30.04.2025 07:30
Im Ostkongo werden Journalisten zensiert und bedroht
Goma (epd). Horace Ngoy wollte nur kurz aus Goma weg, bis Gras über eine Recherche seines Radiosenders gewachsen war. Doch der Journalist aus der Demokratischen Republik Kongo, der in Wirklichkeit anders heißt, kann seit der Flucht Anfang März nicht in seine Heimat zurück - es wäre zu gefährlich. Ende Januar nahm die M23-Miliz die Provinzhauptstadt Goma im Ostkongo ein. Ngoys Medienhaus berichtete über Massaker der Rebellen an der Zivilbevölkerung nach der Machtübernahme.
Schon bevor das aktive Kriegsgeschehen Goma erreichte, hatte die kongolesische Regierung entschieden, dass Journalistinnen und Journalisten nicht mehr über die tatsächlichen Entwicklungen berichten sollten, sondern das verbreiten, was die Staatsführung wollte. Gleichzeitig habe die Regierung aber kaum mit den Medien kommuniziert, sagt Ngoy dem Evangelischen Pressedienst (epd) in einer afrikanischen Großstadt. Die M23 hingegen habe fast täglich Presseerklärungen veröffentlicht, die man aber wiederum schwer verifizieren konnte.
Sogar mit der Todesstrafe drohte die Regierung Medienschaffenden, die über die Fortschritte der M23-Rebellen berichteten, weil das unpatriotisch sei. "Was soll ein patriotischer Journalist sein?", fragt Ngoy, der Haare und Bart kurz trägt und immer wieder offen lächelt. "Ich kann die Wahrheit nicht verändern. Doch wer die Wahrheit sagt, wird zum Feind."
Laut der Bürgerrechtsorganisation Civicus werden Journalistinnen und Journalisten mit dem Tod bedroht, müssen untertauchen und um ihre Familien bangen. Manche von ihnen wurden tätlich angegriffen und ihrer Ausrüstung beraubt. Nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" haben im Jahr vor der Einnahme von Goma durch die M23 etwa 90 Journalisten die Provinz Nord-Kivu verlassen, deren Hauptstadt Goma ist.
Bereits 2012 brachte die von Ruanda unterstützte M23 die Millionenstadt für wenige Tage unter ihre Kontrolle, wurde dann jedoch von der Armee und der sie unterstützenden UN-Friedensmission zurückgeschlagen. Doch seit 2022 sind die Rebellen wieder auf dem Vormarsch, haben immer wieder kleinere Ortschaften erobert, bis sie Ende Januar Goma, das Zentrum der Region sowie die Großstadt Bukavu einnahmen.
Ngoy erzählt von Kollegen, die ganz klar aus Sicht der Armee oder der Rebellen berichten. "Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit", zitiert der 30-Jährige - den Satz soll der US-Senator Hiram Johnson 1918, während des Ersten Weltkriegs geprägt haben. Im Osten des Kongo scheint er besonders zuzutreffen. Die Menschen in den von den Rebellen eroberten Gebieten haben Angst, mit Journalisten zu reden, auch sie fürchten Vergeltung.
Journalismus ist Ngoys Leidenschaft. Schon als Kind weckte ein Besuch bei einer Radioredaktion sein Interesse, als Jugendlicher hängte er sich an einen Nachbarn, der nur wenige Jahre älter, aber bereits Reporter war. Ngoy sprach zunächst Texte für eine Radiosendung ein und stellte eine wöchentliche Wandzeitung mit Nachrichten aus aller Welt zusammen, die er in der Schule aufhing. Dann hat er Journalismus studiert und in den vergangenen Jahren immer wieder selbst Studierende unterrichtet. Einen anderen Beruf kann er sich nicht vorstellen.
Schon früh wurde Ngoy eine zentrale Figur in der Bloggerszene. Anders als in der Hauptstadt Kinshasa, wo die Blogger Anhänger bestimmter Politiker seien, hätten sie in Goma "online an der Seite der Menschen gegen die Gewalt gekämpft". Als der Krieg die Stadt erreichte, fühlte sich Ngoy wie im Film. Mit seiner Familie habe er sich tagelang im Haus verschanzt und auf die nächsten Bombeneinschläge und Schusswechsel gewartet. Per WhatsApp haben sich die Journalisten in der Stadt über die Lage in unterschiedlichen Stadtteilen ausgetauscht. "Wir alle sind traumatisiert von den Bildern von Leichen in den Straßen."
Jetzt lebt Ngoy vorübergehend in einer Großstadt in Ostafrika, mehr als 1.000 Kilometer entfernt von seiner Familie. Wann er zurückkann, weiß er nicht. Friedensverhandlungen werden immer wieder angekündigt, haben aber noch keine Erfolge erzielt. Aber Ngoy ist überzeugt: "Solange man noch am Leben ist, gibt es Hoffnung."
Zuerst veröffentlicht 30.04.2025 09:30
Schlagworte: Kongo, Konflikte, Medien, Menschen, KORR
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