Das Bauchgefühl der Kommissarin - epd medien

30.04.2025 07:10

1997 wurde die deutsche Krebsforscherin Ursula Glück-Tesler in den peruanischen Anden ermordet. Ins Visier der Ermittler geriet bald ihr Ehemann, der mehrere Lebensversicherungen für seine Frau abgeschlossen hatte. Der ARD-Krimi "Mord auf dem Inka-Pfad" erzählt die Geschichte der Ermittlungen nach.

Ein True-Crime-Krimi: "Mord auf dem Inka-Pfad"

Kommissarin Rita Berg (Nina Gummich) ermittelt gemeinsam mit israelischen Kollegen gegen Jona Kepler

epd Wie die ermittelnde Kommissarin Rita Berg (Nina Gummich) den Fall beurteilt, ist schon zur Mitte der ersten Folge klar: "Jens, ich glaub, er war's", zischt sie ihrem Kollegen (Florian Karlheim) zu. Da hat sie die Zeugenbefragung des Israelis Jona Kepler (Thomas Prenn) gerade kurz unterbrochen, um sich bei ihrem Chef die Erlaubnis für eine Beschuldigtenbefragung zu holen. Vergeblich.

Doch die Beamtin bleibt dabei. Sie hält die Aussagen des Mannes, der behauptet, seine deutsche Ehefrau Ursula (Amelie Kiefer) sei bei einem nächtlichen Raubüberfall auf dem Inka-Pfad in Peru neben ihm im Zelt liegend erschossen worden, für unglaubwürdig. Sie sieht Kepler selbst als den Täter, hat aber außer ihrem Bauchgefühl und ein paar Unwahrscheinlichkeiten in seiner Geschichte nichts in der Hand. Sie muss ihn ziehen lassen - allerdings nicht, ohne umgehend eine internationale Aufenthaltsermittlung zu beantragen.

Der Vierteiler "Mord auf dem Inka-Pfad", dessen Drehbuch Mika Kallwass und Nina Wolfrum nach einer Vorlage von Ralf Basedow verfassten, beruht auf einem wahren Fall: dem der Münchener Krebsforscherin Ursula Glück-Tesler, die 1997 auf einer Trekking-Tour nach Machu Picchu von ihrem israelischen Ehemann getötet wurde.

Seriös-sachliche Inszenierung

Die ARD-Produktion reiht sich ein in das seit Jahren boomende True-Crime-Genre und verzichtet von vornherein auf jegliche Whodunit-Spannung. Ein Sog kann sich im Grunde nur aus zwei Fragestellungen ergeben: Wird die Kommissarin ihre Theorie beweisen und Kepler hinter Gitter bringen können, vielleicht sogar ein Geständnis erwirken? Und weckt der Mörder genügend düstere Faszination, um den Zuschauer drei Stunden lang für seine Motive und sein Vorgehen zu interessieren?

Einen Sog entwickelt die Miniserie zwar nicht, aber die seriös-sachliche Inszenierung nimmt für sich ein. Regisseurin Nina Wolfrum verbindet intensive, kammerspielartige Verhörszenen mit den visualisierten Aussagen des Delinquenten und anderer Befragter. Später kommen noch die Kontinente umspannenden Recherche-Reisen der Kommissarin hinzu.

Ursula war klug. Und sie mochte das Abenteuer. Wie ich.

Für diese Rückblenden in die späten 1990er Jahre wählt Kameramann Andreas Köhler fahle, verwaschene Bilder. Dass vor allem in Südafrika gedreht wurde, tut der Atmosphäre der Anden-Szenen keinen Abbruch. Thomas Prenn wiederum bekommt in den Flashbacks Gelegenheit, seiner Figur ein gewisses Charisma zu verleihen. "Ursula war klug. Und sie mochte das Abenteuer. Wie ich." So schildert er ihr Kennenlernen in der israelischen Wüste, als er, der Elektrohändler, die trampende Wissenschaftlerin im Auto mitnahm. Könnte es sich zumindest am Anfang um eine Liebesbeziehung gehandelt haben? Es erscheint vorstellbar.

Dass Jona Kepler lügt, wird zu Beginn der zweiten Folge offenkundig, als er nach Abschluss der Vernehmung in München nicht wie angekündigt in seinen letzten Wohnort New York zurückkehrt, sondern - wie die Aufenthaltsermittlung ergibt - wieder nach Cusco fliegt. Von da an sperrt sich Rita Bergs zaudernder Vorgesetzter (Juergen Maurer) zumindest nicht mehr gegen weitere Ermittlungen - obwohl es das erste Mal wäre, dass ein israelischer Staatsbürger in Deutschland unter Mordverdacht gestellt würde.

Affinität zu True Crime

Wie sich zeigt, hatte Kepler mehr als nur eine Lebensversicherung für seine Frau abgeschlossen, was dem vermeintlich trauernden Witwer nun Reisen nach Australien und auf die Bahamas ermöglicht. Und zu welchem Ergebnis kamen eigentlich die Ermittler in Peru um den undurchsichtigen Comisario Rocas (Ruben Engel)? Rita Bergs unermüdliches Indiziensammeln gipfelt in einer aufwendigen Rekonstruktion der Tat auf dem Inka-Pfad.

Nina Gummich spielt die stoische Beamtin der Gesamttonlage entsprechend unprätentiös, aber durchaus auch als dezente Genießerin. Kann sie denn was dafür, wenn die Wahrheitssuche sie zu Dienstreisen um den Globus zwingt? Oder wenn die Witterungsbedingungen das Tragen einer coolen Sonnenbrille erforderlich machen? Sich gegenüber ihren männlichen Kollegen zu behaupten, scheint ihr nicht schwerzufallen. Dankenswerterweise verzichtet die Inszenierung aber auf allzu klischeehafte Konkurrenz- und Machtspielchen innerhalb des Polizeiapparats.

Für den Zuschauer geht es am Ende doch sehr detailliert um Unterschiede zwischen Schmauch- und Bleispuren, um Patronenhülsen, die Beschaffenheit von Zelten und Ballistik - eine Affinität zum True-Crime-Genre kann hier sicherlich nicht schaden. Aber auch dem kriminalistisch weniger Begeisterten und Beschlagenen erschließt sich der Anspruch der Produktion, den realen Geschehnissen mit der Verfilmung gerecht zu werden.

infobox: "Mord auf dem Inka-Pfad", vierteiliger Krimi, Regie: Nina Wolfrum, Buch: Mika Kallwass, Nina Wolfrum nach einer Vorlage von Rolf Basedow, Kamera: Andreas Köhler, Produktion: Westside Filmproduktion (ARD-Mediathek/Degeto/BR, seit 19.4.25, ARD, 30.4. und 1.5.25, jeweils 20.15-21.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 30.04.2025 09:10

Peter Luley

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Krimi, Wolfrum, Kallwass, Basedow, Luley, True Crime

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