt reichlich schreckliche Szenen. Auch Frauen werden hier extrem brutal, was man im TV nach wie vor nicht so häufig sieht, weshalb eine Serie wie "Killing Eve" bei Netflix ein Hingucker war. Viele Menschen sehen Gewalt nachweislich gern. Oft lässt die gezeigte extreme Gewalt aber kalt, man guckt gar nicht mehr richtig hin. Das ist hier anders.
Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Lebensgeschichte von Alexander, seine Alpträume, Wut und Ängste hier gleichsam als Kommentarspur zum Thriller mitlaufen. Gewalt hat Folgen - und Überlebende extremer Gewalt wie Alexander oder seine Mutter sind schwerstbeschädigt. Therapie hin, Zeugenschutz her.
infobox: "Das zweite Attentat", sechsteilige Thriller-Serie, Regie: Barbara Eder, Philipp Osthus, Buch: Oliver Bottini, Julia Neumann, Benjamin Karalic, Ulfu Tschauder, Christoph Darnstädt, Kamera: Stephan Burchardt, Birgit Dierken, Frank Küpper, Produktion: Eikon Media, Deal Productions, Avirofilms, Creative Producer (ARD-Mediathek/WDR/Degeto, seit 2.4.25, ARD, 9.4.25, 20.30-22.45 Uhr und 11.4.25, 22.20-0.35 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 08.04.2025 09:05 Letzte Änderung: 15.04.2025 11:56
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), ZDF, Thriller, Barbara Eder, Philipp Osthus, BER, NEU
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