08.04.2025 13:14
Insel-Krimi "Morden auf Öd" mit Detlev Buck bei RTL
epd Noch ein deutscher Provinzkrimi gefällig? RTL spendiert jedenfalls noch einen, zur Stärkung seiner Programmmarke "Tödlicher Dienst-Tag", die bislang aus drei losen Reihen besteht: "Dünentod - Ein Nordsee-Krimi", "Behringer und die Toten - Ein Bamberg-Krimi" und "Alpentod - Ein Bergland-Krimi". Die Großstadt-Testballons "Sonderlage - Ein Hamburg-Krimi" und "Die Neue und der Bulle - Ein Duisburg-Krimi", haben nach jeweils zwei Folgen keine Fortsetzung mehr erfahren. Jetzt also "Morden auf Öd - Ein Inselkrimi": angesiedelt auf dem titelgebenden fiktiven Eiland, gedreht auf Fehmarn, ersonnen und geschrieben von Routinier Holger Karsten Schmidt.
In der Auftaktepisode "Tag der Abrechnung" arbeitet der Drehbuchautor, der das ausufernde Genre zuletzt im Auftrag der ARD mit "Nord bei Nordost - Westend" anreicherte, mit so vielen Versatzstücken aus der Rubrik "Lakonisch-wortkarger norddeutscher Humor", dass es geradezu sedierende Wirkung auf den Zuschauer hat. Möwen kreischen, Schafe spazieren übern Deich, auf der Tonspur erklingen sanfte Bottleneck-Gitarren. Revierleiter Rolf Benz (ein Besetzungs-Coup: Detlev Buck) sitzt in adretter Polizeiuniform auf seinem Stuhl und stiert ins Leere.
Das Leben ist wie eine Schaufel.
Sein Bruder und Kompagnon Jürgen (Steffen Münster) surft derweil Sexseiten im Netz ab. "Was machste?", fragt Jürgen. "Denken", sagt Rolf. "Und über was?", fragt Jürgen. "Verstehst du nich", antwortet Rolf. "Na, sach", sagt Jürgen. "Über das Leben", sagt Rolf. "Und was denkste da?", fragt Jürgen. "Ich denke, das Leben ist wie eine Schaufel", sagt Rolf. "Versteh ich nich", sagt Jürgen. "Hab ich ja gesacht", sagt Rolf. Herrje, passiert hier denn wirklich gar nichts?
Ach so, es ist sogar schon was passiert: Klaus Hansen (Max Hubacher), der Junior-Kollege der beiden Brüder, hat nachts Schüsse auf dem Meer gehört und am Morgen ein angespültes Boot mit einer Männerleiche an seinem Hausstrand entdeckt. Nun ruft er in der Dienststelle an und meldet "ein Problem". Aber auch davon lassen sich die Insel-Cops nicht aus der Ruhe bringen: Mit vereinten Kräften schieben die drei den Kahn kurzerhand wieder ins Meer. Könnte es sich statt Schüssen nicht auch um ein Wetterleuchten gehandelt haben?
Darauf ein Bier in der Dorfkneipe "Jungspund"! Erst als die neue Kollegin Maja Stein (Paula Kalenberg) mit zwei voluminösen Rollkoffern vom Festland eintrifft, nimmt die Handlung Fahrt auf. Zumal das Boot mit dem Toten erneut angetrieben wird und im Nachbarrevier eine zweite Leiche auftaucht.
Während die Neue wegen eines Wasserschadens in ihrer vorgesehenen Unterkunft bei Klaus einzieht und zum Aufschreiben von Falschparkern verdonnert wird, scheinen die Benz-Brüder in dubiose Deals verstrickt zu sein. Offenbar sind bei einer missglückten Übergabe Drogen und Geld verloren gegangen. Waisenkind Klaus, der seinen Ziehvätern Rolf und Jürgen auf tragische Weise verbunden ist, beginnt allein zu recherchieren.
Maja Stein, die Lippen lesen kann, verfolgt ohnehin ihre eigene Mission. Und als auch noch zwei gefährlich schlicht gestrickte dänische Auftragskiller (Kalle Perlmutter, Klaus Tange) von veritablem "Fargo"-Format auf Öd auftauchen, kriegt die Provinzposse die Kurve hin zum handfesten Krimi.
Zwar werden weiterhin ein trotziger Lokalpatriotismus und die Kunst der kurzen Rede gepflegt. Hamburg? "Is überschätzt", lautet gleich zweimal die Replik, als Maja die Hansestadt als ihr eigentliches Versetzungsziel angibt. "Riechen Sie nicht das Salz in der Luft?", entgegnet Klaus auf ihre Frage, was ihn auf der Insel halte. Aber wenn Rolf den misstrauisch gewordenen Junior mit gleichnishaften Geschichten über die Wichtigkeit von Familienzusammenhalt beeindrucken will, schwingt mittlerweile etwas Bedrohliches mit.
Alle beargwöhnen sich gegenseitig, es erfolgen wechselseitige Empfehlungen, doch besser mit der 17-Uhr-Fähre die Insel zu verlassen, um Schlimmeres zu verhindern. Das erinnert an "Mörder auf Amrum" (2010), den Film, mit dem Holger Karsten Schmidt sein Spezial-Genre der nordischen Regionalkrimis begründete. Aber keiner geht an Bord.
Je länger man buddelt, desto tiefer das Loch.
"Das Leben ist wie ein Hotdog, wie man bei uns sagt: am Anfang und am Ende gleich": der ältere dänische Auftragskiller ist Alltagsphilosoph. Rolf kontert mit dem Ergebnis seines intensiven Nachdenkens: "Wir sagen: Das Leben ist wie eine Schaufel. Je länger man buddelt, desto tiefer das Loch."
Am Ende beobachten Klaus und Maja ein weiteres Wetterleuchten über dem Meer, und auf dem Revier steht wohl ein Generationswechsel an. Wie für die anderen Reihen des "Tödlichen Dienst-Tags" gilt auch für den Auftakt von "Morden auf Öd": Die Umsetzung der vom Sender geforderten Mischung aus Humor und Nervenkitzel ist professionell bis inspiriert, wirkt aber austauschbar. Ob einer der Filme das Korsett mal sprengen kann und ein wirklich eigenständiger, herausragender Genrefilm wird, muss sich noch zeigen.
infobox: "Morden auf Öd - Ein Insel-Krimi: Tag der Abrechnung", Regie: Richard Huber, Buch: Holger Karsten Schmidt, Kamera: Hendrik A. Kley, Produktion: 307 production (RTL+, seit 1.4.25, RTL, 8.4.25, 20.15-22.15 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 08.04.2025 15:14
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KRTL, Krimi, Buck, Huber, Schmidt, Luley
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