02.05.2025 07:50
Der Fernsehfilm "Sprengstoff" bei ZDF und Kika
epd Im Kinderfernsehen wird das Lernziel am Schluss gern noch mal zusammengefasst, vor allem bei Info-Formaten. Aus erwachsener Sicht wirkt es ziemlich pädagogisch, wenn auch ein Spielfilm auf diese Weise endet. In "Sprengstoff" fasst eine didaktisch konzipierte Nebenfigur die Botschaft nochmals in Worte: "Sind wir denn alle wahnsinnig geworden? Das ist ja wie vor 80 Jahren! Es hat genauso angefangen damals. Ham' wir denn gar nichts gelernt? Genau die gleiche Dummheit, genau der gleiche Hass. Menschen werden erniedrigt, geschlagen, getötet."
Abgesehen davon, dass es vor 80 Jahren nicht angefangen, sondern aufgehört hat, ist die alte Frau, die diesen Appell proklamiert, die einzige uneingeschränkt positive Figur des Films. Das Verhalten aller anderen ist geprägt von Vorurteilen. Diese Voreingenommenheit will die ZDF-Produktion (Buch: Sebastian Grusnick, Thomas Möller) aufbrechen. Die Handlung, in deren Verlauf sich die 14-jährige Anne (Johanna Götting) auch dank des Einflusses ihrer betagten Nachbarin Clara (Nicole Heesters) eines Besseren besinnt, ist plausibel und nachvollziehbar erzählt.
Grundidee von "Sprengstoff" ist es, alle Beteiligten zwangsweise an einem Ort zusammenzuführen und auf diese Weise die Themenkomplexe "80 Jahre Kriegsende" und "Migration" miteinander zu verknüpfen: Weil bei Baggerarbeiten eine Weltkriegsbombe entdeckt wurde, muss ein Wohnviertel evakuiert werden. Die Turnhalle, in der sich die Menschen versammeln, befindet sich in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft. Clara erzählt, dass sie als Achtjährige ebenfalls auf der Flucht war, nachdem ihr Elternhaus bombardiert wurde.
Als eine Mutter überzeugt ist, dass "die Flüchtlinge" ihren Kinderwagen gestohlen haben, folgt Claras erste Ermahnung: "So hat's damals auch angefangen. Nur waren damals die Juden Schuld." Immer werde ein Schuldiger gesucht, "und jetzt sind es eben die Geflüchteten".
Der Konflikt beginnt jedoch viel früher: Weil Anne zu spät zum Leichtathletiktraining kommt, vergisst sie, ihr Fahrrad abzuschließen. Dummerweise hat sie es vor einem "Zu verschenken"-Karton abgestellt; der mit Mutter und Schwester aus Afghanistan geflohene Faried (Zahel Anwary) freut sich, gilt aber nun prompt als Fahrraddieb. Am Ende, als die Situation in der Turnhalle zu eskalieren droht, geht ihm Annes Vater (Tim Porath), sogar an den Kragen.
Weitaus wirkungsvoller als ein bloßer Appell ist erfahrungsgemäß ein Sinneswandel. Anfangs sind Anne und Faried noch neutrale Figuren. Das ändert sich, als sie im Hundertmeterlauf gegen ihn gewinnt. Der Junge, der ausgezeichnet Deutsch spricht, weil sein Vater Dolmetscher war, ist offenkundig kein guter Verlierer und tut sinngemäß kund, dass Mädchen überhaupt keinen Sport treiben sollten. Das findet Anne verständlicherweise doof. In der Turnhalle stellt sie allerdings fest, dass Faried gar nicht so übel ist. Im Gegensatz zu einem Erwachsenen, der bloß meckert, packen die beiden Teenager sofort mit an, als Hilfe benötigt wird.
Die Umsetzung der interessanten Grundidee ist allzu spannungsarm. Damit sich die Handlung nicht nur in der Halle abspielt, schaut der Film zwar immer wieder mal in der Baugrube vorbei - ein ZDF-Reporter (Sherif Rizkallah) hält die Menschen auf dem Laufenden. Doch auch auf dieser Ebene kommt keinerlei Spannung auf, obwohl Claras entlaufener kleiner Hund die Entschärfung zwischenzeitlich sabotiert. Nennenswerte Inszenierungsakzente sind nur in zwei cleveren Szenenwechseln zu Beginn und am Schluss sowie in einigen Zeitlupenstudien zu erkennen.
Die jungen Mitwirkenden hat Regisseur Linus Liyas bei seinem Debüt ausnahmslos gut geführt. Aber auch im Kinderfernsehen dürfen Botschaften gern etwas subtiler verpackt werden - die Zielgruppe bekommt sie trotzdem mit, zumal sich der lange Kurzfilm (45 Minuten) an die ganze Familie richtet.
infobox: "Sprengstoff", Fernsehfilm, Regie: Linus Liyas, Drehbuch: Sebastian Grusnick, Thomas Möller, Kamera: Moritz Moessinger, Produktion: Leitwolf Filmproduktion (ZDF-Mediathek, seit 2.5.25, Kika/ZDF, 4.5.25, 20.00-20.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 02.05.2025 09:50
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Gangloff, tpg, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Sprengstoff
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