02.05.2025 09:40
Berlin (epd). Die weltweite Lage der Pressefreiheit ist Reporter ohne Grenzen (RSF) zufolge auf einem historischen Tiefstand. Das zeigt die neue Rangliste der Pressefreiheit, die die Journalistenvereinigung am Freitag in Berlin veröffentlichte. In 90 von 180 Ländern sei die Situation für Medienschaffende "schwierig" oder "sehr ernst", erklärte RSF. Neben einer fragilen Sicherheitslage und zunehmendem Autoritarismus mache vor allem der ökonomische Druck den Medien weltweit zu schaffen.
Nur in sieben Ländern sei die Lage als "gut" einzuschätzen. Diese liegen alle in Europa. Während Norwegen seinen ersten Platz gegenüber dem Vorjahr verteidigte, rutschte Deutschland um eine Position zurück auf Rang elf ("zufriedenstellend"). Auf den zweiten Platz schaffte es Estland (2024: Rang sechs), gefolgt von den Niederlanden (2024: Rang vier). Schlusslichter sind China (178), Nordkorea (179) und Eritrea (180).
bild: 6969 Copyright: picture alliance/dpa/dpa-infografik
Reporter ohne Grenzen bewertet seit 2002 für die Rangliste der Pressefreiheit regelmäßig die Lage in einem Land oder Territorium in den Kategorien Politik, Recht, Wirtschaft, Soziokultur und Sicherheit. Dafür stehen nach einem Punktesystem die fünf Kategorien "gut", "zufriedenstellend", "erkennbare Probleme", schwierig" und "sehr ernst".
RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus betonte, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebe nun in Staaten, in denen die Lage der Pressefreiheit als sehr ernst eingestuft werde. "Autokraten ist unabhängiger Journalismus ein Dorn im Auge."
Die Analyse zeige zudem, dass sich Medienschaffende und Redaktionen in allen Teilen der Welt zunehmend zwischen dem Streben nach redaktioneller Unabhängigkeit und ihrem wirtschaftlichen Überleben aufreiben. In fast einem Drittel der Länder mussten Redaktionen im vergangenen Jahr aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Häufig ging der wirtschaftlichen Schieflage extremer Druck durch die Behörden voraus, heißt es in der Analyse.
In 160 von 180 beobachteten Ländern schafften es Medien nur "mit Schwierigkeiten" oder "überhaupt nicht", stabil zu wirtschaften. In 46 Staaten konzentriere sich Medienbesitz in den Händen weniger Eigentümer. In manchen Ländern, etwa in Russland (Platz 171; 2024: 162), werde die Medienlandschaft vom Kreml oder von Kreml-nahen Oligarchen kontrolliert.
In Ländern wie Ungarn (68; 2024: 67) mische sich der Staat durch die Zuteilung oder den Entzug von Anzeigen aktiv in die journalistische Arbeit ein. Kritik gibt es auch an der weitgehend unregulierten Marktdominanz großer Tech-Unternehmen und deren Social-Media-Plattformen wie X. Sie vereinten den Großteil der Werbeeinnahmen auf sich.
Die gefährlichste Region weltweit für Medienschaffende bleibt laut Reporter ohne Grenzen die Region Naher Osten und Nordafrika. In Gaza wurden demnach seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 fast 200 Journalistinnen und Journalisten bei Angriffen der israelischen Armee getötet, fast 50 im Kontext mit ihrer Arbeit.
Auch in Deutschland bewegten sich viele Medienschaffende in einem zunehmend feindlichen Arbeitsumfeld, erklärte Reporter ohne Grenzen. Vor allem Journalistinnen und Journalisten, die sich mit rechtsextremen Milieus und Parteien wie der AfD beschäftigten, seien 2024 gefährdet gewesen.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Mika Beuster, erklärte zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai: "Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das es zu verteidigen gilt - nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Wir sehen gerade anhand der Entwicklung in den USA, wie schnell sich ein Land in die falsche Richtung entwickeln kann." Dies sollte "wachrütteln", so Beuster.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di forderte Auftrag- und Arbeitgeber in Rundfunk und Verlagen auf, den Schutz angestellter und freier Medienschaffender zu verbessern. "Pressefreiheit lebt von denen, die sie täglich mit hohem individuellem Einsatz erlebbar machen und verteidigen", sagte Lars Hansen, Co-Vorsitzender der dju. Wer Journalistinnen und Journalisten schütze, leiste "Demokratieförderung in einer Zeit, in der medienwirtschaftliche Kipppunkte drohen".
Zunehmend weniger Medienschaffende seien bereit, unter "immer unattraktiveren wirtschaftlichen Bedingungen" für Medienunternehmen zu arbeiten, erklärte die dju. "Bei der Arbeit Gewalterfahrungen zu erleben, ist für viele der letzte Anstoß, sich aus dem Journalismus zurückzuziehen", so Hansen.
lob/cph
Zuerst veröffentlicht 02.05.2025 06:00 Letzte Änderung: 02.05.2025 11:40
Schlagworte: Medien, Pressefreiheit, RSF, Rangliste, lob, NEU
zur Startseite von epd medien