Die große Leere - epd medien

21.04.2025 09:25

Ein Star auf Social Media werden: Das wollen viele Influencer und sogenannte Content Creators. Bei Joyn läuft seit Anfang April die Doku-Soap "Make Me Famous", in der ein Nachwuchs-Influencer von erfahrenen Selbstdarstellern gecoacht wird.

Joyn sucht mit "Make Me Famous" nach Influencern von morgen

Dennis Felber, Xenia Tsilikova, Gina Beckmann und Can Günaydi (von links) sind die Coaches bei "make Me Famous"

epd Noch hat es der Fachkräftemangel unter Influencern, Reality-Sternchen und sogenannten Corntent Creators nicht zum Talkshow-Thema gebracht, doch der Streaming-Anbieter Joyn prescht schon mal mit einer neuen Doku-Soap vor, die es sich zur Aufgabe macht, einen neuen Online-Star aufzubauen. Hierzu zieht in der täglich veröffentlichten Sendung "Make Me Famous" ein Creator-Newcomer für acht Wochen mit vier etablierten "Content Creators" in eine Münchner Villa, um von ihnen alles zu lernen, was man für diesen Job braucht. Das gemeinsame Ziel sei, so Joyn, die maximale Steigerung der Reichweite aller.

Fame als Selbstzweck - diesen Weg haben die vier erfahreneren Selbstdarsteller längst eingeschlagen: Xenia Tsilikova wurde bekannt als Zweitplatzierte bei "Germany’s Next Topmodel". Der ebenfalls beautyaffine Can Günaydi baute sich als Youtuber eine Zielgruppe auf, indem er auf Beichten seiner Zuschauer reagierte. Dennis Felber ist Online-Fitnesscoach, der bereits in Reality-TV-Formaten auf Partnersuche war. Und Gina Beckmanns Karrieresprungbrett war ihre Teilnahme an "Big Brother" während des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie. Ausgestattet mit Casting-, Reality- und Youtube-Erfahrung, vor allem aber mit stolz kommunizierten Followerzahlen, sollen diese vier Profis einen Newcomer zum Durchbruch verhelfen.

Ein nicht enden wollendes Making-Of

"Make Me Famous" lässt sich dafür reichlich Zeit. In den ersten Folgen trudeln die Profis nach und nach in der Villa in München ein und machen sich mit den Räumlichkeiten vertraut. Dabei nehmen sich alle Protagonisten in der Villa, beim Einkaufen, beim Feiern, ja sogar am Steuer, stets selbst auf. Hierzu stecken sie ihre Smartphones in sogenannte Gimbals, eine Art Selfiestick mit Bildstabilisator, filmen sich den lieben langen Tag und laden ihre Aufnahmen in die Cloud, damit sie von der Produktion zu halbstündigen Folgen zusammengeschnitten werden. Da diese Selfie-Produktion auf Ansteckmikrofone verzichtet und mancher Dialog akustisch kaum zu verstehen ist, werden viele Gespräche untertitelt. All das wirkt überhaupt nicht wertig, eher amateurhaft - dazu tragen auch die Tippfehler in den Untertiteln bei.

Wie ein nicht enden wollendes Making-of zu einer noch gar nicht gestarteten Sendung zeigt "Make Me Famous" das Leben der Profis in der Villa. Fitnesscoach Dennis fällt vor allem durch Abwesenheit auf: Ständig fehlt er mit Verweis auf wichtige Kundencalls in essenziellen WG-Momenten wie der Sichtung der Bewerbervideos, der Begrüßung der Bewerber vor Ort oder beim gemeinsamen Kochen. Dass er die beiden weiblichen Profis allein am Küchenherd stehen lässt, weil er noch ganz dringend arbeiten muss, setzt dem Ganzen die Krone auf.

Fotoshooting im Pelzmantel

Als Frühaufsteher, der entweder in Calls oder im Fitnessstudio ist, wirkt Dennis wie ein Fremdkörper in dieser Zweck-WG, in die erst nach vier Folgen endlich auch der Newcomer einzieht: Paul, 21, ausgewählt von den Profis, schließt sich ihren Partys und Shopping-Ausflügen an. Auch er filmt sich vom Wachwerden bis zum Schlafengehen selbst. Gecoacht wird er zumindest anfangs kaum: In der ersten Woche ist gerade mal ein provisorisches Fotoshooting im eigenen Pelzmantel drin.

Ob Newcomer Paul nach acht Wochen in der Content-Creator-WG brauchbares Knowhow für seine Karriere gewonnen haben wird, bleibt nach Sichtung der ersten WG-Woche mehr als fraglich. Was ihn antreibt, was er erreichen möchte, was seine Stärken und Schwächen sind, besprechen die Profis nicht mit ihm. Stattdessen wird Paul ruckartig hineingezogen in eine kaltherzig anmutende Welt aus Oberflächlichkeiten, Terminstress, verkaterten Vormittagen und dem seltsamen Drang, jede noch so alltägliche Banalität in Videoform festzuhalten und zu kommentieren.

Reichweiten steigern

"Toastet ihr euer Brot auch immer? Das ist so geil", hört man Paul in seine Kamera sagen, während man sich gedanklich von einer Sinnfrage zur nächsten hangelt und darüber nachdenkt, was ein Creator überhaupt erschafft, wenn sein Content so inhaltsleer ist.

So großzügig es sein mag, dass Joyn die Karrieren von Nachwuchs-Influencern boostern will, so bitter ist der Eindruck, den dieses ambitionslose Format hinterlässt: Es dient lediglich dazu, die Follower mehrerer Social-Media-Stars zum Streamingangebot von Joyn zu locken - die Steigerung der Reichweite aller ist nun mal das Ziel. Der selbsternannte Superstreamer gibt sich so wenig Mühe, aus den unterschiedlichen Persönlichkeiten eine spannende Sendung zusammenzustellen, dass sogar die Protagonisten selbst nur halbherzig am Projekt teilnehmen. Aber vielleicht genügt das heute schon, um berühmt zu werden?

infobox: "Make Me Famous", 60-teilige Doku-Soap, Produktion: Janus Productions (Joyn, seit 7.4.25, ProSieben Fun, seit 14.4.25 montags bis freitags gegen 8.30-8.50 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 21.04.2025 11:25

Lukas Respondek

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KJoyn, Dokusoap, Influencer, Respondek

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