Legendäre Lagunenstadt - epd medien

22.04.2025 13:44

30 Millionen Touristen besuchen jedes Jahr Venedig. In dem Deutschlandfunk-Radiofeature "Die letzten Venezianer" berichten Petra Reski und Christopher Weingart, wie die Einwohner der Stadt um ihren Lebensraum kämpfen.

Petra Reskis Radiofeature "Die letzten Venezianer"

Venedig: Der Dogenpalast und der Glockenturm von San Marco vom Canale Grande aus gesehen

epd Venedig ist neben Städten wie Berlin, Amsterdam und Barcelona Hotspot des Overtourism. Jährlich besuchen mehr als 30 Millionen Touristen die malerische Lagunenstadt, die rund 250.000 Einwohner hat, von denen jedoch nur ein Fünftel im historischen Zentrum lebt. Die Probleme, die damit einhergehen, sind seit langem bekannt, werden aber von Jahr zu Jahr dramatischer: Steigende Mieten, die sich die Einheimischen kaum noch leisten können, stetig sinkende Einwohnerzahlen, die immer gleichen internationalen Ladenketten. Anders gesagt: Venedig droht zu einem Disneyland zu verkommen.

Das Feature von Petra Reski und Christopher Weingart begibt sich mit neuesten Zahlen und aktuellen O-Tönen auf "Spurensuche" durch die Stadt. Im Hintergrund plätschert das Wasser, man hört Stimmengewirr. Interviewpartner sind sowohl Venezianer, die noch, wieder oder nicht mehr in ihrer Heimatstadt leben, als auch Politiker wie der stellvertretende Bürgermeister Simone Venturini. Er kontert die Vorwürfe und besteht darauf, dass Venedig gar kein Wohnungsproblem, sondern bloß ein Demographie-Problem habe, wie das ganze Land.

Aufgeheizte Stimmung

Der Bürgermeister Luigi Brugnaro, der auf dem Festland wohnt und gegen den die Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Feature-Aufnahmen wegen Korruption ermittelte, war nicht zu einem Gespräch bereit. Die Vorwürfe gegen "Venedigs Mini-Trump" werden von Reski und Weingart en détail referiert. Dazu hört man Demonstranten "Brugnaro raus aus der Lagune" rufen. So vermittelt die Sendung einen Eindruck von der aufgeheizten Stimmung in der Stadt.

"Die letzten Venezianer" ist ein klassisches Feature, fakten- und recherchestark. Trotz Pro und Contra merkt man, dass die Sympathien bei den heute nur noch knapp 50.000 Einwohnern liegen, die ihre Stadt lieben und um sie kämpfen. Zu ihnen gehören Reski, die seit mehr als 30 Jahren in Venedig lebt, und der 80-jährige international renommierte Bühnenbildner und Regisseur Ezio Toffolutti, der im Stadtteil Santa Croce wohnt. Er erzählt, dass es nur noch wenige Mietwohnungen gibt, dafür umso mehr Hotels, Bed-and-Breakfast- und Airbnb-Unterkünfte im Besitz von Immobiliengruppen: Im Jahr 2023 gab es in der Stadt erstmals mehr Gästebetten als Einwohner.

Eine Frau berichtet, dass sie auf den Lido gezogen ist, weil ihr die Lebenshaltungskosten in Venedig zu hoch geworden sind. Und die Besitzerin eines Schreibwarenladens klagt darüber, dass es immer weniger Lebensmittelgeschäfte gibt und immer mehr Souvenirläden mit Produkten Made in China.

Die Musealisierung der Stadt

Natürlich finden auch Lösungsvorschläge Erwähnung. Da ist der Kampf gegen die Kreuzfahrtschiffe mit ihren abertausend Tagestouristen an Bord, die seit 2021 nicht mehr am Markusplatz vorbeifahren dürfen. Für einen Aktivisten wie Silvio Testa ist das Verbot jedoch nur "Symbolpolitik", weil die grandi navi nun andere Routen nehmen, die die Lagune und die historische Bausubstanz der Weltkulturerbe-Stadt ebenso schädigen. Da ist die Kampagne, die sich dafür einsetzt, dass Venedig endlich den Status einer Insel zuerkannt bekommt. Damit verbunden wären Sonderrechte als Ausgleich für geografische Nachteile, mehr Fördergelder und mehr Autonomie.

Doch besteht vonseiten der Politik überhaupt ein Interesse, dass die legendäre Stadt diesen Sonderstatus erhält? Das Feature weckt Zweifel. Während die einen unter den Touristen leiden, sehen die anderen das viele Geld, das man mit ihnen verdienen kann. Dazu passt die hitzige Debatte um das 2024 eingeführte Reservierungssystem für Tagestouristen inklusive Zugangsgebühr. Für Simone Venturini ist die Maßnahme ein Erfolg. Kritiker hingegen sehen in ihr bloß einen weiteren Schritt zur endgültigen Musealisierung Venedigs. Zumal auch die Gebühr nicht dazu geführt hat, dass weniger Touristen in die Stadt strömen.

Hat Venedig, haben die Venezianer also neben ihrer prächtigen Vergangenheit auch eine Zukunft? Das informative Feature in der Regie von Anna Panknin lässt die Frage offen, stimmt aber nachdenklich bis pessimistisch. Die Töne, die ihm unterlegt sind, unterstreichen das: Zu hören ist leises, melancholisches Klavier- und Gitarrenspiel.

infobox: "Die letzten Venezianer. Eine Stadt kämpft ums Überleben", Feature, Regie: Anna Panknin, Buch: Petra Reski, Christopher Weingart (Deutschlandfunk, 22.4.25, 19.15-20.00 Uhr und in der DLF-Audiothek)



Zuerst veröffentlicht 22.04.2025 15:44

Florian Welle

Schlagworte: Medien, Radio, Kritik, Kritik.(Radio), KDeutschlandfunk, Radiofeature, Reski, Weingart, Panknin

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