Die Donaldisierung der Nachrichten - epd medien

20.04.2025 09:10

Nachrichten kommen schon lange nicht mehr nur über Zeitungen oder Fernsehsendungen in die Welt und zu uns. Längst bilden sie sich aus in sozialen Netzwerken und wandeln sich durch die pseudofamilialen Strukturen immer mehr zu Impressionen des Subjekts, schreibt der Autor Torsten Körner in diesem Essay. US-Präsident Donald Trump bediene die Logiken der Netzwerke perfekt. Zwischen den Medien und ihm bestehe ein "untergründiger Teufelspakt". Es gehe um "Aufmerksamkeitstheater um jeden Preis".

Ein Essay zur Diktatur der Aufmerksamkeit

Der erste Staatschef, dessen pure Existenz Nachricht ist: Donald Trump

epd Am 18. April 1930 sprach der Nachrichtensprecher der BBC um 20.45 Uhr folgenden Satz: "There is no news!" Dann folgte eine Viertelstunde Klaviermusik.

infobox: "Truth stands on the gallows / Lies sit on the throne" - Cognitive Dissident, The The

Es ist ein Nachrichtendurst in der Welt, der ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Die Frage ist mittlerweile, ob dieser Durst nach Nachrichten sich die Welt schließlich untertan macht und die Realität zu einer nachgeordneten Größe. Wenn alles Nachricht wird, ist alles, was nicht Nachricht wird, nichts. Was nicht Nachricht wurde, hat nicht stattgefunden. Die Diktatur der Aufmerksamkeit ist nahezu vollendet.

infobox: "Nachrichtenwesen, Sammlung militärischer Nachrichten über fremde Länder, mit Hilfe der Presse, durch die Militärattachés der Gesandtschaften, bei drohendem Krieg durch Kundschafter gesammelt und im Generalstab verarbeitet. Im Kriege liegt die Verwertung der durch Erkundung, von Gefangenen, Landeseinwohnern erlangten Nachrichten dem Generalstab ob. Technische Hilfsmittel zur Nachrichtenübermittlung sind Telegraph, Funkentelegraph, Heliograph, Scheinwerfer, Fernsprecher, Brieftauben, Luftschiffe, Fahrrad und Selbstfahrer." - Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1909

Früher hatten die Nachrichten ihre Zeit. 20 Uhr war Nachrichtenzeit, war "Tagesschau"-Zeit. Niemand rief an, alle waren geeicht auf diese Nachrichtenzeit. Die Herren (Damen galten lange als nachrichtenuntauglich) lasen vom Blatt, als wären sie Sprecher einer Behörde zur täglichen Nachrichtenversorgung der Bürger. Die Sendung selbst war stabil, steif, und alles, was in den Nachrichten Platz fand, wurde umgehend entdramatisiert, geordnet, abgelegt. Staatsbesuche, Flugzeugentführungen, Tarifverhandlungen, Attentate, der Nahostkonflikt. Alles wurde in Meldung, Grafik, in Standbild und Korrespondenten-Bericht verwandelt.

Die Nachrichtensendung war wie in Öl gemalt. Das Studio war flach wie eine Scheibe, von der Sendung ging weder ein Sog noch ein Strudel noch eine Saat des Zweifels aus. Die Welt war, wie sie gezeigt wurde, die Welt war, wie sie ist. Wenn die Nachrichtenzeit vorbei war, war sie vorbei. Dann konnte man die wirklich wichtigen Dinge des Lebens erledigen. Die Nachrichten blieben in diesem Kasten namens Fernsehen deponiert.

Fake News

Trump ist Nachricht. Er ist vermutlich der erste Staatschef, dessen pure Existenz Nachricht ist. Wo er ist, steht, spricht, schweigt, wo er angeklagt oder angeschossen wird, wo er Hände schüttelt, wo er lügt oder tanzt, da ist Nachricht, noch bevor er all diese Dinge tut. Er ist informationelle Performanz im Dauerbetrieb, 24/7, er ist sein eigener Kanal, sein eigenes Medium.

Dass sein Nachrichtendienst "Truth social" heißt, verweist darauf, dass faktenbasierte Wahrheiten oder zumindest Gewissheiten und mehrheitliche Realitätsverabredungen old school sind. Wahrheit ist da, wo Trump es uns wissen lässt. Fake News sind da, wo er es uns wissen lässt. Auf dem informationellen Sektor hat Trump das Weiße Haus auf das Niveau eines Schurkenstaates gehoben.

Die Nachricht bin ich

Wenn das Mantra des angeblichen "freien Marktes" das Wachstum ist, warum sollte dann nicht auch die Nachricht als Ware wachsen? Nachrichten sind Konsumgüter geworden, so wie Marmeladen, jeder wählt die Sorte, die dem eigenen Geschmack am meisten entspricht. Früher wurden Nachrichten von Fürsten oder dem Staat autorisiert, dann bestimmten Redaktionen die Spielregeln, seit 20 Jahren bilden sie sich aus in sozialen Netzwerken.

Durch diese pseudofamilialen Strukturen wandeln sich Nachrichten immer mehr zu Expressionen und Impressionen des Subjekts. Es kommt nicht mehr darauf an, bestens informiert zu sein, es kommt darauf an, auf bestmögliche Art und Weise deformiert zu sein. Jeder hält die eigene Delle, die selbst komponierte Deformation, für die Welt an sich. Die Welt ist so, wie ich sie empfinde. Ich bin die Nachricht an die Welt.

infobox: "Fabian saß in einem Café namens Spalteholz und las die Schlagzeilen der Abendblätter: Englisches Luftschiff explodiert über Beauvais, Strychnin lagert neben Linsen, Neunjähriges Mädchen aus dem Fenster gesprungen, Abermals erfolglose Ministerpräsidentenwahl, Der Mord im Lainzer Tiergarten, Skandal im Städtischen Beschaffungsamt, Die künstliche Stimme in der Westentasche, Ruhrkohlenabsatz lässt nach, Die Geschenke für Reichsbahndirektor Neumann, Elefanten auf dem Bürgersteig, Nervosität an den Kaffeemärkten, Skandal um Clara Bow, Bevorstehender Streik von 140.000 Metallarbeitern, (...). Das tägliche Pensum. Nichts Besonderes." - Erich Kästner: Der Gang vor die Hunde

Man schaue sich eine beliebige Nachrichtensendung aus den 1970er Jahren an, etwa die "Tagesschau" vom 11. September 1976. Sie ist keineswegs undramatisch, aber die Form und das Format bannen das Drama. Es werden gleich zwei Flugzeugentführungen und ein Flugzeugabsturz in Zagreb gemeldet. Es gibt Hunderte Tote, mehr als hundert Deutsche sind unter den Opfern. Die Sendung wirkt wie ein Gefühlsdämpfer, wie eine Kältekammer zur Aufbewahrung von Leid und Leichen.

Ein Augenzeuge des Flugzeugabsturzes wird interviewt. Während der Mann befragt wird, ein Flugzeugkapitän, lädt jemand im Bildhintergrund den Kofferraum eines Wagens voll. Dieses zufällige Detail wird nicht kaschiert, erklärt oder eingeordnet. Es steht ganz einfach in der Welt und erzählt gleichsam unbeabsichtigt, dass die Welt bleibt, wie sie ist. Selbst wenn Hunderte Menschen sterben, fährt ein anderer gerade in Urlaub oder ist auf dem Weg zur Arbeit.

Immersive Räume

Die Nachrichtensendung mag amtlich anmuten, seriös und halboffiziell wirken, gleichzeitig muss sie sich und dem Zuschauer eingestehen, dass die Welt eine eigene Macht ist und Autorität. Die Nachricht ist ein Weltpartikel, aber nicht die Welt. Das Nachrichtenstudio damals hat die Aura eines Wartezimmers des dörflichen Landarztes und die Uhr, die dort hängt, blickt streng auf die Wartenden, wie ein Gesetz, wie ein Schicksal: So wird es sein, heute und morgen!

Die Nachrichtenstudios heutiger Tage sind immersive Räume, die den Zuschauer mehr einbeziehen sollen. Ob "Tagesschau" oder "Heute"-Sendung, die Räume sind gebogen, halbrunde, kurvige Räume, die - wenn man die Linien weiterdenkt - die Zuschauer ebenfalls ins Rund bannen. Dazu passen dynamische Bildräume, in denen sich die Sprecherinnen und Sprecher bewegen, Kameras wechseln und permanent zu Korrespondenten schalten oder Berichte anmoderieren.

Wir lassen niemand zurück.

Wenn heute ein Korrespondent aufgerufen wird, kann es passieren, dass zwei oder drei Korrespondenten in Reihe zugeschaltet werden und - während sie über ihr Thema sprechen - im Split Screen ein weiterer Akteur auftaucht, etwa Putin, Trump oder Selenskyj und stumm vor sich hin spricht. Papier hat ausgedient, das Auge des Sprechers taucht ins Zuschauerauge ein, die Sprache insgesamt ist umgangssprachlicher geworden und soll Augenhöhe signalisieren.

Wir lassen niemand zurück, heißt die unausgesprochene Botschaft, unsere Nachricht soll jeden erreichen. Unausgesprochen weht aber auch der Appell durch die Räume: Bleib bei uns, schalte nicht um! Wer serviert dir die Nachricht so schmackhaft und nahrhaft wie wir?

Im Akt des Nachrichtenverzehrs synchronisiert sich das Individuum mit der ganzen Welt, der Totalität der Dinge. Das ist zwar nur eine Simulation (weil jede Nachrichtensendung ein Fragmentarium ist), aber für Momente finden Welt- und Ichjäger zusammen im Augenblick der Einverleibung. Das mag ein pseudoreligiöser Akt sein: wir verzehren die Nachricht wie einst die Oblate und spüren die große Ordnung auf unserer Zunge. Für einen Augenblick geben wir uns der Illusion hin, wir befänden uns auf Gegenwartshöhe, auf dem allwissenden Hochsitz, dann, im nächsten Augenblick oder der nächsten Sendung, verweht der Schein von Ordnung und Gewissheit und alles löst sich auf in ein Gewimmel von unverbundenen Punkten und Partikeln.

Lost

Wer regelmäßig die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF einschaltet, ein oder zwei Minuten bevor die Sendung beginnt, landet in einem Ozean aus seichten Gefühlen, tränenreichen Geständnissen ("Er war unserer Liebe im Weg!") oder in alpinem Manna für die Seele (Bergretter, Bergdoktoren, Bergkliniken). Die Nachrichtensendungen sind in diesen desinformationellen Ozeanen wie Eilande, die sich gegen das Verschlungenwerden mit Buhnen aus Zahnstochern schützen.

ARD und ZDF schaffen also Bildflüsse und Programme, in denen die Informationssendungen selbst verwandelt werden in ein Rosamunde-Pilcher-Format, denn wer kann das ernst nehmen, was dort gesagt und berichtet wird, wenn die Programmwelt drumherum keine Konsequenzen daraus zieht? Wäre die Welt wirklich so "schlimm", wie "Tagesschau" und "Heute Journal" behaupten, dann würde man sich doch nicht auf die Ärzte der Sachsenklinik oder Simone Thomalla als Dorfhelferin Katja Baumann verlassen. Die Nachrichten-Welt ist nicht aus den Fugen, sie kennt keine Fugen mehr.

Ingo Zamperoni oder Marietta Slomka sind Darsteller einer Serie namens "Lost". Ihr Flugzeug ist abgestürzt, aber niemand birgt sie aus dem Dschungel.

infobox: "Von allen Dingen dieser Welt ist Information am schwersten zu schützen, denn sie kann gestohlen werden, ohne sie zu entfernen." - Erving Goffman

Trump ist nur ein Symptom. Nicht er hat die Welt in ein True-Crime-Format verwandelt, aber er tut alles, um diese Tendenz zu verstärken. Das Verbrechen an sich ist der Motor der Plattformen und die Algorithmen verwandeln Schlagzeilen in Schlächterzeilen. Wir sind da zu Hause, wo es brennt, wo gemordet wird, gestohlen und betrogen. Der Erfolg der True-Crime-Formate lässt die "Tagesschau" nur als ein weiteres Format dieser Couleur erscheinen, Jens Riewa als True Detective. Trumps Sprache, sein Nachrichtenkörper, sein body of sex, crime and tweets verwandelt alles in einen globalen Krimi und die Nachrichten folgen ihm.

Trump hat den liquiden Manichäismus in die Welt getragen. Wo ein alter Manichäer das Gute und Böse, das Licht und das Dunkel, die Gemeinde und das schwarze Schaf schiedlich und friedlich trennte (die absolute Trennung war das Signum dieser Lehre), hat Trump diese Grenzziehungen aufgehoben. Heute ein Schurke, morgen ein Held. Strafzölle ja, Strafzölle nein. Täter ist Opfer und umgekehrt. Frieden und Krieg? Eine Soße. Wer heute für mich ist, ist morgen gegen mich und umgekehrt.

Die heillose Verwirrung, die Trump stiftet, erfasst selbst seine Gegner und sogar die Attentäter, die ihm nach dem Leben trachten. Warum ein 20-Jähriger ihn am 13. Juli 2024 in Pennsylvania töten wollte, weiß auch heute noch niemand. Trump aber wusste - und da sah man sein unheimlich waches Gespür für die Nachrichten und den Nachrichtendurst - wie er den Anschlag zu seinen Gunsten wenden konnte, indem er ein ikonisches Bild schuf: Mit geballter Faust rief er "Fight! Fight!" und damit hatte er bewiesen, dass er im 21. Jahrhundert genauso zu Hause ist wie im Jahrhundert zuvor. Trump ist reine Gegenwart.

Spannung

"Es bleibt spannend!", "Spannende Zeiten" oder auch "Hochspannung!", das sind Formulierungen, die in vielen Nachrichtensendungen fallen, aber auch in Hintergrundgesprächen mit Politikern. "Fortsetzung folgt", "frische Nachrichten" oder auch "der nächste Akt dieses Dramas" finden sich ebenso in An- oder Abmoderationen. Damit ist klar, dass die Nachrichten eine weitere Sendung im Dienste des Entertainments sind.

Dass wir uns zu Tode amüsieren, hatte schon Neil Postman in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts prophezeit und das Infotainment gegeißelt. Jahrzehntelang hatte man sich gegen seinen düsteren Pessimismus gestemmt, gegen diese Kassandra der Kulturkritik, doch mit Donald Trump betrat ein Präsident die Bühne, der ganz offenbar Postmans Vorhersagen genau entsprach.

Wir alle haben ihn auf den Thron gehievt, weil eine Show mit ihm eben eine Show ist und dass der größte Clown auf Erden jetzt regiert, ist der Triumph des Amüsements über die Analyse, der Triumph der Lüge über die Wahrheit, der Sieg der Fake News über die reale Welt. Unser Amüsement hat Trump den Steigbügel gehalten. Zwei oder drei andere Gründe ließen sich sicherlich auch noch finden.

infobox: "Wir halten Nachrichten für eine so selbstverständliche Größe, dass wir vergessen haben, wozu sie eigentlich dienen." - Peter Sloterdijk

Einer der Ratschläge der Evolution an den Menschen betraf das Nachrichtenwesen. Versorge dich mit Nachrichten, dann lebst du länger! Woher kommt der Wind? Wer greift an? Wo steht das Raubtier im Wald? Bloß wo und wann ist diese Programmierung, diese Nachrichtennotwendigkeit, in Nachrichtendurst umgeschlagen und wie ist dieser wiederum noch von Sensationslust zu trennen?

Die digitalen Medien haben das Nachrichtenwesen in einen unüberschaubaren Ozean von "autonomen Teilöffentlichkeiten" (Andreas Reckwitz) verwandelt, mitunter so klein und so krude, dass man beinahe besser von expressiven Teilchenöffentlichkeiten spräche. Wie bekommt man diese wieder eingefangen? Wie bekommt man sie dazu, an einem Diskurs über das Allgemeine teilzuhaben? Wie widerstehen Nachrichtenredaktionen dem Info-Tsunami, den Trump entfesselt? Wie erzählt man Politik und wie inszeniert man sie aufrichtig, ohne Trumps hysterischer Politik-Performance zu verfallen, die Authentizität behauptet, aber dieses Wort endgültig auf den Abfallhaufen der Begriffsgeschichte katapultiert.

Großartiges Fernsehen

Als Donald Trump und sein Vizepräsident Vance im Februar den ukrainischen Präsidenten vor versammelter Weltpresse niederkartätschten, rief Trump den Kameras entgegen: "Das wird großartiges Fernsehen sein!" Angesichts einer medialen Dämonokratie wie dieser, die flankiert wird von Oligarchen, die ihre Medien zurechtstutzen (wie Jeff Bezos die "Washington Post"), wird jeder und jede genau prüfen müssen, wie man es mit den Nachrichten hält.

Nachrichten sollen eigentlich stabilisierend wirken, wenn aber ein Dauerstrom von Nachrichten auf das Subjekt einprasselt, wird daraus ein stream of consciouness der Instabilität, ein sensationalistisches Gewitter im besten Trumpschen Sinne.

Der Einzelne wird sein Nachrichtenportfolio gewissenhafter kuratieren und aus Eilmeldungen auch mal eine Verweilmeldung machen, also Eilmeldungen, die keine sind, als solche verwerfen und echte Zäsuren genauer betrachten. Die Redaktionen müssten die Donaldisierung der Nachrichten bekämpfen, nicht alles, was dieser goldene Schnabel namens Trump fallen lässt, ist Nachricht. Die Donaldisierung der Welt durch Ausdeutung jeder Präsidentengeste stärkt dessen Machtbasis.

Täter-Opfer-Umkehr

Die Frage ist, wie berichtet man über diesen Präsidenten, ohne seinen Eskalationsstrategien auf den Leim zu gehen? Das Problem ist, dass zwischen den Medien (auch den Qualitätsmedien) und Trump ein untergründiger Teufelspakt besteht: Das Aufmerksamkeitstheater um jeden Preis, der Reichweiten-Imperialismus der Sender, die trübe Täter-Opfer-Umkehr in der herrschenden Aufmerksamkeitsökonomie: Der Täter kriegt alles, das Opfer fast nichts. Wir müssen uns abgewöhnen, alles durch die True-Crime-Brille zu sehen und zu inszenieren. Die Opfer der Nachrichten sind jene, die nicht darin vorkommen, aber darin vorkommen sollten.

Hier steckt ein demokratie-erhaltender Auftrag für die öffentlich-rechtlichen Sender, deren Unabhängigkeit wichtiger ist denn je. Allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der dramaturgische Populismus ihrer Formate und Formen ein trüber Kampfgefährte jenes politischen Populismus ist, der ihnen an den Kragen will. Die Autonomie dieser Anstalten bestimmt jedoch nicht in erster Linie die Reichweite, sondern die Denk- und Qualitätsweite.

bild: 6763 Copyright: Diemut Roether

Es wäre eine gute Nachricht, wenn diese Sender darüber nachdächten, wie sie ihre Nachrichten gegenüber den Imperativen des Sofortismus, der hysterischen Polit-Performanz und des liquiden Manichäismus sturmfest machen würden. Die Entsubstantialisierung der politischen Sprache, die Zerstörung der reflexiven Rhetorik ist auch ein Ergebnis medialer Ungeduld und Aktualitätsbehauptung.

Dinosaurier

Trump ist dort ein Brandbeschleuniger. Kosmetische Dynamik im Nachrichtenstudio, auf den Eilanden "Tagesschau" oder "Heute" reicht nicht aus, um mit der Infodemie Schritt zu halten. Angesichts einer neuen Weltunordnung müssten die Programminhalte dem Auftrag gemäß zueinander neu justiert werden und Information und Bildung gegenüber der Unterhaltung stärker nach vorn treten. Andernfalls wirken Sendungen wie "Tagesschau" und "Heute" nur noch wie Dinosaurier nach dem Meteoriteneinschlag: Ausgestorben und Asche.

Das sitzt man dann. Um 19 Uhr und um 20 Uhr. Man ist ja selbst ein Dinosaurier, man liegt biografisch genau an der Abbruchkante zwischen Babyboomern und Generation X und hat noch Erwartungen ans Lineare, an Nachrichten, an Sendungen wie die "Tagesschau", an die Aufklärung, an die Beherrschbarkeit von Komplexität. Man sitzt da ebenso zerschlagen und fragmentiert, ohnmächtig und sediert wie alle Tage und denkt, der Fortschritt ist kein Kuscheltier und denkt, wie behaglich und bürokratisch kehrt die Sendung die Trümmer zusammen, die man Gegenwart heißt.

Dann, später, nachts, streamt man irgendwas behaglich Dystopisches.

Torsten Körner Copyright: Foto: Mia Horlemann Darstellung: Autorenbox Text: Torsten Körner ist Schriftsteller und Dokumentarfilmer. Im Mai erscheint von ihm "Wir waren Heldinnen. Wie Frauen den Fußball eroberten".



Zuerst veröffentlicht 20.04.2025 11:10 Letzte Änderung: 20.04.2025 18:19

Torsten Körner

Schlagworte: Medien, Jounalismus, Nachrichten, Essay, Trump, Körner, NEU

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